<< Zusammenbruch, Kapitulation und Zeitenwende >>

Der Bäckermeister Hans Serwodke aus Aachen ist glücklich:

Seit einem viertel Jahr nun backt er Weißbrot für die nahegelegene U.S.-Kommandantur. Ein Privileg in all´dem Chaos.

Manchmal hatte er noch Angst, daß ihm noch irgendwie eine V-2 aufs Dach rauscht – wegen der Amis - oder ihm ein Wehrwolfkommando an die Gurgel geht wegen seiner Kollaboration.

Aber jetzt wird alles gut: der Krieg ist vorbei.

Hans Serwodke fühlt sich befreit.

Bereits in drei Jahren wird er seine Umsätze in D-Mark machen.

In der „Festung Breslau“ hebt der Oberleutnant Gerhardt Rupsch die Hände und ergibt sich.

Noch in der Nacht zuvor hatten seine Leute und er aus Kellerfenstern heraus einen Flammenwerfer-Angriff der Rotarmisten abgewiesen. Nun hat Breslau kapituliert und auch der Krieg ist zuende.

So wie alle Soldaten wird auch Rupsch von den Rotarmisten nach brauchbaren Gegenständen „gefilzt“. Seine Armbanduhr und sein Zigarettenetui sind als erstes weg.

Weil er Offizier ist und fließend russisch spricht wird er von seinen Kameraden getrennt.

Er sieht sie nie wieder.

Rupsch weiß noch nicht, daß er erst Weihnachten 1948 wieder zu Hause im sächsischen Chemnitz sein wird, ahnt aber, daß er bis dahin noch Schweres zu erdulden haben wird.

„Die Tragik des 8. Mai 1945 ist, daß wir zugleich besiegt und befreit wurden.“(Richard von Weizsäcker)

Das stimmt – aber eben mit nur zu unterschiedlichen Gewichten für den Einzelnen:

Der Bäcker in Aachen hatte es sicherlich besser als der Frontoffizier in Breslau, der im Gartenhaus versteckte Deutsche jüdischen Glaubens erlebte diesen Tag anders als das hinter der Frontlinie um seine Unversehrtheit bangende HJ-Mädchen.

Für viele Millionen war das Kriegsende auch das Ende der Angst, für viele Millionen Deutsche begann nur eine weitere Phase des Leidens.

In allen Besatzungszonen wurden in den KZs nun „Nazis“ - oder die man dafür hielt - eingesperrt.

In denen der sowjetischen Besatzungszone (Sachsenhausen, Buchenwald etc.) war die Auswahl der Inhaftierten nur zu beliebig und die Todesrate besonders hoch .

Karl-Heinz Weißmann hat in dem Prophyläen-Geschichtsband „Der Weg in den Untergang“ festgestellt, daß wohl selten ein Volk für Verbrechen, die zumindest in seinem Namen begangen wurden, so sehr gelitten und gebüßt hat, wie das deutsche.

Es drängt sich der Gedanke auf, daß es nach 1945 mehr bedurft hätte als einen materiellen Lastenausgleich. Wäre es denn nicht eine Pflicht derer gewesen, die das Kriegsende besser erlebt hatten, die Opfer der anderen irgendwie moralisch zu würdigen? Hätte nicht irgendwann, irgendwie auch der Überlebenden von Gefangenschaft, Flucht und Vertreibung, der zivilen Opfer des Bombenkriegs mit all' seinen Schrecken und der Männern und Frauen, die gegen das geltende Völkerrecht vor und nach dem 08. Mai zu Zwangsarbeit rekrutiert wurden, gedacht werden müssen?

So wie man auch der Opfern anderer Nationalität oder Religion gedenkt?

Und heute, am 08. Mai, wo sich das Kriegsende zum 72. Mal jährt, erfahren wir – zum wievielten Mal? – daß wir Deutschen vor allem befreit worden seien.

Zum „befreit sein“ gehört, daß der Befreier unterscheidet zwischen den Unterdrückten und den Unterdrückern.

Das bedeutet: zu verhindern, daß die siegreiche Soldateska zwei Millionen Frauen vergewaltigt.

Das bedeutet eben: das Kriegs- und Völkerrecht auch gegenüber den Besiegten einzuhalten und sie nicht zu Zwangsarbeit und Minenräumdienst einzusetzen.....

Die so einseitige Betonung der Befreiung ist eine merkwürdige Umwidmung der Siegersicht.

Weder Amerikaner noch Briten hatten eine Befreiung des deutschen Volkes zum Ziel.

Sie sprachen vor und nach dem 8.Mai 1945 stets nur von der Besiegung Nazi-Deutschlands und der Umerziehung der Deutschen in ihrem Sinne.

Auch die Sowjets sprachen von der Zerschlagung des deutschen Militarismus´ und des Faschismus.

Die „Befreiung“ ist eine Begriffsschöpfung des real existiert habenden Sozialismus auf deutschem Boden: dieser Begriff ist DDR-Terminologie.

Somit ist klar, wes Geistes Kind jene sind, die heute diesen Begriff mit Leidenschaft zur Norm erheben.

Der National-Sozialismus war – um die Worte des Münsteraner Bischofs Kardinal von Galen zu gebrauchen – „undeutsch“. Der National-Sozialismus verriet mit seiner Rassenlehre, seiner Diskriminierung bis hin zur Vernichtung Andersdenkender und Andersglaubender die Grundprinzipien des deutschen Humanismus, die aus dem 19. Jahrhundert heraus, hinein bis zum 30.01.1933 die Handlungsmaxime deutscher Politik bestimmten.

So verwerflich die Ideologie des National-Sozialismus war, so sehr hat dieses, das wahrhaftige Deutschland, ein Recht auf seine Existenz!

Das Leid, was das Deutsche Volk erfahren hat, darf man ebenso wenig kleinreden und vergessen wie die deutsche Schuld.

Beides gehört zusammen.

Nur wer die Vergangenheit in all´ ihren Facetten kennt und begreift, der ist auch fähig, die Zukunft zu gewinnen – und DIES ist unsere Aufgabe!

Reinhard Rupsch, Münster

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