Alte Scheuern brennen gut, oder: "Feel the Bern(burn)!"

"Cast him a statue or slap his name on a ship, and let’s turn the damned page. We need a new generation of leadership with fresh ideas and an expansive, cosmopolitan vision... My baby-boom generation — typified by the narcissistic Clintons — peaked in the 1960s and is seriously past it. But McCain, born before Pearl Harbor, is even older than we are! Why would anyone believe that he holds the key to the future?"

So schrieb Camille Paglia **, unbestritten gestandene Intellektuelle und "bête noire" des Feminismus in den USA, mit heute 69 Jahren (allerdings nur) biographisch auch nicht mehr so richtig jung, im Rahmen der Präsidentschaftskampagne in 2008 zum Phänomen McCain.

Aber heute unterstützt auch sie Bernie Sanders(74); der damit ziemlich genau 3 Jahre älter ist als es ein McCain bei seiner Kandidatur vor 8 Jahren war -- und genau wie auch McCain Pearl Harbour "miterlebt" hatte.

Es ist also nicht nur der Gutteil der linken akademischen Jugend, die Heil und Zuflucht sucht bei doch älteren weissen Herren. Was in den USA der "burn" eines Sanders ist, ist für Europas linke Jugend ein Jeremy Corbyn(66) als Chef der britischen Labour, und spätestens seit letztem Wochenende ein Alexander van der Bellen(72) in Österreich. Auch das Phänomen eines Papst Franziskus(79) passt recht gut in diesen Kontext.

Erstaunlich, diese Liebe einer Jugend, ihrer Selbstverortung nach "eher links", die im Laufe ihrer universitären Karriere doch eine gewisse Skepsis gegenüber "älteren weissen Männern" mitgenommen haben sollte.

Zur Erinnerung: Das letzte Politbüro des ZKs der SED (de facto also die Machtzentrale der DDR), dem Erich Honecker vorstand, unterbot mit einem Altersdurchschnitt von 63,6 Jahren das Alter dieser "Hoffnungsträger" von heute locker. Im entsprechenden Eintrag bei Wikipedia wird genau dieser Altersschnitt noch als Beleg gesehen, dass eben deshalb schon an keinerlei Erneuerung in der DDR zu denken gewesen wäre...

Und auch das aktuelle Politbüro der KP in China (bislang stets belächelt als d e r Inbegriff von Gerontokratie) kommt, wenn man die entscheidenden 7 Mitglieder seines "Ständigen Ausschusses", also des inneren Zirkels der Macht nimmt, auf fast schon "jugendliche" 66,6 Jahre.

Als Phänomen also erstmal erstaunlich, diese "neue Mode" der Verehrung des reiferen Alters. Sofern es denn "irgendwie links" ist.

Als Frage stellt sich:

-- "Alte weisse Männer" als tatsächlich letzte Hoffnung linker Utopien? (Falls dem so wäre, die bange Frage: Steht es tatsächlich so schlecht um letztere?)

-- Oder Ergebnis des völligen Überdrusses angesichts des "Immer Gleichen"?

-- Oder, tiefergehend, Ausdruck der leisen Ahnung davon, wie weit selbst und gerade Jugend heute "systemimmanent" ist?

Passend dazu die heutige Meldung anlässlich der gerade vorgestellten sinus-Jugendstudie:

"Strebsam, pragmatisch, angepasst: Noch nie seit der Nachkriegszeit war die Jugend in Deutschland so wenig rebellisch wie heute. Für die meisten 14- bis 17-Jährigen gelte die Maxime: möglichst "so sein wie alle", so das Ergebnis der neuen Sinus-Studie."(tagesschau.de)

Alte (Männer) also als die Letzten, die in einem alle und alles vereinnahmenden und aufsaugenden System als Garanten "echter", "widerständiger" Positionen mit moralischer Autorität und letzte überhaupt denkbare Hoffnung auf persönliche Integrität übrig bleiben?

"Wer mit 20 kein Kommunist war, hat kein Herz. Aber wer mit 40 noch Kommunist ist, der hat keinen Verstand", so gemeinhin -- bisher.

Ob sich daran gerade etwas ändert?

** Im Übrigen sehr lohnenswert, die Beschäftigung mit Camille Paglia. Teaser: "Leaving sex to the feminists is like letting your dog vacation at the taxidermist." (taxidermist ist der, der tote Tiere ausstopft...)

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