PISA-Tests für Lehrer statt für Schüler

Seit Montag der Vorwoche werden die österreichischen Schülerinnen und Schüler wieder getestet. Die PISA-Testungen für die 15- und 16-Jährigen finden in den Disziplinen Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften und kollaborativem Problemlösen statt. Aber wir testen wohl die Falschen.

Stellen Sie sich folgendes vor. Neulich erzählte mir eine Mittelschullehrerin, die in einer reformpädagogischen Schule tätig ist, dass sie Legasthenie nicht erkennen würde. Neben vielen schwierigen Diagnosen ist die Lese-/Rechtschreibschwäche einfach zu diagnostizieren oder zu erahnen. Schreibt ein Kind ständig „d“, wenn es „b“ schreiben will, macht also das Kugerl auf der falschen Seite, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass hier zumindest eine leichte Form vorliegt.

Ich bin jetzt nicht substantiell dagegen, dass wir bei den Schülern am Ende der Schulpflicht, also genau in dem Alter, in dem getestet wird, nachsehen, was sie können. Mich stört die mediale Aufbereitung, als ob es ein Ländermatch wäre. A la „Hurra, wir sind zwar schlecht, aber im Lesen besser als Deutschland“. Das ist Unsinn. Aber Tests hin oder her: Wir testen offenbar die falschen. Meine These dazu ist, dass es mit fähigen, ordentlich sich weiterbildenden LehrerInnen gar nicht so weit kommen würde, dass wir uns über das schlechte Abschneiden der Kinder Gedanken machen müssten – darum braucht es einen PISA-Test für LehrerInnen!

Ich orte da ähnliche Probleme wie in der Medizin. Natürlich macht es Sinn, auch Untersuchungen nach gewissen Schemata ablaufen zu lassen. Natürlich macht etwa eine Mammographie oder eine Prostatauntersuchung Sinn. Aber am Ende des Tages geht es in der Medizin und in der Bildung gleichsam darum, individuelle Lösungen anzubieten. Man stelle sich nur einmal vor, ein Hausarzt könnte den Blutdruck nicht messen bzw. deuten? So ist das aber im Vergleich, wenn ein Lehrer Legasthenie nicht erahnen kann. Wer nicht im Standard geschult ist, wer sich der eigenen Standardisierung nicht stellt, kann individuell nicht gut betreuen.

Es braucht einfach Qualitätsstandards. Man stelle sich vor, dass es beispielsweise sogar im chronisch unterfinanzierten Asylbetreuungbereich vielerorts Supervision gibt. Haben Sie davon schon etwas in der Medizin und der Schule gehört? Nicht einmal solche banalen Standards gibt es. Aber die Schüler müssen sich in diesem Umfeld vergleichen lassen.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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