Schon vor der Stichwahl um das Amt des Präsidenten ist eines klar: Viele, sehr viele werden mit dem Endergebnis unzufrieden sein. Eine demokratiepolitische Herausforderung.

Die Stellung des Bundespräsidenten

Der Bundespräsident, um es mit Hans Kelsen (der vielen als „Vater“ der österreichischen Verfassung gilt) zu sagen, sollte als Repräsentant nach außen fernab der „Zufälligkeiten der parlamentarischen Situation, insbesondere aber den parlamentarischen Kämpfen“ und damit „außerhalb jeder Parteiorganisation“ stehen.

Als Reaktion auf die innenpolitischen Spannungen der 1920er Jahre wurde auf Drängen der christlich-sozialen Partei die Volkswahl des Präsidenten eingeführt (bis dahin wurde er durch die Bundesversammlung, bestehend aus Nationalrat und Bundesrat, gewählt) und seine Kompetenzen maßgeblich ausgebaut. So kann er beispielsweise die Regierung ernennen und entlassen oder – auf Vorschlag der Bundesregierung und somit nicht im Alleingang (!) den Nationalrat auflösen. Man spricht von „großer, aber fein begrenzter Macht.“

Ungeachtet der theoretischen Machtbefugnisse gilt das Amt des Bundespräsidenten aufgrund der realpolitischen Praxis der vergangenen Jahre eigentlich als eher farblos, manche sprechen etwa von einem „reisefreudigen Notar.“ Jetzt steht jedoch die Befürchtung im Raum, dass Norbert Hofer diesen „schlafenden Riesen“ wecken könnte: Etwa durch eine Art „Präsidentenputsch“, indem er die Regierung entlässt, eine neue einsetzt und auf deren Vorschlag den Nationalrat auflöst. So manche unangenehme rechtshistorische Erinnerung kommt dadurch hoch. Umgekehrt hat Alexander van der Bellen mit der Ansage, Strache „unter den gegenwärtigen Umständen“ nicht anzugeloben und den Verweis auf die Möglichkeit, im Falle einer absoluten Mehrheit für die FPÖ Neuwahlen das Parlament aufzulösen und auf Neuwahlen zu plädieren, für viel Wirbel gesorgt.

Demokratischer Lackmustest

Durch derartige Aussagen erhält die Präsidentschaftswahl ein völlig neues Gewicht. Sie wird zur Richtungsentscheidung, viele sehen den Staat an der Kippe. Norbert Hofer und Alexander van der Bellen als personifizierte Konfrontation zwischen linker und rechter Staatshälfte.

Dieser Polarisierung entsprechend wird derzeit ein Kopf an Kopf-Rennen vorhergesagt. Sollte letzten Endes in der Tat eine knappe Mehrheit entscheiden, bedeutet das im Umkehrschluss, dass eine sehr große Minderheit unzufrieden sein wird. Ein demokratischer Lackmustest: Akzeptiert die unterlegene Seite ein knappes Wahlergebnis auch in Krisenzeiten und falls nicht, wie wird sie reagieren?

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julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 28.04.2016 07:15:41

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