Die gestrige Krone-Schlagzeile verweist auf das "Stimmungstief zum Jahreswechsel". Womit sie das Offensichtliche anspricht: Die allgemeine Gemütslage war schon mal besser. Um sich zugleich in Zweckoptimismus zu üben. Das Schlimmste ist vorbei!

Der Optimismus vergangener Zeiten, etwa nach Ende des Kalten Krieges, scheint lange verflogen. Bleibt die quälende Frage, ob es wirklich nur noch aufwärts gehen kann – oder das Schlamassel gerade erst anfängt?

Müßig, die Gründe aufzuzählen. Die offensichtlichsten sind allgemein bekannt, man wird ständig – vor allem in den Kommentarfunktionen diverser Medien beziehungsweise auf Facebook – mit ihnen konfrontiert. Mittlerweile sagt man so gesehen oft schon mehr, wenn man nichts sagt. Es weiß eh jeder, was gemeint ist.

Wenn aber eines der bedeutendsten Medien des Landes – wenn nicht gar das bedeutendste – versucht, Mut zu machen, hat das etwas Beunruhigendes. Denn die Krone ist mehr als Nachrichtenportal, sie ist zugleich Stimmungsbarometer und eben auch Stimmungsmacher. Mit anderen Worten: Der Pessimist riecht, dass da etwas am Dampfen ist.

Ähnlich verhät es sich auch mit den stets ähnlichen Durchhalteparolen der deutschen Kanzlerin. Je öfter man die magische Wortformel "wir schaffen das" vernimmt, desto mehr muss man sich fragen, ob dem wirklich so ist, ob sie selbst dran glaubt. Die jüngere Geschichte zeugt davon, dass die politischen Reden von heute schon morgen bizarres Zeugnis politischer Fehleinschätzungen sein könnten. Gorbatschow etwa wollte die Sowjetunion nicht abschaffen, sondern retten. Auch die DDR-Führung glaubte bis zuletzt nicht an ihr baldiges Ende.

Soll nicht heißen, dass wir vor einer Apokalypse stehen. Das kann ohnehin niemand wissen. Wer Anzeichen dafür sehen will, der wird sie finden. Genauso wie sich auch Gründe für Optimismus finden lassen (dieser Tage freilich die schwierigere Aufgabe). Oder zumindest dafür, dass die Welt nicht untergeht.

Davon abgesehen sind Prophezeiungen jedweder Art oft genug ohnehin lediglich in der Retrospektive interessant, also wenn man sich darüber belustigt, was die Menschen zu dieser und jener Zeit von der Zukunft dachten. Vorhersagen sagen in der Regel wesentlich mehr über die Zeit aus, zu der sie gemacht werden. Wurde der Flüchtlingsstrom, um das für dieses Jahr eindrücklichste Ereignis zu nennen, in irgendeinem Ausblick für 2015 genannt?

Dennoch: Zusicherungen aller Art, von "das Schlimmste ist vorbei", "es kann nur besser werden" dienen dem Skeptiker eher der Verunsicherung. Ja, man giert nach solchen Sagern, will ja Hoffnung schöpfen.

Dennoch bleibt die Frage, wieso es die ständige Wiederholung braucht? Zugegeben, man kann es derzeit kaum jemandem Recht machen, der Nörgler wird immer etwas zum Aussetzen finden. Politische PR ist in Phasen des Umbruchs, und in einer solchen befinden wir uns, kein einfaches Unterfangen.

Gerade in Zeiten wie diesen könnnen Wissenschaft, Politiker und Medien allerdings nicht wissen, ob es besser wird, ob "wir" etwas schaffen. Aber dass es so oft behauptet wird, zeugt vor allem davon, dass viele der dahinterstehenden Personen oft genug wohl selbst vom größten Zweifel befallen sind. Und genau das ist es, was für Beunruhigung sorgt.

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Sandra Schleicher

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