Es ist mal wieder einer dieser Tage. Heute, Samstag, versammeln sich in mehreren Ländern Demonstranten, um gegen TTIP zu protestieren. Gegen ein Freihandelsabkommen, das quasi nur Nachteile bringt – so könnte man meinen.

Viel wurde im letzten Jahr über TTIP geschrieben. Auf der einen Seite stellt es (angeblich) eine Chance auf Wohlstand für alle dar – und tatsächlich gibt es ökonomische Gesetze (also Theorien), die genau das über freien Handel sagen. Auf der anderen Seite fürchtet man Chlorhendl und Gentechnik. Und worin sich Befürworter wie Gegner des Abkommens besonders einig sind: Es gehört einfach viel transparenter verhandelt.

Darauf hat die EU reagiert. Und die Verhandlungen transparenter gemacht. Und es hat keinen interessiert.

Nicht nur, dass die EU-Kommission generell mehr und mehr dem Trend folgt, jedes nicht-geheime Dokument zu veröffentlichen – jetzt wurde sogar der Inbegriff des bösen Geheimabkommens, TTIP, geleakt. Auf ttip-leak.eu kann man in deutscher Sprache den Text des Abkommens lesen – allerdings ist die Seite sehr voreingenommen und basiert auf teilweise berechtigten, teilweise sehr weit hergeholten Ängsten der europäischen Grünen. Auf der Seite der EU-Kommission – zum Beispiel hier oder hier – kann man sich tagelang mit Fact Sheets sowie Erklärungen, Stellungnahmen und Überblicken zum Thema beschäftigen.

Tja, nur tut das eben keiner.

Wozu auch? Der Feind, das Chlorhendl, ist eh schon die ganze Zeit da. In den USA. Dort desinfiziert man Hühner mit Chlor – weil sich sonst Salmonellen und andere grausliche Sachen im Desinfektionswasser ausbreiten könnten. Damit hatten die nämlich schon oft ein Problem. Aber bei uns? Völlig undenkbar. Bei uns geht alles mit Wasser, Erde und sowieso alles bio und Natur pur.

Bis auf die Tatsache, dass in Österreich eben das Wasser der Schweine, Hühner und Rinder mit Chlordioxid desinfiziert wird. Und das wird nicht einmal gesetzlich geregelt. Außerdem dürfen in Europa Rinder mit Antibiotika behandelt werden – auch das wird schon oft als ungesund kritisiert. In den USA ist das nicht erlaubt. Aber die sind ja die Ungesunden. Die Fetten. Und die Bösen.

Nach Informationen der FAZ („Frankfurter Allgemeine Zeitung“) wurden die englischsprachigen Texte, die am 7. Jänner ins Netz gestellt wurden, bis 8. April gerade mal 2300 Mal angeklickt. Die Europäische Union hat über 500 Millionen Einwohner. „Stop TTIP“ hat 1,7 Millionen Unterschriften.

Ohne mich jetzt unbedingt auf die Seite der TTIP-Befürworter zu stellen – das Verhalten der Kritiker ist schon bezeichnend. Sie sind dagegen, weil ja das Chlorhendl kommt. Dass die Politiker der Europäischen Union ständig betonen, dass das eine unbegründete Sorge ist, interessiert sie nicht. Und überhaupt – keiner weiß, was da drin steht! Außer natürlich das mit dem Chlorhendl. Und wenn man’s plötzlich lesen kann? Dann ist das ziemlich wurscht. Denn das hat man wahrscheinlich vor lauter Demonstrationen gegen das Unbekannte gar nicht mitgekriegt. Sehr intelligent.

Auch ich bin gegen ein Klagerecht von Konzernen gegen Staaten, wie es schon vielerorts praktiziert wird. Auch ich will keine Gentechnik futtern und bestehe auf Lebensmittelstandards. Und auch ich will, dass es der österreichischen wie europäischen Wirtschaft gut geht. Aber aus Prinzip dagegen zu sein halte ich nicht für konstruktiv. Ich werde mir das Abkommen nach Möglichkeit vertiefend anschauen und dann zu meinem Schluss kommen – und erst wenn ich davon überzeugt bin, dass diese Ängste berechtigt sind und auch wirklich schwarz auf weiß so dastehen, werde ich demonstrieren gehen.

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Bernhard Juranek

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