Was eine echte demokratische Politik sein will, braucht echte Meinungsvielfalt. Soweit klar. Schließlich dürfen die individuellen Bedürfnisse der Bürger nicht zu kurz kommen. Demnach kann auch nicht jede von der Politik angebotene Lösung die 100%ig richtige sein. Regieren bedeutet also den bestmöglichen Kompromiss zu finden. Ein etwas pragmatisches und überaus sachliches Denken, ermöglicht zudem, die mittel- und längerfristigen Konsequenzen einer Entscheidung vorauszudenken. Weit über Legislaturperioden hinaus. Geht man bei führenden Politikern nun davon aus, dass sie üblicherweise darauf konditioniert sind, derart an eine Entscheidungsfindung heranzugehen, sollte man (die Wähler) zu dem Schluss kommen, dass die angepeilten Regierungskurse tatsächlich zum Wohle der Gesellschaft ausgerichtet sind. Was aber vice versa bedeuten müsste, dass diese Kurse nur „geringfügig“ voneinander abweichen sollten, während über das, was wirklich gut für uns Menschen ist, ein weitgehender Konsens bestehen sollte.

Meinungsbildung

Edward L. Bernays (1891, Wien – 1995, New York) beschreibt in seinem Hauptwerk „Propaganda“, erstmals 1928 erschienen, die Strategien und Mechanismen von Public Relations. Also der Einsatz gezielter Rhetorik zur Beeinflussung der Massen. Während er in seinem Buch die überwiegend positiven Möglichkeiten zur Lenkung einer Gesellschaft skizziert, wurden seine Lehren von einer Vielzahl von Politikern im Lauf der Jahrzehnte immer weiter pervertiert. Das wohl negativste Propagandabeispiel finden wir in der Zeit des „1000-jährigen Reichs“. Gleichzeitig das kläglich tragische Scheitern derselben.

Unter anderem deswegen hat der Begriff Propaganda heute einen stark negativen Beigeschmack. Marketing und Werbung haben sich vielleicht deshalb die vorteilhaftere Bezeichnung Public Relations zu eigen gemacht. Im praktischen Sinn bedeuten beide aber das selbe, nämlich Öffentlichkeitsarbeit.

Grundsätzlich gibt es daran auch nichts auszusetzen. Während wir zwar wissen, was in unserem lokalen Umfeld für uns und für unsere Nächsten gut ist, sind wir schon aufgrund eines unzureichenden Informationsangebots nur schwer in der Lage, uns eine 100%ig richtige Meinung im großen Kontext zu bilden. Zum einen liegt dies an unserer beruflichen Spezialisierung – ein Mensch ist Buchhalter, der andere Maurer, der andere Kaufmann etc. – die gar nicht vorsieht, eine derart tragende Rolle zu übernehmen. Zweitens haben wir weder die Zeit noch den Informationszugang – und ehrlich gesagt, meist auch nicht die nötige Expertise – die uns alle betreffenden Entscheidungen zu treffen. Was wir jedoch im Sinne der Demokratie tun können und vor allem sollten, ist unsere Meinung in Form von Vorschlägen zu diskutieren und an die politische Führung weiterzureichen. Eine politische Führung, der wir vertrauen können.

„Nach der Wahl ist vor der Wahl“

Am 15. Oktober 2017 gibt es bei uns in Österreich die vorgezogenen Nationalrats-Wahlen. Es liegt somit an uns, die richtige politische Führung für die kommenden Jahre zu bestimmen. Und wie bei kaum einem anderen Wahlkampf zuvor, steht das soziale Gefüge auf dem Spiel. Nach den wirtschaftlich schwierigen Zeiten der letzten neun Jahre, in denen die Regierungen Europas schwer tricksen mussten, um ihre Bevölkerungen vor den Folgen einer neuen Weltwirtschaftskrise zu bewahren, erreichten uns mit 2015 auch noch die Auswirkungen des Syrien-Krieges. Viele hunderttausend Menschen aus dem Nahen Osten kamen als Flüchtlinge zu uns. Speziell Europas Regierungen wurden erneut auf die Probe gestellt. Und, wie es in Ausnahmesituationen immer wieder der Fall ist, wurde auch viel falsch gemacht. Menschlich? Nicht nur. Auch hier diente das Geschehen einzelnen Ehrgeizlingen als Boden, ihre Vorstellungen von Politik in Szene zu setzen. Ein Geschehen, das in Europa einen starken Rechtsruck verursachte, zur Grundlage des Brexit wurde und unsere Gesellschaften immer mehr in links und rechts dividierte.

Doch links wie rechts entspricht nicht mehr den Idealen einer Demokratie, denn es sind Fronten. Fronten, hinter die uns die „Öffentlichkeitsarbeit“ einzelner Politiker getrieben hat. Obwohl keine der beiden Seiten für sich in Anspruch nehmen kann, die „Goldene-Eier-legende-Wollmilchsau“ zu besitzen.

Folgt man jedoch der Rhetorik des Wahlkampfes, der eigentlich schon mit dem Ausscheiden von Frau Mikl-Leitner als Innenministerin begann, überbieten sich die Parteien derzeit in ihren Lösungsvorschlägen. 12, 14, ja sogar 15 Milliarden Euro will man einsparen, nicht näher definierte Grenzen wiedereinführen, das Sozial- und Gesundheitssystem verbessern, Migranten aus dem Land sparen und was sonst noch an haltloser Rhetorik praktikabel erscheint. Medien, durchaus nicht immer neutral, unterstützen offen oder unterschwellig diesen Sermon, anstatt die beworbenen Themen aufzugreifen und für die Bürger als Entscheidungsgrundlage sachlich aufzubereiten. Und so entsteht ein Konsens aus Nonsens, denn keiner will es mehr hören, niemand weiß noch was wirklich glaubhaft ist und letztendlich bleiben nur die eigenen Emotionen als Entscheidungshilfe. Und genau das ist Propaganda/Public Relations der üblen Art.

Die Akteure

Es ist eigentlich unmöglich, in einem der Politik gewidmeten Artikel nicht Partei zu ergreifen. Trotzdem darf man die Rhetorik der Spitzenkandidaten nicht außen vor lassen, wenn die Meinungsbildung infrage steht.

Christian Kern [SPÖ] – für mich derzeit einer der glaubwürdigsten Politiker überhaupt. Seine Prämisse ist Gutes zu bewahren und zu verbessern. Die sozialen Grundlagen einer Gesellschaft wie der unseren zu bewahren, ist dabei weder einfach noch bequem. Man mag die SPÖ mögen oder nicht. Bis sich jedoch ein anderer Erhalter der sozialen Sicherheit gefunden hat und so gegen die Neoliberalismen unserer Zeit antritt, braucht es diese Politik an erster Stelle.

Sebastian Kurz [ÖVP] – ein sympathischer und intelligenter junger Mann und politischer Senkrechtstarter, dem die Weisheit aus Niederlagen aber noch fremd ist. Er spricht zwar etliche Probleme direkt an, bleibt aber das Wie zu seinen Lösungsvorschlägen bis zum Vielleicht-Antritt seiner Legislatur schuldig. Etliche Lösungsszenarien sind rigoros pauschal formuliert und wirken nicht wirklich zu Ende gedacht. Was etwas unschön anmutet, ist sein Werdegang der letzten Jahre und wie er seinen Parteikollegen Reinhold Mitterlehner innerparteilich zu Fall brachte. Um seinen persönlichen Zielen gerecht zu werden, hat er diesen auch noch die Koalition geopfert.

H.C. Strache [FPÖ] – über seine wahre politische Gesinnung wurde und wird viel gestritten. Seine Rolle als ewiger Oppositionär hat ihn scheinbar zu einem verbitterten Demagogen gemacht. Konstruktive Kritik ist ihm fremd, was auch seinem Wahlkampfstil anzumerken ist. Seine Rhetorik wurde am Reißbrett geformt und enthält keine Formulierung, mit der er nicht eine bestimmte Absicht in der Meinungsbildung verfolgt. Begriffe wie „Sozial“, „Fairness“ und ähnliche, unterstreichen nur seinen Willen zum Sieg und nicht seine politischen Absichten.

Ulrike Lunatschek [Grüne] – eine überaus politisch erfahrene Frau, die nach dem Weggang von Eva Glawischnig und Peter Pilz noch immer die Trümmer ihrer Partei für eine neue Ära aufsammelt. Insofern darf es nicht verwundern, dass auch die politische Ausrichtung der Partei einer Neukonsolidierung bedarf. Trotzdem hat diese Partei schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie als ökologisch bodenständiger Partner sehr gut in ein koalitionäres Regierungsgefüge passt.

Matthias Strolz [NEOS] – ein ehrgeiziger und der Zukunft zugewandter Mann. Ein Politiker, den man in der Opposition braucht. Inwieweit er vom „Irmgard-Griss-Bonus“ profitieren wird, muss sich allerdings noch zeigen.

Mirko Messner [KPÖ+] – kürzlich ließ er mit seinen politischen Ansichten in einem Interview aufhorchen. Nüchtern, sachlich und richtig! Ein Mann, der durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.

Politische Themen

Sparpolitik – ein ewiger Aufguss, der dem Kommentar eines Sportreporters ähnelt. Am Montag erklärt er, welche Mannschaft am Freitag gewinnen wird. Am Samstag dann, warum sie verloren hat. Eine Wirtschaft, aber auch ein Land, sind wie ein Motor der Brennstoff benötigt. Geld ist dieser Brennstoff. Geht es schlecht (wie in den letzten Jahren), muss man investieren. Solange, bis er wieder rund läuft. Wie jeder Anleger aber weiß, geht nicht jede Investition auf. Zumindest nicht gleich. Die Investitionsgüter unserer Zivilisation sind allerdings nicht nur ökonomischer Natur, sondern auch soziale Errungenschaften, die wiederum als Arbeitgeber und Konsumenten einen hohen Anteil am Schwung der Wirtschaft haben. Wer also das System „kaputtspart“, beraubt die Wirtschaft ihres Treibstoffs.

Migration – ein leidiges Thema. Außer roher Gewalt gibt es kein nachhaltiges Mittel gegen Zuwanderung. Überdies haben sich viele Prognosen über den Zustrom der Flüchtlinge bereits als Schall und Rauch herausgestellt. Auch dies war nur Panikmache im Sinne politisch motivierter Propaganda. Bis auf vereinzelte Vorfälle hat sich die Flüchtlingsproblematik als weitaus nicht so schlimm gezeigt, wie häufig prophezeit. Warum? Unzählige Flüchtlinge sind Menschen wie Du und Ich. In ihren Ländern waren sie Normalbürger, wie wir hier auch. Bis sie durch die herrschende Gewalt, aber auch durch den Zusammenbruch der wirtschaftlichen Gefüge, vertrieben wurden. Dass die kulturellen Unterschiede zu mancherlei Spannungen und Problemen führen würden, lag auf der Hand. Genauso, dass Kriminelle in diesem Strom mitschwimmen würden. Was wir aber gerne vergessen, ist, dass wir über die Mittel (monetär wie strukturell) verfügen, diesen Problemen zu begegnen und sie auch zu lösen vermögen. Bei Völkerwanderungen war es schon immer so, dass sich die Kulturen miteinander arrangieren und zusammenwachsen. Wäre dem nicht so, würden die Deutschen heute noch mit Fellen bekleidet, als Germanen in den Wäldern leben (überspitzt formuliert). All die finanzielle Hilfe, die wir diesen Menschen angedeihen lassen, kann man, politisch gerne als Kosten definiert verkaufen, oder als Investition für eine Starthilfe in unsere Gesellschaft sehen. Eine Investition, die sich durchaus rechnen wird. Denn diese Menschen sind es aus ihren Heimaten gewohnt, für ihr verdientes Geld hart zu arbeiten. Das führt im Umkehrschluss dazu, dass sie mit ihren Abgaben und Steuern in naher Zukunft zum Erhalt unseres Systems beitragen werden (Stichwort: Pensionen). Auch wenn etliche dieser Menschen Geld in die Heimat schicken oder gar ansparen, um es bei der Rückkehr in ihre Heimat in den Wiederaufbau zu investieren, ist dieses Geld nicht vergebens gewesen. Immerhin ermöglichen diese Rückkehrer so anderen Menschen eine leichtere Rückkehr. Es ist aber richtig, dass die Zuwanderung kontrolliert werden muss. Aber nicht im Sinne eines „Big Brother“, sondern rein aus ökonomischen Gründen, damit Europa seine Ressourcen besser planen kann. Und sicherheitstechnisch, damit möglichst wenig kriminelle Energie zu uns strömt. Die Zielsetzung liegt also in Wahrheit in einer solidarisch geeinten EU und der Schaffung von Fluchtkorridoren, um innerhalb dieser die Spreu vom Weizen zu trennen. Den Mitgliedsstaaten an den Mittelmeergrenzen die ganze Last aufzubürden und sie gleichzeitig noch mit einem mangelnden Verantwortungsgefühl zu diffamieren, ist somit nicht nur zutiefst unsolidarisch, sondern auch schäbig.

Aus Platzgründen waren das hier nur zwei der gängigen Themen.

Andere Themen, z.B. wie die Menschheit nur alleine in den nächsten 100 Jahren vorankommen soll und welche Maßnahmen dazu notwendig wären, gehen allerdings unter. Klimawandel, Naturkatastrophen, Überbevölkerung, Waldrodung, austrocknen von Anbauflächen (Grundwasserentnahme), Gletscherschmelze, bis hin zu nicht einzuschätzenden Gefahren, wie das Ausbrechen eines Supervulkans, eines Asteroideneinschlags oder eines Sonnensturms, sind die wahren Probleme unserer Welt. Probleme, die die Menschheit nur gemeinsam bewältigen kann.

Wie auch immer die Wahlen im Oktober zu Ende gehen werden. Lassen Sie sich nicht von einer geschmeidigen Rhetorik aufs Glatteis führen! Prüfen Sie die Inhalte hinter den Worten. Sie könnten sonst Ihre Wahlentscheidung bitter bereuen.

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Markus Andel

Markus Andel bewertete diesen Eintrag 12.09.2017 18:19:28

6 Kommentare

Mehr von Robert Satovic