Politik als Geschäftsmodell

Politik in Österreich und Deutschland ist in weiten Teilen zu einem funktionalen Geschäftsmodell geworden – mit Umsatz (Parteienfinanzierung), Kundenbindung (Wählerpflege), Marketing (Inszenierung), Netzwerken (Lobbyismus) und Karrierewegen (Postenschacher). Die Demokratieform bleibt bestehen – aber ihre Inhalte werden marktförmig umgedeutet.

Diese Behauptung ist nicht bloß polemischer Natur, sondern lässt sich mit einer Vielzahl belegbarer, struktureller und systemischer Beobachtungen untermauern.

Im Folgenden wird versucht, die These in sechs zentralen Punkten zu untermauern:

1. Parteienfinanzierung als Selbstbedienungssystem

Ein zentrales Indiz für die Ökonomisierung der Politik ist die Art und Weise, wie sich Parteien ihre eigenen Mittel sichern. In beiden Ländern gehört die staatliche Parteienfinanzierung zu den höchsten weltweit. In Österreich belief sich die Parteienförderung - inklusive aller anders betitelten Zuschüsse - auf über 200 Millionen Euro jährlich, in Deutschland - ebenfalls inklusive aller anders betitelten Zuschüsse - auf rund 1 Milliarde Euro im Jahr 2024. Die Höhe dieser Mittel steht in auffälligem Missverhältnis zur sinkenden Mitgliederzahl und dem rückläufigen Vertrauen der Bevölkerung.

Das besonders Brisante daran ist, dass die Parteien ihre eigene Finanzierung beschließen – ein Vorgang, der in jeder anderen Organisation als grober Interessenskonflikt gewertet werden würde. In der Politik hingegen ist dies gängige Praxis. Kontrollinstanzen wie Rechnungshöfe kritisieren diese Systeme regelmäßig, ohne dass grundlegende Reformen folgen.

2. Parteikarrieren verdrängen sachorientierte Politik

Die zunehmende Professionalisierung innerhalb der Parteien führt dazu, dass viele Politikerinnen und Politiker nie außerhalb des politischen Betriebs tätig waren. Von der Parteijugend bis ins Parlament verläuft eine typische Karriere oft ausschließlich innerhalb parteiinterner Strukturen. Fachliche Qualifikationen, Lebenserfahrung oder berufliche Expertise spielen zunehmend eine untergeordnete Rolle gegenüber parteipolitischer Loyalität: Im Parlament herrscht Klubdisziplin. Abgeordnete, die dem eigenen Gewissen folgen, werden abgestraft. Warum eigentlich? Waren sie nicht vom Volk gewählt – und nicht von der Parteizentrale? Ein Parlament, das sich selbst entmündigt, kann nicht glaubwürdig über Freiheit und Verantwortung sprechen.

Der Effekt ist fatal: Politische Entscheidungen richten sich weniger nach objektiven Kriterien, sondern viel mehr nach parteitaktischen Erwägungen, medialer Wirkung und Umfragewerten. Das Gemeinwohl wird zur Hintergrundfolie eines Machtspiels, in dem politische Inhalte zum bloßen Mittel des Machterhalts degenerieren.

3. Lobbyismus als Parallelwirtschaft der Politik

Ein besonders deutliches Beispiel für die Kommerzialisierung ist der Einfluss des Lobbyismus. In Deutschland sind über 11.000 Lobbyisten registriert, die direkt Zugang zum Bundestag haben. In Österreich zeigen Affären wie der Ibiza-Skandal, die Causa Casinos Austria, Inseratenkorruption wie die „Beinschab-Tool“- Affäre sowie der Postenschacher in staatsnahen Betrieben, wie eng Politik und wirtschaftliche Interessen verflochten sind.

Nicht selten wechseln hochrangige Politiker nach ihrer Amtszeit direkt in die Wirtschaft – zu Energieunternehmen, Rüstungskonzernen oder Lobbyagenturen. Diese „Drehtür-Effekte“ offenbaren ein Verständnis von Politik als Karriere- und Geschäftsplattform, nicht als Dienst an der Gesellschaft; als Beispiel für viele seien hier die postpolitischen Karrieren von Helmut Schröder, Alfred Gusenbauer und Sebastian Kurz genannt.

4. Medienpolitik zwischen Inseraten und Meinungsmache

Ein weiteres Element dieses Geschäftsmodells ist die strategische Medienfinanzierung. In Österreich sind Inserate öffentlicher Stellen ein bewährtes Instrument zur Einflussnahme auf redaktionelle Inhalte – ganz legal, aber hochproblematisch. Die Nähe zwischen Regierung und Medien untergräbt die demokratische Meinungsbildung und fördert eine Inszenierungspolitik, in der Imagepflege wichtiger ist als Transparenz.

Auch in Deutschland ist politische Einflussnahme auf öffentlich-rechtliche Medien durch parteipolitisch besetzte Rundfunkräte institutionalisiert. Der Staat wird so zum mitfinanzierten Mitspieler in der medialen Arena, in der politische Botschaften professionell vermarktet werden.

5. Postenschacher statt Leistungsgesellschaft

Die Besetzung öffentlicher Positionen erfolgt häufig nicht nach Leistung oder Qualifikation, sondern nach parteipolitischer Zugehörigkeit. In Österreich ist der Begriff „Freunderlwirtschaft“ kein Zufall, sondern eine systemische Realität. Auch in Deutschland sind parteipolitisch motivierte Berufungen in Aufsichtsräte, Behörden und staatsnahe Unternehmen dokumentiert.

Damit wird die Politik zur Verteilstelle für Loyalitätsprämien – vergleichbar mit einem Konzern, der Top-Posten nach Vorgaben interner Netzwerke besetzt. Dies unterminiert das Vertrauen in die demokratische Gesellschaftsordnung, konterkarriert das Leistungsprinzip und verstößt gegen die Grundsätze gesellschaftlicher Fairness.

6. Koalitionslogik als Demokratieattrappe

Ein letzter Punkt betrifft die strukturelle Entkopplung zwischen Wählerwillen und politischer Realität. In Mehrparteiensystemen kommt es regelmäßig vor, dass Parteien im Wahlkampf Positionen vertreten, die sie in der Koalitionspraxis aufgeben. Entscheidungen entstehen dann in Koalitionsverhandlungen hinter verschlossenen Türen meist ohne parlamentarische Debatte.

Wahlversprechen verflüchtigen sich, Inhalte werden gegeneinander verrechnet wie Waren auf einem Basar. Wer fragt eigentlich den Bürger, ob er solche durch Kungeleien im Hinterzimmer entstandene Bündnisse will? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn alle alles ein bisschen vertreten, aber niemand für etwas geradesteht?

All das führt zu einer Aushöhlung demokratischer Rechenschaft. Versprechen verlieren an Wert, Verantwortlichkeiten werden verwässert, politische Inhalte geraten ins Beliebige. Was bleibt, ist ein Spiel um Einfluss statt um Inhalte.

Und nun? Reformieren – oder resignieren?

Was wir brauchen, sind keine revolutionären Umstürze, sondern folgend ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannte konsequente Reformen:

• Schluss mit der Fraktionsdisziplin. Jeder Abgeordnete soll entscheiden dürfen, wie es sein Mandat verlangt und nicht der Klubobmann.

• Mehr direkte Demokratie – Volksabstimmungen bei grundsätzlichen Fragen, verbindlich, informiert, fair.

• Transparenzgesetze mit echten Zähnen: Wer Geld bekommt, Kontakte pflegt, Posten vergibt, soll das offenlegen müssen – oder es eben lassen.

• Amtszeitbegrenzungen für Parlament und Regierung. Politik ist Dienst, kein Dauerarbeitsplatz.

• Besetzung von politischen Ämtern nach Maßgabe fachlicher Kompetenzen

• Neudefinition von politischer Verantwortung mit Einbeziehung persönlicher wirtschaftlicher Haftung der Entscheidungsträger

Demokratie heißt nicht nur wählen dürfen – Demokratie heißt, dass gewählte Vertreter dem Volk dienen, nicht sich selbst. Es ist Zeit, die Institutionen so zu gestalten, dass wieder das Allgemeinwohl im Zentrum steht – und nicht das Wohl der eigenen Partei. Und man sollte aus der Geschichte lernen: Demokratien, die nicht bereit sind, sich von innen heraus zu reformieren, haben ein Ablaufdatum.

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