Von der Tragik der unerfüllten Sehnsucht

Und von der größeren Tragik der erfüllten

Wie die Deutschen so haben es auch die Italiener fertiggebracht, die üblichen fremdenfeindlichen, ja rassistischen Denk- und Verhaltensmuster auf ihre eigenen Landsleute anzuwenden. Die Norditaliener nennen sich gerne "nordici", ein Begriff, der normalerweise auf Skandinavier angewandt wird. Die Süditaliener nennen sie dementsprechend "sudici", was ein (gewollt) böses Wortspiel ist. Das Wort "sudicio", Mehrzahl "sudici" heißt nämlich auch "Dreck, schmierig, schmutzig, schmuddelig, unflätig, verschmutzt, dreckig".

In einem zivilisierten Land wäre ein Mann wie Umberto Bossi, Chef der separatistischen Lega Nord, wegen Hochverrats steckbrieflich gesucht und bei Ergreifung nach fünfminütigem Verfahren standrechtlich erschossen worden. In Italien saß er schließlich in der Regierung.

In Deutschland verläuft die Grenze der Diskriminierung nicht mehr zwischen Nord und Süd [1] sondern zwischen West und Ost. Früher, als uns im Westen die Mauer noch zuverlässig vor all den Sachsen, Thüringern und Mecklenburgern schützte, hat man an Weihnachten Kerzen in die Fenster gestellt, um damit der geknechteten Brüder und Schwestern in der Zone zu gedenken. In der beruhigenden Gewißheit, daß dies nie geschehen werde, hat man gerufen "Macht das Tor auf!". Und dann, wie's der Deibel haben will, war das Tor plötzlich offen und all die faulen, ewig meckernden Ostdeutschen waren plötzlich mitten unter uns.

"Im Leben gibt es zwei Tragödien: die eine ist die Nichterfüllung eines Herzenswunsches, die andere seine Erfüllung." (George Bernard Shaw)

Ephraim Kishon hat in den Siebzigern das Theaterstück "Es war die Lerche" geschrieben. Es spielt in Verona, 30 Jahre nach dem ganzen Geschiß um Romeo und Julia. Die beiden haben überlebt, sind jetzt ein älteres Ehepaar, das sich mit all den so gar nicht heroischen Mißlichkeiten des Ehe-Alltags herumzuschlagen hat. Dazu kommt eine pubertierende Tochter...

Wie angenehm und heiter flauschig ist dagegen Shakespeares Tragödie. Shakespeares Geschichte läuft ja zielgerichtet auf's Happy-End zu und es brauchte eine komplizierte Abfolge aberwitziger Zufälle, die sich Shakespeare hat ausdenken müssen, damit sein Happy-End doch noch in einer marktkonformen Tragödie enden konnte. Zweieinhalb Jahrhunderte später hat Richard Wagner das Kunststück wiederholt.

Dante Alighieri hat einst auf einer Brücke ein wunderhübsches Mädchen gesehen, ein einziges Mal in seinem Leben. Er nannte sie bei sich Beatrice und hat ihr ein Leben lang hinterhergeseufzt, ihr, der ewig jungen Schönen. Hätte er sie gefunden, wäre sie sein geworden - es wäre vielleicht eine Menschliche Komödie über das Leben, wie es wirklich ist, geworden. So manches Gedicht wäre nie geschrieben worden, aber mei, es gibt so viele andere, man kann sie eh nicht alle lesen.

Tragisch, wirklich tragisch wird die Geschichte, wenn wir uns klarmachen, wie schnell und leicht junge Menschen ihr Leben wegwerfen. Irgendeine blöde Kuh, irgendein Scheißtyp erhört ihn/sie nicht und er/sie bringt sich um, des Liebeskummers voll. Und dann hast du alte Leute, geplagt von den schmerzlichen Erinnerungen eines langen Lebens, gepeinigt von den Mißlichkeiten des Alters und manchmal auch von entsetzlichen Beschwerden. Und sie freuen sich über jeden einzelnen Tag, den sie noch atmen, den sie noch leben können. Ist es nicht verrückt? Sollte es in einer leidlich vernünftigen Welt nicht umgekehrt sein?

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Bei Gelegenheit der vergeblichen Suche nach einem Video von "Es war die Lerche" ist mir dies noch zum Thema Alter und Liebe untergekommen, das ich nicht unterschlagen möchte, weil es gar so schön ist:

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[1] Diese Grenze gab's in Deutschland schon auch mal, wenn auch deutlich milder.

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sisterect

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