Von Frauenschlägern und Schlagerfans: Als Unternehmer auf der Suche nach Mitarbeitern

Es könnte zum Lachen sein, wenn es nicht so traurig wäre. Seit Monaten suche ich qualifizierte Tischler und Hilfsarbeiter. Dass Erstere leider nur noch Spanplatten zusammenschrauben können, kein Materialbewusstsein haben und ihre eigene Wohnung lieber mit Möbelix-Billigmöbeln ausstatten, als sich in unserer Werkstatt für sich selbst Qualitätsstücke anzufertigen – das sei nur am Rande erwähnt. Noch Schlimmeres erlebe ich bei der Suche nach Hilfsarbeitern. Also nach Leuten, die Bretter schlichten, Rasen mähen und andere einfache Tätigkeiten erledigen sollen. Da müsste doch bei den Tausenden an Arbeitslosenleicht jemand zu finden sein?!

Was ich aber tagtäglich an Geschichten erlebe, das zeigt etwas Anderes.

Ein Bewerber hatte die Probezeit schon abgeschlossen, wir hatten Zeit investiert und wollten bereits Weiteres vereinbaren.

Da schaut er mich an und meint: „Ich möchte ehrlich sein. Ich habe ein Problem.“

Ich: „Welches Problem?“

Er: „Ich habe ein Problem mit Frauen.“

Ich: „Was heißt das?“

Er: „Ich fühle mich von Frauen leicht provoziert. Und dann schlage ich zu.“

Ich habe zwei Sekretärinnen in meiner Tischlerei. Das Thema war somit erledigt.

Der nächste Bewerber kommt, wir machen einen Termin aus: Donnerstag, 14.00 Uhr. Es ist Donnerstag, 14.00 Uhr. Wer nicht kommt, ist der Bewerber. Also rufe ich ihn an. „Den Termin habe ich glatt vergessen. Ich habe ja so viel um die Ohren“, kommt von ihm, während ich im Hintergrund Mischmaschinengeräusche höre. Aber er hätte am Montag Zeit. Nein danke!

Dass Arbeitslose viel zu viel Stress haben, das erlebe ich öfters. Wie auch beim Nächsten. Der hatte so viel zu tun, dass er erst einige Stunden nach dem vereinbarten Termin vorbeikam. Völlig betrunken!

Oder der Nächste, den ich gebeten hatte, Montag um 13.00 Uhr anzurufen, um mit meiner Sekretärin einen Termin zu vereinbaren. Gemeldet hat er sich erst um 14.00 Uhr, als meine Sekretärin bereits weg war. Darauf habe ich ihn gebeten, sich am nächsten Tag unter ihrer Telefonnummer zu melden. Seine Antwort: „Wie stellen Sie sich das vor? Jetzt habe ich schon zweimal angerufen, soll ich mich noch ein 3. Mal melden.“ Sprichts und legt auf!

Der nächste Bewerber ist ein Tscheche, spricht gebrochenes Deutsch und kommt schon mit dem Jausenpaket aus dem Supermarkt in Znaim. Seine erste Frage war, ob es bei uns die „Woche superkurz“ gibt. Am liebsten arbeite er von Montag bis Dienstag seine 40 Stunden. Wenn möglich kann er auch bis Mittwoch...

Ein Anderer kam im nigelnagelneuen Auto, beklebt mit Volksmusik- und Schlagerstars. Ein gemütlicher Typ. Er fängt an zu arbeiten, Bretter zu sortieren und zu schlichten. Nach fünf Stunden kommt einer meiner Tischler zu mir und meint: „Komm, das musst du dir anschaün.“ Lehnt der neue Arbeiter doch tatsächlich hinter einer Maschine auf einem der Bretter und schläft. So konnten wir ihn nicht heimfahren lassen, also haben wir ihn in den Aufenthaltsraum gesteckt, wo er seelenruhig weitergeschlafen hat. Als er endlich aufgewacht ist, haben wir herausgefunden, dass er in der Nacht Zeitungen austrägt und untertags einen Job sucht, um seine Kredite und Schulden abzubezahlen. Sein Auto, seine Wohnung, ... alles hat er auf Pump gekauft und muss jetzt schauen, woher er das Geld bekommt.

Es sind extrem traurige Geschichten, die ich hier erlebe und die mich gerade heute, am „Tag der Arbeitslosen“ beschäftigen. Dieser Aktionstag soll Zeichen der Betroffenheit und Solidarität mit den über 500.000 Menschen in Österreich sein, die ohne Job sind. Wenn diese hohe Prozentzahl an Arbeitslosigkeit nämlich eines zeigt, dann das: Es geht längst nicht nur um individuelle Geschichten - wir haben ein großes gesellschaftliches Problem. Es geht nicht mehr lange so weiter, kann es nicht. Früher war es peinlich, arbeitslos zu sein. Heute prahlt man untereinander, wer das System besser ausnutzt. Die Leute sagen dir offen ins Gesicht: „Wofür soll ich für 400 – 500 Euro mehr arbeiten und 40 Stunden pro Woche freundlich sein?!“ Es ist kein Drang mehr da, etwas zu lernen, etwas zu erreichen, etwas zu schaffen. Kein Wunder, dass so viele psychische Probleme haben: Sie haben keinen Lebensinhalt mehr, wenn sie den ganzen Tag vorm Fernseher hängen oder Computer spielen.

Dabei brauchen wir alle Arbeit, um uns wichtig zu fühlen, um einen Sinn im Leben zu bekommen, um uns wertvoll und als Teil der Gesellschaft zu wissen. Deshalb glaube ich, dass jeder, der Arbeitslosengeld kassiert, auch arbeiten sollte - vorausgesetzt Geist und Körper sind in Ordnung.

Beispiel Straßenmeisterei: Die Leute hier werden unter anderem bezahlt, um die Straße zu kehren. Es wäre doch eine Möglichkeit, dass Arbeitslose diese Tätigkeit erfüllen. Oder dass sie den Bauern im Sommer zu Spitzenzeiten aushelfen. Oder in gemeinnützigen Vereinen helfen. Kurz, Arbeiten verrichten, die jeder verrichten kann.

Weniger arbeiten, weniger verdienen, höhere Steuern zahlen, um die finanziellen Lücken zu füllen – wenn wir so weitermachen und die Abwärtsspirale, in der wir uns als Gesellschaft eindeutig befinden, nicht stoppen, dann ist eines klar: Dann wird uns in Kürze allen das Lachen im Hals steckenbleiben!

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Rebecca Schönenbach

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