Mysterien der Ästhetik am Beispiel des Hundes

Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, dem wird irgendwann auffallen, daß es Hunde verschiedenster Rassen gibt. (1) Die Rasse mancher Hunde ist dabei so verschieden, daß man sie als Sonderanfertigung wird bezeichnen müssen. Diese Hunde bilden, jeder für sich, eine eigene und also sehr, sehr seltene Rasse, von der es jeweils nur ein unendlich kostbares - weil eben einmaliges und einzigartiges - Exemplar gibt.

Wer wenigstens ein bißchen was von Marktwirtschaft mitbekommen hat - und sei es beim Einkaufen - der weiß, daß heutigentags massenhaft hergestellte, gleich aussehende Dinge sehr gering geschätzt werden, während der Kenner bei einzeln gefertigten Sachen genießerisch mit der Zunge schnalzt. "Ah, kein Massenprodukt", seufzt er selig und blättert ohne zu murren für das handgearbeitete Zeug den x-fachen Betrag hin.

So gesehen müßten eigentlich Rassehunde, deren es viele gibt und die nahezu gleich aussehen weniger geschätzt und als weniger schön empfunden werden als Unikate, die es so nur ein einziges Mal gibt. Nun weiß jeder, daß dem nicht so ist. Die Sache ist genau umgekehrt und es bleibt die Frage, warum das so ist.

Die Antwort lautet natürlich, wie fast immer in der Marktwirtschaft: "Es ist der Preis."

Im Tierasyl küssen sie dir die Hand und nennen dich Baron, wenn du einen der Hunde mitnimmst und vielleicht noch eine kleine Spende dort läßt. Meinen Hund (siehe Bild) hatte ich damals im Wald oberhalb von San Marco di Castellabate einfach mitgenommen. Für einen Rassehund mußt du dagegen etliche hundert Euro oder mehr hinblättern.

Bei Hunden sind Einzelstücke sehr preiswert oder gar kostenlos zu haben, während Serienfertigungen, sprich: Rassehunde, aufwendig in der Herstellung und entsprechend teuer sind. Damit kippt bei Hunden die allgemein übliche Wertschätzung von Einzelstücken. Mit einer Sonderanfertigung machst du halt nicht so viel her, weil jeder weiß, daß du den Köter (fast) umsonst bekommen hast. Mein Einzelstück ist deshalb bei weitem nicht so schön wie ein Rassehund.

Geld macht, wie Brecht einst anmerkte, nicht nur sinnlich, es macht auch schön.

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(1) Wer ganz genau hinschaut und auch nur für ein Fünferl zum Denken imstande ist, dem ist sowieso klar, daß es eigentlich keine Rassen gibt. Rasse ist ein menschliches Denkkonstrukt. Jeder Mensch (weiblich) kann sich prinzipiell mit jedem anderen Menschen (männlich) paaren, so daß Nachkommen entstehen, die dann halt irgendwie ausschauen und es gäbe ein wunderbares Durcheinander. Daß die Leute am Limpopo (fast) alle schwarz sind, an der Donau dagegen eher weiß, liegt schlicht am unterentwickelten (Reise-)Verkehr zwischen Donau und Limpopo. Daß die schwarzen Menschen schwerpunktmäßig am Limpopo leben und nicht an der Donau, liegt daran, daß unter vor- oder frühzivilisatorischen Lebensbedingungen in den Ländern um den Äquator die stark pigmentierte schwarze Haut ein enormer Überlebensvorteil war. Natürlich gibt es biologisch keine Rassen, das gilt für Menschen und das gilt natürlich auch für Hunde.

Jeder Hund (weiblich) kann sich im Prinzip mit jedem anderen Hund (männlich) paaren, so daß Nachkommen entstehen (Gut, okay, die Paarung zwischen einem Chihuahua und einem Dobermann wäre in der Praxis etwas schwierig, aber sonst...). "Reinrassige" Deutsche Schäferhunde gibt es nur deshalb, weil die Züchter sorgfältig drauf achten, daß sich ihre Weibchen nur mit entsprechenden Rüden paaren. Ließe man die Hunde einfach nach Gusto entscheiden, wäre diese itzund noch wohldefinierte Hunderasse bald verschwunden.

Soziologisch dagegen gibt es natürlich Rassen. Auch sie sind ein menschliches Denkkonstrukt, ein Denkkonstrukt aber, das ungeheure Auswirkungen auf das Leben von Menschen hat. In unserer real existierenden Welt ist es absolut nicht gleichgültig, mit welcher Hautfarbe ich auf diese Welt gekommen bin.

Jemand wie Obama wäre noch in den sechziger Jahren aus dem Scheißhaus geprügelt worden, wenn er sich in ein Abteil für Weiße verirrt hätte.

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