Eine Spurensuche. „Österreicher sparen so wenig wie nie zuvor“ kann man derzeit im Standard lesen. Heute wird trotz der sinkenden Realeinkommen mehr konsumiert denn je. Dabei war Österreich doch eigentlich ein Land der Sparefrohs. Was ist passiert, woran liegt’s?

Die Österreicher gelten ja eigentlich als sparsames Volk. Ein oder mehrere "Bausparer" gehörten in jedem Haushalt zur Standardausstattung. Zum Weltspartag ritt man feierlich in der Bank des Vertrauens (viele der Filialen von damals gibt es heute freilich nicht mehr) ein, um ein Geschenk abzustauben. Die Beziehung zum langjährigen Bankberater war bisweilen ähnlich intensiv wie jene zum Hausarzt (heute bekommt man ja regelmäßig Mails, dass jemand anders die Betreuung übernommen hat, obwohl man die Vorgänger auch nicht kannte)

Das ist freilich Nostalgie. Sparen ist nicht mehr. Viele Angehörige meiner Generation geben in etwa so viel aus, wie sie monatlich einnehmen. Manche etwas mehr, manche viel mehr.

Das Geld wandert in Konsumgüter (ein neues iPhone zum Beispiel, damit kann man superslow-Videos machen!) oder den Genuss – manchmal habe ich das Gefühl, dass jeden Tag irgendein neues fancy-Restaurant mit veganer fushion kitchen oder eine neue Bar mit Lampenschirmen aus alten Autoreifen eröffnet. Vielen reicht es gerade mal zum Leben.

Einigen bleibt am Ende des Monats allen Verlockungen zum Trotz etwas übrig. Auf „etwas Großes“ – etwa Firmengründung, Wohnung oder Haus – sparen aber die wenigsten. Man plant eher für eine größere Reise (Thailand im Februar ist sehr beliebt, New York geht natürlich auch immer) oder sind froh, eine kleine „eiserne Reserve“ zu haben, wenn der Kühlschrank oder die Waschmaschine eingeht.

Hohe Zeitpräferenz

Ökonomisch gesprochen leben wir in Zeiten hoher Zeitpräferenz. Soll heißen: Man gibt sich der zeitnahen Befriedigung hin und denkt nicht an später. Das neue Hemd, die neuen Kopfhörer hat man gleich. Das leckere Steak, der gute Burger oder das neueste Craft Beer versprechen instantane Gaumenfreuden. Besser jetzt als nie, wer weiß, was morgen passiert. Der letzte Anzug hat keine Taschen.

Die Zukunft erscheint mehr denn je ungewiss und kaum planbar. Die wenigsten glauben daran, jemals eine Pension zu kommen, jedenfalls keine, die mit den heutigen vergleichbar wäre. Befürchten einen Verfall des Sozialstaats, die Klassenmedizin ist schon da und wird wohl weiter zunehmen. Spätestens seit der Finanzkrise steht das Schreckgespenst der Hyperinflation im Raum (mitunter ist es nur nich dazu gekommen, weil das Geld auf den Banken liegenbleibt, also aufgrund der schlechten Bedingungen keine neuen Kredite aufgenommen werden). Auch ein Zusammenbruch beziehungsweise jedenfalls eine Verschlechterung der inneren Ordnung wird befürchtet. Terrorismus, Ghettoisierung, Parallelgesellschaften, vielleicht gar Krieg verzahnen sich mit ihren Antagonisten namens privater Waffenkauf, Sicherheitsdienstleister oder gar Gated Communities zu einer Abwärtsspirale.

Hinzu tritt die hohe Steuerlast. Wozu mehr arbeiten, wenn so viel zum Finanzamt wandert. Wer mit dem Gedanken einer Unternehmensgründung spielt, wird zusätzlich durch die enormen Auflagen abgeschreckt. Von der unternehmerfeindlichen Grundstimmung im Land ganz zu schweigen. Investitionen in Aktien und dergleichen wagen die wenigsten. Entweder, weil man sich nicht auskennt oder weil man kaum etwas sieht, das hinreichend erfolgsversprechend wäre – jedenfalls nicht hierzulande.

Derartige Entwicklungen sind besorgniserregend. Das geringe Sparniveau beziehungsweise die hohen Ausgaben für Konsum sind Symptome einer Gesellschaft, in der immer weniger an das Morgen denken oder glauben. Was kurzfristig durchaus Spaß macht. Langfristig sieht die Sache mitunter anders aus. Aber wen kümmert das schon.

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