Am 23.05. ist die jährliche Kriminalitätsstatistik für 2015 veröffentlicht worden und überraschte wohl vorrangig diejenigen, die im Vorfeld mit vagen Vermutungen, falschen Anschuldigungen und Populismus hausieren gingen.

Ja, die Anzahl der Straftaten ist gestiegen. Um satte 250.000 Fälle. Und ja, auch die Zahl der Tatverdächtigen ohne deutschen Ausweis ist um etwa 50% auf 900.000 gestiegen. Bei den meisten dieser Fälle handelt es sich jedoch um Residenzpflichtsvergehen und Verstöße gegen das Ausländerrecht. Dazu gehören z.b. illegale Einreisen. Dabei handelt es sich um Straftaten, von denen keine Gefährdung des Gemeinwohls ausgeht und die von Deutschen auch nicht begangen werden können. Gerade deshalb wurde diese Zahl diesmal gesondert ausgewiesen. Man wollte eine Instrumentalisierung durch Rechtspopulisten unmöglich machen.

Wo Ausländerkriminalität tatsächlich ansteigt wird die tatsächliche Problematik deutlich, die mit der Einwanderung, vor allem für die Migranten selber, einhergeht: Armut. So ist ein deutlicher Anstieg an Diebstahlsdelikten ist zu verzeichnen.

Allen Hasstiraden der Rechtsnationalisten, Angst- und Wutbürger zum Trotz: Mord- und Vergewaltigungsdelikte gingen zurück.

Dabei kursierte gerade die Behauptung, der Fremde käme vor allem, um die europäische Frau zu vergewaltigen, gerne mal in rechten Foren und unter „besorgten Bürgern“ auf der Straße als ehernes Gerücht dem weder mit Fakten noch mit Zahlen beizukommen war. Höcke und Anhänger sorgten sich dabei ganz besonders um den blonden Typus Frau. Im Dunstkreise rechter Ideologie ein besonders zartes und schützenswertes Wesen.

So ist es dann, bei all der aufgeladenen Stimmung, geschaffen durch Halbwahrheiten und Hetze, Angst- und Panikmache auch nicht erstaunlich, dass es vor allem rechte Gewalt ist, die seit Monaten eskaliert. Jeder, der im letzten Jahr aufmerksam die Nachrichten verfolgt, Fackelmärsche, Brände und geifernde Busblockierer zur Kenntnis genommen hat, konnte mit nichts anderem gerechnet haben.

Rechtsextreme Straftaten haben einen Anstieg von 34%, Rechte Gewalt sogar ein Plus von 44% zu verzeichnen. Selbst de Maizière, selber eher als Hardliner bekannt, sprach von einer „bedrohlichen gesellschaftlichen Entwicklung“ und forderte dazu auf „ … dieser zunehmenden Radikalisierung entgegenzutreten.“

Das Spektrum rechter Gewalt umfasste hierbei gut 1031 Delikte gegen Flüchtlingsheime, Brandstiftungen, Sprengstoffvergehen, versuchte Tötungen. Dennoch schafft es die Bewegung „besorgter Bürger“ bis heute nicht, sich offen gegen diese rechtsextremen Auswüchse zu stellen. Noch immer gilt ihnen als Ausrede, man müsse „sich schützen“. Wer hier des Schutzes bedarf, zeigt diese Statistik deutlich. Ein Ende ist nicht in Sicht. Auch in diesem Jahr gab es bereits 431 Straftaten gegen Asylunterkünfte, davon 44 Brandstiftungen.

Und auch linke Gewalt hat zugenommen. Die Anzahl der Straftaten stieg um 18 Prozent, die Zahl der Gewalttaten um knapp 35 Prozent. Vorrangig handelt es sich hier um Verstöße gegen das Versammlungsverbot und um Gewalt gegen Polizeibeamte.

Ausgerechnet die SZ jedoch macht deutlich, welche Formen der Kriminalität hier einander gegenüber gestellt werden:

Während rechte Gewalt vorrangig gegen Menschen und die Unterbringung von Menschen abzielt, die nicht genehm sind, ist in die Statistik zu linken Straftaten vor allem Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte, die aufs schärfste zu verurteilen sind, und der Widerstand gegen eben diesen rechten Mob eingeflossen. So hat den größten Anteil an der wachsenden Anzahl linker Straftaten das Blockieren rechter Aufmärsche:

„Das Ergebnis: "Klassische Sitzblockaden" bilden tatsächlich den Schwerpunkt der politisch motivierten Straftaten im linken Spektrum…

In den vergangenen Jahren kam es bei Neonazi-Aufmärschen immer wieder zu Massenblockaden, an denen sich auch Menschen aus dem bürgerlichen Lager beteiligen. Ob eine Sitzblockade als Straftat gilt, ist juristisch gesehen Auslegungssache. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1995 erklärt solche Blockaden jedenfalls nicht grundsätzlich für illegal. Manche Bündnisse, die sich gegen rechts engagieren, sehen darin ein legitimes Mittel des Protests.

Dass das Bundesinnenministerium diese Verstöße in der Statistik aufführt, findet dem Spiegel-Bericht zufolge ein hochrangiger Ermittler "abstrus". "Wenn jemand aus dem bürgerlichen Lager an einer Sitzblockade teilnimmt, begeht er zwar eine Straftat", zitiert das Magazin den Mann. Aber man müsse sich fragen, ob es Sinn ergebe, dies als "politisch motivierte Kriminalität von links" zu melden, so der Ermittler weiter.“

Tatsächlich ist es, laut SZ, juristische Auslegungssache, ob eine Sitzblockade als Straftat zu werten ist. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes erklärt diese jedenfalls nicht grundsätzlich für illegal.

Und doch wird dieser hinkende Vergleich zwischen rechten und linken Straftaten dem „besorgten Bürger“ reichen, um auch weiterhin den Widerstand gegen rechts mit Straftaten von rechts gleichzusetzen.

Auch der Bereich an Straftaten, in dem Ausländerkriminalität tatsächlich massiv zugenommen hat, Einbrüche durch Bandenkriminalität, nicht durch „Flüchtlinge“ sondern osteuropäisches organisiertes Verbrechen, straft unterm Strich die Rechtsnationalisten Lügen. Das größte Problem der Polizei, wenn es um Ermittlung und Aufklärung dieser Fälle geht, ist die Tatsache eines Mangels an kriminalistischer Zusammenarbeit innerhalb Europas. So wird Michael Rauschenbach, Abteilungsleiter für Schwere und Organisierte Kriminalität bei Europol, im Spiegel zitiert:

"Wir müssen ein Umdenken bei Polizei und Politik erreichen. …Nur wenn wir die organisierte Kriminalität hinter der Massenkriminalität erkennen wollen, werden wir sie auch erkennen können…. Dazu gehört auch, sich in Europa auf eine einheitliche Definition von organisierter Kriminalität zu verständigen…"Das Eindringen in Privatwohnungen ist eine sehr risikoarme und trotzdem lukrative Form der Kriminalität"

Und der Leitende Kriminaldirektor im Düsseldorfer Landeskriminalamt konstatiert:

„Das Grundproblem aber ist… Die Kriminellen können samt Beute problemlos kreuz und quer durch die EU reisen. Die Ermittlungsbehörden aber arbeiten erst einmal national."

Nationale Eigenbrötelei als Ermittlungshemmnis. Bis auf den „Besorgten Bürger“ agieren in globalisierten Zeiten von Kriminellen hin zu Industriellen alle international und grenzübergreifend.

Ganz offensichtlich ist keines der relevanten Probleme unserer Zeit ist mit Grenzen und Nationalismus zu lösen.

Bei einem Übermaß an Angst greift der geneigte Therapeut gerne mal zur Konfrontationstherapie, die BILD zu großen Fotos und einfachen Sätzen. Möglicherweise ist damit auch dem angstgeplagten „besorgten Bürger“ zu helfen. Versuchen wir das doch einmal:

Dies, liebe besorgte Bürger, ist ein Ausschnitt der Welt vor Ihrem kleinen weißen Gartenzaun:

Pixabay

Dort sieht es nicht selten so aus:

Eine Bilderstrecke finden Sie hier, schauen Sie sich aber nicht alle auf einmal an. Es könnte Sie verunsichern.

Diese Welt verschwindet nicht durch dies:

Pixabay

Und nicht so:

Pixabay

Am allerwenigsten so:

Pixabay

Und schon gar nicht so:

Pixabay

Vielleicht ist es zu spät, wenn es Ihnen dann endlich aufgeht, aber die Hoffnung bleibt, dass all die Versuche der Aufklärung auch an Ihnen nicht ganz spurlos vorübergehen.

Aufklärung müsste ein ethischer Imperativ sein, stößt jedoch – anders als Missionierungen – an Verstandesgrenzen. (Raymond Walden, *1945, Kosmopolit, Pazifist und Autor, Quelle: Walden, Sentenzen von Freiheit, Angelika Lenz Verlag, 2005)

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