Ein paar Gedanken zum angeblich "süßen Gift", schließlich hatten wir gerade Weihnachten und damit auch eine besonders zuckrige Zeit.

„Am Ende ist es immer Pfeffer, der die Leute heftig macht und Essig, der sie sauertöpfisch macht – und Kamillentee, der sie bitter macht – und Gerstenzucker und dergleichen, was Kinder zuckersüß macht. Ich wünschte nur, die großen Leute wüssten das, dann würden sie nicht sparsam damit sein...“ sagt Alice im Wunderland im gleichnamigen Weltbestseller von Lewis Carroll. Heutzutage wundert uns dieser Wunsch, den Alice hier an die sauertöpfischen Erwachsenen adressiert. Wir können uns nur wundern, weil Alices Wunsch dermaßen in Erfüllung gegangen ist, man kann schon sagen: sich übererfüllt hat. Zucker wird heute allem Anschein nach alles andere als sparsam eingesetzt. Und galten Kinder von alters her als zuckersüß, so fragen sich viele, ob sie heute nicht sozusagen „mit Zucker gesüßt“ sind im Übermaß.

Das Leben ist kein Zuckerschlecken für alle die zu viel Zucker schlecken, so ging und geht die Rede unter Ernährungsexperten und Medizinern. Diabetes als Volkskrankheit grassiert. Als eine der Hauptursachen steht Übergewicht außer Zweifel und dafür sei übermäßiger Zuckerkonsum mit verantwortlich. Die Zuckerindustrie wird dafür auch schon mal hart kritisiert bzw. die mit dem Rohstoff Zucker allzu „großzügig“ umgehende Lebensmittelindustrie.

Die Zuckerindustrie wird dafür auch schon mal hart kritisiert...

Zucker in immer höheren Dosen und in „versteckter“ Form als Saftkonzentrat, Fruchtzucker, Malzzucker, Glucosesirup, Reissirup, Algavendicksaft, Birkenzucker etc. – überall werde irgendwelcher Zucker in Lebensmittelrezepturen eingebaut, damit unser Appetit danach keine Grenzen kennt. Die Zahlen scheinen tatsächlich eindeutig: Die weltweite Zuckerproduktion kennt nur ein Richtung, die nach oben. Zahlreiche Studien kamen und kommen zum Schluss, dass Zucker mitverantwortlich dafür ist, dass im reichen Westen die Kids und Jugendlichen immer dicker werden. Als Konsequenz werden höhere Steuern auf zuckerhältige Softdrinks und Warnhinweise ähnlich jenen auf Zigaretten ebenso angedacht, wie die völlige Verbannung von Cola und Co aus Getränkeautomaten in Schulen etc.

Was sagt/sagen die Branche(n)?

Lebensmittelhersteller zeigen sich nicht unbeeindruckt von den Angriffen. Längst gibt es etwa bei Softdrinks die Low- bzw. Null-Zuckervariante. Die Zuckergehalte in diversen Milchprodukten werden seit Jahren peu a peu nach unten revidiert, wie mir ein Molkereiverantwortlicher im Gespräch mitteilt. Freilich müsse man dabei aufpassen, dass man einen kritischen Wert nicht unterschreite, wo es den Kunden dann einfach nicht mehr so gut schmeckt. Josef Zauner, Seniorchef der weltberühmten gleichnamigen Zuckerbäckerei in Bad Ischl, sagt mir, dass die Gesamtzuckermenge in allen Rezepturen des Hauses im letzten Jahrzehnt um 20 Prozent zurückgegangen sei. Ja was denn nun? Wie geht das alles mit der weltweit steigenden Zuckerproduktion zusammen und damit, dass unsere Kinder angeblich oder tatsächlich immer dicker werden? Ist Zucker nun böse oder nicht?

Die Gesamtzuckermenge in der Konditorei Zauner ist im letzten Jahrzehnt um 20 Prozent zurückgegangen...

"Die Dosis macht das Gift…"

sagt die Buchautorin und Ernährungswissenschaftlerin Ingrid Kiefer, die wir in der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), ihrem Arbeitsplatz, zum Thema befragt haben. Wäre Zucker per se „giftig“, müsste ihn die AGES als erstes verbieten. Die Expertin lässt freilich wissen, dass mehrkettige Zucker sogenannte Polysaccharide, wie wir sie etwa über Obst oder auch klassische Kohlenhydrate wie Getreide aufnehmen, ernährungsphysiologisch günstiger sind als Einfach- und Zweifachzucker, wie wir sie in gesüßten Lebensmitteln und natürlich in Süßigkeiten per se reichlich vorfinden.

Roman Knotzer schließlich, Geschäftsführer der AGRANA Zucker GmbH verwahrt sich gegen den von einigen besonders aggressiven Kritikern erhobenen Vorwurf, die Zuckerindustrie gehe unverantwortlich mit der „Droge“ Zucker um. Seine Botschaft lautet: „Liebe Leute, bewegt euch mehr und animiert auch eure Kinder sich mehr zu bewegen, dann könnt ihr auch Zucker konsumieren, weil dann verbraucht ihr diese Energie“. Macht es sich hier ein „Zuckerboss“ nicht doch ein bisschen zu leicht? Unerwarteterweise kommt ihm die Wissenschaft zu Hil...

Überraschende Studienergebnisse „entlasten“ den Angeklagten Zucker

Fast zeitgleich haben zwei aktuelle Publikationen aus den USA und Wales unabhängig voneinander das gleiche überraschende Ergebnis geliefert: Zwischen dem Körpergewicht von Kindern und der Ernährungsweise existiert kein statistisch relevanter Zusammenhang.

Die Forscher untersuchten dazu den Konsum sowohl von gezuckerten Softdrinks, Süßigkeiten, Fast Food als auch von Obst und Gemüse. Die aktuellen Studien bestätigen dabei zahlreiche bereits erschienene Publikationen. Die häufig propagierte Formel „Limo, Süßigkeiten und Fastfood machen Kinder dick“ bleibt den beiden jüngsten Publikationen zufolge aus wissenschaftlicher Sicht nicht unwidersprochen. Ältere Studien wurden dahingehend kritisiert, dass sie wesentlichen Faktoren zu wenig Beachtung geschenkt hätten, wie Bewegungsmangel, fehlende “Esskultur” etc. So konnte etwa ein klar erkennbarer statistischer Zusammenhang zwischen der täglich vor dem Fernseher verbrachten Zeit und der Wahrscheinlichkeit an Adipositas zu erkranken, festgestellt werden. Die beiden Publikationen bringen voraussichtlich frischen Wind in die Diskussion um das vermeintlich “süße Gift” Zucker.

Mein persönliches Fazit

Zucker ist Emotion. Zucker ist Energie. Zu viel Emotion führt zu allmählicher Abstumpfung, schließlich zu Langeweile und Überdruss und dazu, dass man immer mehr davon haben will bei immer weniger erreichter Wirkung. Energie, die nicht verbraucht wird verpufft nicht eigentlich, sondern verlagert sich gemäß dem Energieerhaltungssatz woanders hin. Zucker ist auch Genuss und Lebensfreude – erinnern wir uns an die Anfangsworte von Alice im Wunderland.

Ein wenig wie Alice im Wunderland kam ich mir auch im Zaunerschen Zuckerbäcker-Paradies vor. Was dort in altehrwürdiger handwerklicher Weise aus dem Rohstoff Zucker in all seinen Erscheinungsformen vor meinen staunenden Augen „zum Leben erweckt wurde“, löste in mir ein reines Entzücken aus. Ganz Kind, stand ich verzaubert vor diesen Kunstwerken, wie sie die flinken und sicheren Hände der Zuckerbäcker formten. Ich habe dort in der Zaunerschen Wunderwelt keinen einzigen dicken Mitarbeiter gesehen.

Kunstwerke, wie sie die flinken und sicheren Hände der Zuckerbäcker formen

Jetzt könnte man meinen, na klar, die sind ihrer eigenen Produkte längst überdrüssig. Aber weit gefehlt, ich habe danach gefragt und alle waren sich einig, dass dies ganz unmöglich wäre: Als Zuckerbäcker zu arbeiten und sein eigenes Produkt nicht zu schätzen. Und Josef Zauner himself, ein Sir vom Scheitel bis zur Sohle und in perfect shape, gab mir auf dieselbe Frage zur Antwort, er genieße täglich ein Stück aus der hauseigenen Kollektion. Er sei sich auch sicher, was mit Maß und Ziel, ohne schlechtes Gewissen dafür aber mit Genuss gegessen werde, könne nie und nimmer gesundheitsschädlich sein. Dem schließe ich mich auch ohne den Segen der Wissenschaft an.

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