Gescheiterte Zahlentricks von Coronaverharmlosern: Jahres-Sterbezahlen.

Vorwort:

Mit Omikron könnte die Covid-19-Pandemie ein Stück ungefährlicher werden als bisher.

Trotzdem werden in Diskussionen um Covid-19 immer wieder Sterbezahlen und scheinbare Untersterblichkeiten für ganze Jahre angeführt um zu beweisen, daß das Virus nie gefährlicher gewesen sei als z.B. eine Sommergrippe. Daher beschreibe ich erstmal beispielhaft 2 Effekte bei statistischen Jahreszahlen, die von Coronaverharmlosern systematisch für ihre Zwecke ausgenutzt werden.

Beispiel 1: Stelle Dir bitte vor, ein Tornado hätte Dir das Dach vom Haus gerissen. Dein Haus sei gegen Sturmschäden versichert, aber Deine Versicherung antwortet auf Deine Schadensmeldung: "Lieber Herr xy, wir ersetzen Sturmschäden ab Windstärke 8: das entspricht 62 km/h oder mehr. In Ihrer Region liegt die mittlere Windgeschwindigkeit der letzten 12 Monate bei 23 km/h. Daher kann es bei Ihnen unmöglich einen Tornado gegeben haben, und im Interesse der Allgemeinheit der Versicherten können und dürfen wir Ihren Schaden nicht ersetzen. Viele Grüße, Ihre Arroganz-Versicherung."

Beispiel 2: Ende November eines Jahres komme eine billige Designerdroge namens Gigapearls auf den Schwarzmarkt, und direkt anschließend im Dezember verdreifache sich die Zahl der Drogentoten gegenüber den gewohnten Zahlen. Die alarmierten Behörden forcieren die Entwicklung von Schnelltests für Gigapearls-Konsum. Die Rauschgiftszene gehe dagegen auf die Straße mit dem Argument, daß sich die Jahreszahl der Drogentoten trotz Gigapearls nur um 17% erhöht habe.

Ende des Vorwortes, nun zum Thema Covid-19: Die erste Welle brachte Deutschland vergleichsweise wenige Tote, weil der Lockdown relativ frühzeitiger kam als etwa in Spanien.

Deshalb - und dank der Untersterblichkeit aufgrund der fast völlig ausgefallenen Grippewelle Anfang 2020 - konnte Ende 2020 ein Prof.Dr.Rießinger unter der Überschrift "Ist die „amtlich verordnete Panik“ übertrieben?" den Trick mit Jahres-Sterbezahlen aus dem Hut ziehen und schrieb Folgendes zur voraussichtlichen Sterbezahl Deutschlands:

"In jedem Fall ergibt sich unter Beibehaltung des Trends die Prognose von 957000 bis 967000 Sterbefällen für das Jahr 2020, mit deren Eintreten man im Normalfall rechnen müsste. Sollte nun die Gesamtzahl der Sterbefälle den Wert 967000 nicht übersteigen, könnte man auf die Idee kommen, dass die amtlich verordnete Panik doch etwas übertrieben war. In diesem Fall gibt es also im Laufe des Jahres nicht mehr Sterbefälle, als man nach den Entwicklungen der letzten 14 Jahre erwarten sollte..." Zitat Ende.

Eine Grafik der Rießinger-Theorie mit dem linearen Sterbezahl-Trend der letzten 14 Jahre und den aktuellen 2020er Daten von Destatis sieht so aus:

eigene Auswertung

Tja, Herr Professor: Ihr persönlich definierter Normalbereich für 2020 (957000 bis 967000 Sterbefälle) hat eine Spanne von 10.000, aber die tatsächliche 2020er Sterbezahl (985.572) liegt um 18.572 über Ihrem erwarteten Maximum - also fast doppelt so weit, wie Ihr Toleranzbereich breit ist! Bezogen auf den Titel Ihres oben verlinkten Beitrages bei Reitschuster folgt daraus: Die von Ihnen so bezeichnete "amtlich verordnete Panik" war offenbar nicht übertrieben!

Zudem ist es ziemlich manipulativ (siehe Eingangsbeispiel 2), bei einer Seuche, die erst ab Mitte März Todesopfer forderte, die Jahressterblichkeit schon ab 1.Januar zu berechnen. Stattdessen liegt für Deutschland eine Auswertung ab der 13.Woche 2020 auf der Hand, die dann für eine komplette Jahresbetrachtung erst mit der Woche 12/2021 enden darf. Das wäre in dieser Grafik der Zeitraum "2020 + 12 Wochen":

https://www.worldometers.info/coronavirus/country/germany/ + Ergänzugen in rot

Die entsprechende Jahressterbezahl läßt sich mit den wöchentlichen Daten aus dem Download der Human Mortality Database (HMDB) berechnen - incl. aller vorherigen Jahre der 14-jährigen Rießinger-Referenzperiode.

Für die so "verschobenen Coronajahre" erhält man bis 2019 im Mittel praktisch die gleichen Sterbezahlen wie in der 1.Grafik, aber für 2020 sogar 1.020.938 Sterbefälle:

eigene Auswertung

So zeigt sich die erste echte Corona-Jahres-Übersterblichkeit mit 7,0% über der roten Trendlinie, und Rießingers Verharmlosungsversuch scheitert nochmal doppelt so krachend wie bei der Betrachtung glatter Kalenderjahre.

Da er seine Berechnungen nicht von länderspezifischen Gegebenheiten abhängig macht, "darf" man die gleiche Auswertung auch für andere Länder anstellen und bekommt dann oft noch drastischere Ergebnisse:

eigene Auswertungen

eigene Auswertungen

Diese Grafiken entlarven den Jahres-Sterbezahlen-Trick des Prof.Dr. Rießinger endgültig als völligen Rohrkrepierer.

Welche katastrophalen Überlastungen des Gesundheitssystem sich z.B. hinter "nur" 21% Jahres-Übersterblichkeit verbergen können, zeigt dieses Reportagezitat für Spanien: "In Madrid ist die Lage besonders dramatisch . . . Um der Lage Herr zu werden, hat die Verwaltung der Stadt beschlossen, ein Angebot der Eissporthalle Palacio de Hielo („Eispalast“) anzunehmen, sie als Leichenschauhaus einzurichten, berichtet „El Pais“ . . . Anfang der Woche waren schockierende Bilder aus Krankenhäusern der spanischen Hauptstadt publik geworden, wo Patienten auf dem Fußboden lagen. Einige der Patienten husteten stark, einige waren an Sauerstofftanks angeschlossen." Zitat Ende.

Das sollten reichen um zu zeigen:

Die Betrachtung von Jahres-Sterbezahlen ist für kurze Ereignisse wie Coronawellen stark verharmlosend. Trotzdem zeigt sie die Gefährlichkeit des SARS-Cov2-Virus, solange es keine Massenimpfungen gab - zumindest bis zur Delta-Mutante.

Die Corona-Vakzine werden bleiben und weiterentwickelt werden, aber es gibt kein Naturgesetz das ausschließt, daß kommende Mutanten wieder gefährlicher und tödlicher werden als Omikron.

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Dieter Knoflach

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