Käuflichkeit hat viele Gesichter

Es gehört zu den großen Illusionen demokratisch sozialisierter Idealisten, an die Unbestechlichkeit politischer Gallionsfiguren zu glauben. Man spricht gern von Prinzipien, von moralischer Integrität und von Standhaftigkeit. Doch hinter dieser Fassade lauert eine einfache Wahrheit: Jeder Mensch ist käuflich. Die Frage ist nicht ob, sondern lediglich zu welchem Preis.

Dieser Preis bemisst sich selten nur im Geldwert, sondern zeigt sich in vielfältiger Währung: in sozialer Anerkennung, gesteigerter Machtfülle, steiler Karriere und diversesten Privilegien. Der eine verkauft seine Loyalität für ein Ministeramt, der andere für die Rettung eines geliebten Menschen, wieder ein anderer für den trügerischen Glanz medialer Bewunderung und – nicht zuletzt – manche für Beträge, die sie mit ehrlicher Lebensarbeit nicht erwirtschaften könnten. Der Preis variiert – die Käuflichkeit bleibt.

Gerade in der Politik entfaltet dieses Prinzip seine volle Wirksamkeit. Politik ist nichts anderes als die institutionalisierte Verwaltung der Käuflichkeit. Parteien kaufen Gefolgschaft durch Posten, durch Aussicht auf Karriere oder wenigstens durch die Verheißung einer Stimme in der Geschichte. Aber auch Wähler werden gekauft - nicht selten mit kleinen Almosen, mit Versprechungen und Subventionen, mit geschickt platzierten Illusionen von Sicherheit und Wohlstand.

Und die Politiker selbst? Sie sind die wandelbarsten Waren auf diesem Markt. Mal dient ihr Preis dem eigenen Vorteil, mal der Parteilogik, mal der Lobby, mal schlicht dem Drang, die Macht um keinen Preis aus den Händen zu geben. Wer glaubt, in der Politik sei ideologische Überzeugung das handlungsbestimmende Element, hat das Wesen der Macht nicht verstanden. Politik ist ein Basar. Auf diesem Basar ist Moral das dekorative Schaufenster, mit dem man den Handel tarnt. Loyalität ist kein Besitz, sondern ein Mietvertrag, der kündbar ist, sobald ein besseres Angebot lockt. Prinzipien sind die Etiketten auf den Waren – hübsch anzusehen, doch jederzeit austauschbar.

Philosophisch betrachtet liegt darin keine Ausnahme, sondern ein Naturgesetz. Der Mensch ist verletzlich, begrenzt, verführbar. Er vergisst alle moralischen Prinzipien, sobald die Angst, die Begierde oder die Hoffnung schwerer wiegt als seine Prinzipien. Und da niemand frei von diesen Regungen ist, gilt: Jeder ist käuflich.

Doch was in den Ohren mancher wie blanker Zynismus klingen mag, ist hier nichts anderes als Realismus. Wer die Weltgeschichte betrachtet, sieht, dass nicht die Tugendhaften, sondern die Geschickten regieren – jene, die den Preis ihrer Mitmenschen kennen und zu zahlen bereit sind. Politik ist deshalb nicht das Reich der Werte, sondern das Geschäft der Händler. Und die Frage, die sich stellt, lautet nicht: „Ist dieser Politiker käuflich?“ Sondern einzig: „Zu welchem Preis?“

Die empörte Verneinung

Würde man einen Politiker in der Öffentlichkeit fragen, ob er käuflich sei, so würde er diese Frage mit sichtbarer Empörung verneinen.. Allein das Infragestellen persönlicher Unbestechlichkeit gilt im politischen Umfeld als Beleidigung, als Unterstellung, als Angriff auf die Integrität. Doch in diesem reflexhaften Dementi liegt bereits die erste Lüge. Denn wenn es stimmt – und das allermeiste spricht dafür –, dass jeder Mensch käuflich ist, dann gilt dies auch für den Politiker.

Käuflichkeit wird dabei oft zu eng verstanden, reduziert auf Bargeldkoffer und anrüchige Deals. Doch das ist nur die grobschlächtige Form. In Wahrheit ist der „Preis“ eines Politikers vielfältig: Karriere, Macht, Anerkennung, Sicherheit, die Aussicht auf Wiederwahl oder hochdotierte Versorgungsposten nach dem Abschied aus der Politik. Wer sich einem dieser Motive beugt, hat sich bereits kaufen lassen – nicht unbedingt durch Geld, sondern durch das, was ihm mehr wert ist als die Prinzipien, die er vorgibt zu vertreten.

Die Empörung über die Frage nach Käuflichkeit ist daher weniger Ausdruck moralischer Reinheit als vielmehr Teil der Inszenierung. Politik lebt von Symbolen, vom Bild des unbestechlichen Volksvertreters, der allein dem Gemeinwohl dient. Dieses Bild darf nicht erschüttert werden – sonst bräche die Fiktion zusammen, von der das System lebt. Also muss die Lüge lauten: "Nein, ich bin nicht käuflich."

Doch wer ehrlich hinsieht, erkennt: Käuflichkeit ist kein Makel, der nur einzelne befällt. Sie ist eine anthropologische Konstante. Jeder Mensch hat einen Punkt, an dem er seine Überzeugungen gegen einen Preis tauscht – sei es aus Angst, aus Gier oder aus Hoffnung. Der Politiker unterscheidet sich darin nicht von seinen Wählern. Er ist lediglich gezwungen, die eigene Käuflichkeit konsequenter zu verschleiern.

Das Nein des Politikers ist somit keine Wahrheit, sondern die erste Pflichtlüge seiner Profession. Die Politik ist, nüchtern betrachtet, ein Geschäftsmodell, bei dem Moral, Anstand und Integrität einen äußerst geringen Stellenwert haben– und die empörte Leugnung dieser Tatsache ist einer der Eckpfeiler des Geschäftsmodells.

Demokratie toppt Autokratie – eine naive These

Wenn man die Käuflichkeit aller Individuen als anthropologische Grundannahme ernst nimmt, ergibt sich eine schlichte Logik: Politik – gleich in welcher Form – ist immer ein Markt, und auf diesem Markt gilt: je weniger Entscheidungsträger die Marktmacht in Händen halten, desto einfacher ist es, ihn zu kontrollieren.

Die Diktatur ist in dieser Hinsicht das Traumland aller Käufer. Eine kleine Clique, vielleicht gar nur ein einziger Mensch entscheidet. Wer den Diktator kauft, besitzt das Land. Die Kosten sind minimal, die Rendite maximal. Kein Wunder also, dass Autokratien so oft ein Hort ausufernder, exzessiver und schamloser Korruption sind: Sie sind strukturell billig zu haben.

Die Demokratie dagegen ist teuer. Sie ist ein Basar mit unzähligen Ständen, jeder Politiker ein Händler mit eigenen Preisen. Wer Einfluss will, muss viele kaufen – und jeder verlangt eine andere Währung. Der eine möchte ein Ministeramt, der nächste eine Subvention für seinen Wahlkreis, der dritte eine Schlagzeile, die ihn als Retter erscheinen lässt. Demokratie ist dadurch träge, widersprüchlich, zäh – aber genau das ist ihre Stärke. Sie macht es schwer, die gesamte Politik von einem einzigen Käufer monopolistisch vereinnahmen zu lassen.

Die Käuflichkeit des Einzelnen wird so durch die Vielzahl der Käufer und Verkäufer neutralisiert. Es entsteht ein Marktchaos, in dem niemand die alleinige Macht hat. Was wie ein Defekt aussieht – die endlosen Debatten, das Geschacher, das Lavieren –, ist in Wahrheit ein Schutzmechanismus. Je mehr Entscheidungsträger ein System hat, desto ineffizienter wirkt es – aber desto schwieriger und vor allem teurer ist eine „feindliche“ Übernahme.

Demokratie, ein Schnäppchen für Superreiche – ernüchternde Antithese

Die Logik der teuren Demokratie gerät ins Wanken, sobald man den Faktor Medienmacht einbezieht. Denn Superreiche besitzen in modernen Demokratien ein Werkzeug, das ihnen den mühsamen Einzelkauf von Politikern erspart: die Kontrolle über die öffentliche Meinung.

In der Demokratie hängen Karrieren von Wahlen ab, und Wahlen hängen von Medien ab – sei es in Form klassischer Zeitungen, privater Fernsehsender oder digitaler Plattformen. Wer die Medien besitzt, kontrolliert die Stimmung. Und wer die Stimmung kontrolliert, bestimmt über das politische Schicksal. Ein Politiker muss gar nicht direkt bestochen werden; es genügt, dass er weiß, welche Schlagzeile morgen über ihn erscheinen könnte, wenn er nicht „funktioniert“.

So verwandelt sich der mühsame Basar mit seinen vielen Entscheidungsträgern in einen zentralisierten Marktplatz mit nur wenigen Großhändlern – jenen, die das mediale Megafon in der Hand halten. Parteien werden über Kampagnen gesteuert, Wähler über Narrative konditioniert, ganze Parlamente durch öffentliche Meinung diszipliniert. Die „Käuflichkeit“ läuft hier subtiler, indirekter, fast unsichtbar.

Autokratien sind in dieser Hinsicht paradoxerweise robuster. Dort kontrolliert der Autokrat die Medien, nicht die Superreichen. Wer den Autokraten kontrollieren will, kann nicht einfach ein paar Fernsehsender erwerben oder Social-Media-Plattformen manipulieren – er muss direkt an die Spitze heran. Und dort sitzt oft ein Mann (selten eine Frau), der weiß, dass die Kontrolle über Medien durch ihn selbst gleichbedeutend mit seinem Machterhalt ist.

Das demokratische Dilemma

• In Autokratien ist es leicht, den Staat durch den Kauf einer Person zu vereinnahmen. Da in Autokratien die Medienmacht jedoch in der Hand der Autokraten liegt, ist es sehr schwer, die Öffentlichkeit gegen autokratische Herrschaft zu mobilisieren.

• In Demokratien ist es ungleich schwerer, jeden einzelnen Politiker zu kaufen – aber erstaunlich einfach, die gesamte Politik durch Medienmacht auf Linie zu bringen.

Das bittere Fazit

Die Demokratie schützt uns nicht vor gekauften Entscheidungen. Statt Bestechung durch Geld, Gefälligkeiten und anderen kriminelle Machenschaften reicht es, die Medien zu beherrschen, um das System von innen zu schwächen. Einige wenige Milliardäre können Wähler manipulieren, Kandidaten pushen oder diskreditieren, Wahlkämpfe steuern und Parteiprogramme in ihrem Sinne modifizieren.

Wenn große europäische Mainstreammedien – von Brüssel bis in die Mitgliedsstaaten – nahezu geschlossen dieselben Themen setzen und dabei sehr ähnliche Bewertungen und Narrative transportieren, deutet dies auf eine strukturelle Konzentration von Medienmacht hin. In diesem Sinne kann man von einer Mediokratie sprechen – einer Herrschaftsform, in der nicht demokratische Prozesse, sondern die Deutungshoheit weniger, wirtschaftlich mächtiger Medienakteure den politischen Raum dominiert und demokratische Verfahren korrumpiert.

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