Abrechnung mit einem, der davonkam oder Welcher Antisemitismus solls denn diesmal sein, Teil 2.

Sie hatten perfide Gesetze und aus Staatsbürgern Menschen 2. Klasse gemacht, sie hatten eine eigene „Wissenschaft“ erfunden, mit einer in der Weltgeschichte einmaligen kriminellen Energie zahlreiche Tötungslager gebaut, ja sogar eine gewaltige Streitmacht ausgerüstet, um noch den letzten Juden im letzten Winkel Europas aufzuspüren, und als Millionen Menschen ums Leben gekommen, aber die Deutschen endlich besiegt waren, da waren sie ebenso erstaunt wie empört, dass man sie für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen könnte. Wie? Hatten nicht auch die anderen Verbrechen begangen? Und überhaupt: Musste sich ein Volk, das so wunderbar seine Wirtschaft hatte wachsen lassen, allen Ernstes noch Geschichten über ein Auschwitz anhören, das nicht mehr existierte? Waren nicht über Nacht aus 7 Millionen PG und ihren Helfershelfern strebsame Demokraten geworden?

Aber es blieb immer noch der Verdacht, es könnten die Judenmörder, die Barbaren der Neuzeit, nicht für völlig geläutert erachtet werden. Schlimm. Wie konnte man das den Deutschen antun?

Wenn Auschwitz schon nicht ungeschehen gemacht werden konnte, musste man es eben banalisieren, ernannte einen Inlandsgeheimdienst zum „Auschwitz der Seelen“ oder behauptete, als die Deutschen bald nach ihrer „Wiedervereinigung“ wieder in den Krieg zogen, dies geschehe, um ein zweites Auschwitz zu verhindern.

Zugleich entwickelten sie die These, dass der Staat, den die entkommenen Juden gegründet hatten, in seinen Methoden doch dem der Nazideutschen irgendwie ähnele, man müsse nur etwas genauer hinschauen. Und so wurde „Israelkritik“ zu einem der beliebtesten Hobbies der Deutschen, kein Staat wurde so gewissenhaft von ihnen kritisiert wie der israelische. Aber gab es da nicht die Gefahr, dass man den geläuterten, längst wieder gut gewordenen Deutschen deswegen Antisemitismus vorwarf? Um dieses Problem zu lösen, erfanden pfiffige Deutsche den „islamischen“ und den „linken“ Antisemitismus, welch letzterer sich berechtigterweise auf den Umstand stützen konnte, dass die nach dem Ende des Kommunismus überflüssig gewordenen europäischen Sozialdemokraten ungehemmt ihren Judenhass auslebten. Beide Begriffe externalisierten den Antisemitismus, machten ihn zu etwas, das dem deutschen Mördervolk im Grunde wesensfremd war. Dass sowohl der christliche als auch der Antisemitismus in der „Mitte der Gesellschaft“ dadurch verschwiegen wurden – wen kümmerte es?

Aber erst mit dem „importierten Antisemitismus“ fand die Besserwerdung der Deutschen ihren vorläufigen Abschluss. Judenhass war endgültig etwas, das von außen an ein ebenso harmloses wie aufgeklärtes Volk herangetragen wurde – und, nebenbei, durch Abschiebungen auch schnell wieder exportiert werden konnte. Gab es etwa noch eine weitere Stufe auf dem Weg zur deutschen Besserwerdung?

Nun, man könnte man ja auch einmal den Juden selbst nachweisen, dass auch sie nicht frei sind vom Antisemitismus. In unbedarften Köpfen schwabbelte noch der Begriff vom „jüdischen Selbsthass“ herum, ein schöner Ansatzpunkt. Ganz mutige Deutsche könnten sich einen Emigranten vorknöpfen, einen, der den Mördern zwar entkommen war, sich anschließend aber das Recht herausnahm, ihre Nachkriegsordnung zu kritisieren. Am besten wäre es natürlich, dieser Emigrant – nennen wir ihn Erich Fried – hätte auch noch ein paar schlechte Gedichte geschrieben, in denen er sich dem deutschen Mainstream (s. oben) anpasste und den Israelis vorwarf, ihre Methoden ähnelten denen der Nazis.

Erst dann hätten die endlich besser gewordenen Deutschen genug Fleißkärtchen gesammelt, um den Ursprung des Antisemitismus wieder dort verorten zu dürfen, wo sie ihn die ganze Zeit bereits vermuteten: bei den Juden selbst, die, wie hinter allem, auch hinter dem Hass auf sie stecken müssen. Zwar wäre es auch möglich, dass die Deutschen sich zurück und einfach mal die Klappe halten und akzeptieren, dass jemand, der ihnen mit Glück entkam, von ihnen keine Belehrungen über Antisemitismus benötigt, aber ich hege die Befürchtung, dass sie sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen werden. Der Hang zur relativierenden Geschwätzigkeit ist, wie wir gesehen haben, einfach zu stark ausgeprägt. In jedem Fall wäre es ein Vorgang, der an Ekelhaftigkeit kaum zu überbieten wäre.

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

1 Kommentare

Mehr von thomas schweighäuser (ex Gotha)