Wien ist ein Freilichtmuseum mit schlechter Stimmung

Wien ist eine wunderschöne Stadt. Aber ist sie auch eine fröhliche Stadt? Irgendetwas passt mit der Stimmung in Wien nicht. Ich frage mich, ob richtig investiert wird.

Wenn man durch die Innere Stadt oder Schönbrunn geht, sieht man viele Touristen; vor allem aus aufstrebenden Staaten im Nahen Osten und Ostasien. Für diese muss Wien ein Traum sein. Kein Hundekot am Graben, keine Obdachlosen vor Schönbrunn und keine Drogenszene mehr am Karlsplatz. Die Touristen fahren mit privaten Bussen und sind begeistert. Würden sie öfters mit der U-Bahn fahren, ergebe sich ein anderes Bild.

Mache ich das, dann merke ich, dass die Menschen nicht gut drauf sind. Vergleiche ich unsere Stadt beispielsweise mit Bogota ergibt sich folgender Befund: Bogota ist auch sehr sauber, aber viel fröhlicher, freundlicher und pulsierender als Wien. Wien kann vor allem auf die sehr teuer zu erhaltenden, einzigartigen Einrichtungen der Hochkultur verweisen. Ich vermisse in Wien eine Aufbruchsstimmung, insbesondere getragen von der Jugend im allgemeinen und Jungunternehmern im besonderen. Oder kennt irgendjemand einen Hotspot, wo großartige Ideen ausgetauscht und diskutiert werden? Und natürlich muss man sich diese Frage auch in Bezug auf manche Viertel stellen, leblose Wohnsilos, an den Stadträndern.

Nimmt man die historischen Sehenswürdigkeiten heraus, ist es eine Stadt wie jede andere Großstadt, nur mit viel weniger fröhlichen Menschen. Gut, ein Teil davon – das beobachte ich als gebürtiger Vorarlberger – liegt wohl an der raunzenden Art mancher Wiener. Es fehlen die Kreativviertel, es fehlen beispielsweise typische Einwandererviertel nach dem New Yorker Vorbild, wo die Kultur von Einwanderern die sonst sterilen Städte bereichert. Es fehlt die Übersetzung dieser Möglichkeiten ins Positive. In Wien könnte es im 16. Bezirk ein „Little Istanbul“ geben.

Vielleicht fehlt das Positive, weil man das vermeintlich Negative wegzumachen versucht, weil man um alles in der Welt das Bild der perfekten, geschichtsträchtigen Stadt hat und erhalten will. Ich befürchte, dass Wien nicht für alle hier lebenden Menschen eine tolle Stadt ist. Denn eine große Frage muss dabei zu Schluss auch noch gestellt werden: Was kostet das alles? Und wäre das Geld nicht anders auch sinnvoller eingesetzt, als sich als Disneyland für ostasiatische Touristen zu präsentieren?

Allerdings: Es gibt auch ermutigende Beispiele. Die Seestadt Aspern oder der WU-Campus mit der Aufwertung des Struwerviertels. Aber dorthin verirrt sich dann wieder kaum ein Tourist.

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Veronika Fischer

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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