Du glaubst es nicht, du magst es nicht glauben, was mir alles so passiert, das dir genau so zustoßen könnte.

Da hat jemand im Internet - Sie kennen den Ort? - was geschrieben über eine Frau BK. Was habe ich gerätselt, wer diese "Frau BK" eigentlich sein könnte, von der so viel die Rede war. Tags darauf kam ich nochmal, eher zufällig, auf die Seite, grüble wieder ein wenig und plötzlich fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren: BK heißt "Bundeskanzlerin".

Diese eine Frage ist beantwortet und sofort stellt sich die nächste: Wieso schreibt der nicht "Bundeskanzlerin" hin, wenn er "Bundeskanzlerin" meint, wieso schreibt er stattdessen BK? Ein schlauer Mensch wird antworten, das mache er der Bequemlichkeit halber, "BK" sei nun mal deutlich kürzer und also leichter zu schreiben als "Bundeskanzlerin". Schon, entgegne ich, aber das Hinschreiben kryptischer Abkürzungen nimmt im Internet unzweifelhaft überhand. Und das Lesen kryptischer Abkürzungen nimmt dir viel von deiner kostbaren Lebenszeit. Du grübelst und grübelst über der letztlich belanglosen Frage nach "BK" und könntest eigentlich schon längst dabei sei, zu prüfen, ob die Bemerkung über die Frau Bundeskanzlerin Unfug ist oder doch.

Denn, bedenken wir es recht: Noch niemals zuvor ist dem Menschen das Schreiben, technisch gesehen, so leicht gemacht worden wie heute mit dem Computer.

Früher, ich mein jetzt sehr viel früher, hieß "Schreiben" noch, daß Mönche in entlegenen (1) Klöstern den Gänsekiel in eine Art Tinte tauchten und ganz, gaaanz sorgfältig Buchstabe für Buchstabe auf Pergament, also die Bauchhaut junger Schafe malten. Das Schreiben war zeitaufwendig wie Sau, das Pergament schwei... äh, schafsteuer. Ich habe jedes Verständnis der Welt dafür, daß die weiland Mönche Abkürzungen verwendeten, um kostbare Arbeitszeit und vielleicht noch kostbareren Platz zu sparen. (2) Früher, ich mein jetzt ganz früher, zu Zeiten der Scriptoriumsmönche, hat man Abkürzungen, wenn man sie denn verwendet hatte, sorgfältig eingeführt. In einer theologischen Abhandlung etwa hat der gelehrte (3) Mönch beim erstmaligen Auftauchen der Abkürzung AGNAA mitgeteilt, es stehe AGNAA für "Ach, Gottchen, nein aber auch".

Wir aber, wir Schoßkinder des Glücks (Gustav Gans), leben in den Zeiten des Computers, das Schreiben (und Korrigieren) des Geschriebenen ist heute so einfach und preisgünstig wie noch nie zuvor in der Geschichte. Platz ist auf der Festplatte oder auf dem Server nahezu unbegrenzt vorhanden. Die weiland Mönche im scriptorium hätten geweint vor Glück, wenn sie einen Laptop mit Internet-Anschluß gehabt hätten.

Ich, Leute, habe nicht nur einen Computer (jeder Depp hat heute einen Computer), sondern auch ein abartig geiles Programm. Mit PhraseExpress kannst du Kürzel für lästig zu schreibende Ausdrücke (km/h), Wörter (Alkohol) oder auch gaaanz lange Texte definieren und das Programm schreibt dann den richtigen Text hin, und zwar in jeder beliebigen Anwendung. Ich schreibe "voa" und es erscheint "vor allem", "gw" und es erscheint "gewesen". Das Programm ist für Privatanwender kostenlos, du darfst halt bloß keine typisch geschäftlichen Begriffe abkürzen wie Umsatzsteuer, Rechnung etc. Und nach einiger Zeit des Gebrauchs erscheinen immer mal wieder Einblendungen, die nachfragen, ob du nicht doch die Vollversion erwerben willst. Kostet 30 EUR in der einfachen Version (mehr Features braucht man als Privatanwender eh nicht).

Die einzige Mühe ist das erstmalige Erstellen der Abkürzungen. Hier mußt du vor allem darauf achten, daß die Kürzel erstens mnemotechnisch einfach, also leicht zu merken sind (wie eben "voa" für "vor allem" ) und daß es die Kürzel nicht auch noch als richtige Wörter gibt.

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(1) Damals war jeder Platz auf Gottes Erde entlegen, denn es war stets ein Riesenaufwand, von jedem anderen Platz aus dorthin zu kommen.

(2) Um Platz zu sparen begann man nach einem Absatz keine neue Zeile, sondern fügte stattdessen ein Doppel-S ein, das für "signum sectionis" stand. Um noch mehr Platz zu sparen (so kostbar war der Platz seinerzeit in den Zeiten der Bauchhaut von Schafen) schrieb man die beiden "s" untereinander, wodurch das §-Zeichen entstand.

(3) "Gelehrt", das ist vielleicht der Schlüssel zum Verständnis. Früher hat man nur solche Leute an die Schreibfeder und das Pergament gelassen, die ein Mindestmaß an Bildung nachweisen konnten (und sich überdies das Ficken verkniffen hatten). Ohne Latein, dafür mit Homo-Ehe o. dergl. etwa ging da gar nichts, einer ohne Latein wurde zum Arbeiten auf's Feld geschickt. Heutzutage dagegen darf jeder Anti-Alphabetiker, der von sich auch nur behauptet, er habe einen E-Mail-Freund in Lateinamerika, im Internet publizieren.

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