Sabine Altmann

Es ist Ende März. Seit zwei Wochen versuche ich fieberhaft Vogelfutter zu bekommen. Geschälte Sonnenblumenkerne, Fettblöcke, Futterrosinen, gehackte Erdnusskerne, Winterfettfutter. An meinen Futterstationen fliegen die Vögel verzweifelt alle Stellen an, Stellen, an denen normalerweise ein reich gedeckter Tisch zu finden war, aber nun gähnende Leere herrscht. Es ist erst eine Woche her, dass es bei uns fast 15cm Schnee gab. In den Regalen der Märkte findet man schon die Artikel der Frühlings- und Sommersaison, während draußen noch ein eiskalter Wind pfeift.

Das Lagerhaus bei mir im Nachbarort bietet schon Frühlingsblumen und Aussaaterde an und das Vogelfutter musste dem Stand mit der Grillkohle Platz machen. Die kargen Reste des einstmals so reichen Angebotes liegen irgendwo verschämt in einer Ecke - 5-Kilo-Säcke ungeschälte Sonnenblumenkerne und Mischfutter, das sowiso kein Vogel frißt.

Ich bin verstimmt. Wieder einmal. Und genervt. Und ärgere mich jedes Jahr mehr, weil der Wettbewerbswahn des Handels immer groteskere Ausmaße annimmt. Teilweise gibt es schon im Mai den vielgepriesenen SSV, während wir gerade mal aufatmen, dass wir die Kälte des Winters überstanden haben. Mitten im Sommer darf sich der geneigte Kunde die neusten Trends der Herbstsaison zu Gemüte führen und im Oktober findet man schon Lebkuchen und Adventkränze und da und dort schon den ersten Weihnachtschmuck. Ich muss mir also mein Sommerkleid und den Bikini mitten im Winter kaufen, denn im Sommer darf ich schwitzend den Rolli und den Wintermantel anprobieren, weil der Markt die Jahreszeit bestimmt und nicht die Natur.

Die Jagd des Handels nach dem Geld in den Taschen der Kunden hat den Bezug zur Realität verloren. Irgendwann hatte einer die Idee, seine Waren ein bißchen früher anzubieten, als die Konkurrenz; andere sprangen auf diesen Zug auf und es entbrannte eine nie gekannte Schlacht um den Geldbeutel, die bis heute andauert.

Ich frage die Marktleiterin im Lagerhaus, ob es denn noch eine Lieferung Futter geben würde und sie bedauert verneinend. "Mir ham darauf kan Einfluß" Ob man denn wisse, dass es für die Tiere noch keine Insekten zu finden gibt und die Vögel teilweise schon zu nisten beginnen? Natürlich wissen sie das. Aber der Markt bestimmt die Jahreszeit. Über den Kopf der Natur hinweg, als ob die Jahreszeit sich gefälligst den Wünschen der Geldgier zu unterwerfen hätte.

Ich werde mich morgen wieder auf die Suche nach Futter machen. Vielleicht findet sich irgendwo noch der eine, oder andere vergessene Rest.

Derweil fliegen die Vögel verzweifelt meine Futterstationen an und können nicht verstehen, wieso der einstmals so reich gedeckte Tisch nun leer ist...

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bianka.thon

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sisterect

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