Wo ist das gleiche Recht für alle Meinungen und Ansichten?

"Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen."

Evelyn Beatrice Hall. The Life of Voltaire

Das obige Zitat wird immer wieder gern Voltaire selbst zugeschrieben, stammt aber "nur" aus einer Biografie über ihn und soll kurz und prägnant Voltaires Ansichten zur freien Meinungsäußerung darstellen. Es wird seither immer gerne, so auch jetzt von mir, benutzt, um auf ein nahezu unbeschränktes Recht auf Meinungsfreiheit zu plädieren und dasselbe einzufordern.

Schon in meinem ersten Post hier vor etwa drei Wochen musste ich bestürzt feststellen, dass sich "braune Ewiggestrige" und "links-linke Gutmenschen" aufgrund der Flüchtlingsdramen in immer extremere Positionen begeben. Nach etwas detailierterer Einsicht in die Thematik offenbaren sich perverse Abgründe, die ich vorher zwar erahnt habe, aber insgeheim habe ich gehofft, der Mensch wäre weniger berechenbar. Beide Seiten arbeiten nach strikt politischem Kalkül und nützen jede sich ihnen bietende Möglichkeit für eigene Propaganda scham- und rücksichtslos aus. Eigentlich widerwärtig. Jetzt ist es in der heutigen politischen Situation aber so, dass rechtes und rechtsextremes Gedankengut oder was dafür gehalten wird - offiziell und politisch korrekt - aufgrund der historischen Ereignisse in diesem Land mehr als nur schief angeschaut wird. Teilweise dämonisiert, teilweise hinterfragt, aber immer als moralisch schlecht bewertet, etwas von dem man sich - offiziell und politisch korrekt - distanzieren muss. Was natürlich dennoch nichts daran ändert, dass es genug Menschen gibt, die diese Positionen mehr oder weniger stark vertreten - und ein Recht darauf haben oder zumindest haben sollten!

Das reicht von Leuten so wie mir, der ich Thematiken der Rechten nachvollziehen kann und gerade in der Flüchtlingskrise auf durchdachte Lösungen poche, bis hin zu Leuten, die Flüchtlinge vergasen wollen und davon fantasieren, dass Europa von irgendwem heimlich unterdrückt wird und man sich davon nur befreien kann, wenn man starke nationalistische Lösungen sucht, alles was nicht einheimisch ist, des Landes verbannt und andere offensichtliche Verschwörungstheorien. Verschwörungstheorie sind auch Meinungen, sollen sie sie sagen! Aber die große Mehrheit der Leute ist sich dessen bewusst, dass sich da jemand ohne gravierenden Bildungshintergrund rechtsradikale Fantasien zusammenreimt. Aber er soll es sagen dürfen und sich der Bevölkerung stellen, die ihn zurechtstutzen wird mit Fakten und Wissen!

Nun, da ich auf dieser Seite schreibe und mich nicht eindeutig und absolut gegen Sämtliches was von den Rechten befürwortet werden könnte, lossage, wurde ich sowieso schon auch als Nazi entlarvt. Ihr habt mich erwischt! Eigentlich sitze ich hier mit meinem Führerbild und poliere abwechselnd meine Springerstiefel und meine Glatze... Natürlich ist diese Ansicht genauso eine legitim frei zu äußernde Meinung, die offensichtlich aber genauso daherfantasiert ist, wie die rechten Verschwörungstheorien. Nur das Problem damit ist, will man sich dieser Meinung entgegenstellen mit Wissen und Fakten, kommt das von mir schon oft erwähnte Prinzip: "Du bist ein Nazi, du darfst nicht diskutieren, und weil du ein Nazi bist, habe ich unweigerlich recht" zum Einsatz. Und das is leider politsch korrekt und akzeptiert, weil die Nazis sind ja böse. Solche Aussagen kommen von Linken und Linksextremen, die hierzulande nie in diesem Ausmaß stigmatisiert wurden und denen mehr Rechtschaffenheit und objektive Korrektheit zugebilligt wird, obwohl sie alle leicht erkennbar der Reductio ad Hitlerum erliegen. Das ist ein logischer Fehlschluss, der 1953 von dem Philosophen Leo Strauss formuliert wurde und zusammengefasst besagt: Eine Ansicht ist per se nicht deswegen abzulehnen, weil sie auch von Hitler vertreten wurde. Im aktuellen Zusammenhang erweitert auf das gesamte rechte Spektrum der Politik. Somit werden Personen in Diskredit gebracht, die sich offensichtlich von der Gesamtheit der rechten Politik eindeutig abgrenzen, aber dank der Fähigkeit des eigenständigen Denkens in der Lage sind, zu erkennen, dass auch die rechten Hühner mal ein Korn finden. Aber: Es ist ihre Meinung, sollen sie sie doch sagen! Nur leider können sie damit in Österreich mehr Schaden anrichten als die rechten mit ihren Verschwörungstheorien. Und hier wird es zum Problem.

Zunächst einmal wäre da das Strafrecht zu nennen, das diese Abomination namens Verbotsgesetz kennt und speziell die verschiedenen Paragraphen 3, die sich kurz gesagt mit der Wiederbetätigung befassen. In diesem Land ging eine panikartige Paranoia um, dass die Nazis wieder irgendwie an die Macht kommen könnten, dass man mittels dieses Gesetzes dagegen vorgehen musste - vor 70 Jahren. Aber es gilt heutzutage immer noch. Sprich: Wenn ein Linksextremer in seiner Verblendung befindet, jemand hat sich durch Aussagen nicht genug von den Rechten distanziert und somit Nähe zum Rechtsradikalen - und das kann wirklich viel sein - liegt es im Bereich des Möglichen, dass man Bekanntschaft mit dem Verbotsgesetz macht. Um dem entgegenzuwirken, müsste man dann selbst zum Strafrecht greifen und Verleumdung oder Üble Nachrede bemühen. Gäbe es das ganze Verbotsgesetz nicht (mehr), hätte man das Problem nicht. Die Menschen würden Leute mit festgefahrenen linksradikalen, ideologischen Ansichten schlicht als dasselbe abtun, wie man es mit den rechten Spinnern und ihren Wahnvorstellungen macht, wenn man sich ihnen mit Wissen und Fakten stellt: Sie einfach nicht ernstnehmen können und ihre Meinungen sie verbreiten lassen, aber in dem Wissen, dass sie damit keinen Schaden anrichten können. Apropos Schaden: Da ist noch der gesellschaftliche, der entstehen kann. Existenzen und Karrieren, die vernichtet werden können, aufgrund hetzerischer Aussagen von Linksradikalen. Ich stelle mich gern jeder Meinung, der meiner nicht entspricht und kann sie akzeptieren, solange man mich nicht von vorn herein als (moralischen) Untermenschen betrachtet, sondern als gleichwertig ansieht und damit nicht jede Diskussion von vorn herein unmöglich macht. Aber genau das passiert in der politisch aufgeheizten Lage immer öfter.

Stellvertretend für dieses Phänomen will ich hier den privaten Blog schmetterlingssammlung.net einer Journalistin und Politikwissenschaftlerin nennen, die sich vorrangig, aber nicht ausschließlich, leider genau dadurch auszeichnet: Überall Rechtsradikale zu sehen und sich selbst meistens durch die Blume als etwas Besseres hinzustellen und alles was aus dem linken politischen Spektrum kommt als gut und über jeden Zweifel erhaben, darzustellen. Damit steht dieser Blog auf derselben Glaubwürdigkeitsstufe wie Plattformen von der anderen Seite der politischen Bandbreite und schmälert durch das ideologische Verhalten der Autorin sämtliche legitimierte Bemühungen und stellt sachlich richtige Dinge, die dort ebenso aufgeführt werden in den Schatten. Zudem wird ihm leider aufgrund der obig genannten gesellschaftlichen Gründe übermäßig und undifferenziert gehäuft Glaubwürdigkeit angedichtet. Mir selbst ist er ja vor allem aufgefallen, aufgrund eines aktuellen Kommentars zu der Debatte um Silvia Jelincics kontroversen Beitrag vor einigen Tagen. Der Kommentar auf jener privaten Blogseite gibt nun in seiner eigenen Unsachlichkeit und Einseitigkeit ein sehr negatives Beispiel ab und ließe sich als Meinung gut diskutieren, aber ich wage die Behauptung, ich wäre in den Augen der Verfasserin ebenso ein diskussionsunwürdiger Nazi. Sollte sie mal über diesen meinen Kommentar stolpern, bin ich gern bereit, zu versuchen eine Diskussion mit ihr zu führen, um meine Behauptung zu falsifizieren.

Ein Freund von mir hat die Situation gut und lapidar zusammenfassen können: "Das ist an sich nichts Neues. Die […] [Anm. d. Autors: Name der Verfasserin des Blogs entfernt] nennt dich halt vielleicht jemanden, der rechtsradikale Tendenzen hat, die FPÖ und Rechtsextremen nennen jeden, der einem Ausländer hilft, während es noch Armut in Österreich gibt (und danach vermutlich trotzdem noch) linksradikal, du nennst halt Leute, die nicht so pragmatisch sein wollen, [nicht zu polarisieren und eine "Bist du nicht für mich, bist du mein Feind"- Politik zu fahren] gedankenlose Volltrotteln. So schimpft halt jeder auf die, die nicht seine Meinung vertreten und daran ist auch wenig auszusetzen. Also das verwundert mich gar nicht." Recht hat er, dass tue ich. Siehe in einem vorangegangenen Kommentar. Ich stehe zu dieser Aussage und Meinung und bin bereit, jeden davon auszunehmen, der sich auf eine auf Augenhöhe geführte Diskussion einlässt und behauptet. Nichtsdestotrotz muss ich mir selbst an die Nase fassen und zugeben, es entspricht eigentlich nicht meiner Maxime des Voltaire Zitates. Und kann nur sagen, zu versuchen in Zukunft noch differenzierter zu schreiben und es schlicht besser zu machen.

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Grummelbart

Grummelbart bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:14

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