Der Gewinn der deutschen Fußballmeisterschaft durch Bayer 04 Leverkusen stimmt den gemeinen Bundesligafan einerseits froh, da er die langweilige Titelserie der Bayern, die im letzten Jahr nur durch die Doofheit der Konkurrenz (Dortmund!) ihre Fortsetzung fand, durchbrach, andererseits aber auch nachdenklich, denn nach Wolfsburg 2009 hat es ein zweiter Verein geschafft, den ein mächtiger deutscher Konzern (und, wie kaum anders möglich, Profiteur der Nazizeit (der Volkswagenkonzern resp. die IG Farben)) in einer Weise unterstützt, die der 50+1-Regel entgegenläuft. Diese Regel wird von den Fans verteidigt, da sie die Vereine, von denen man hoffen darf, dass sie eine demokratische Einflussnahme zumindest rudimentär gewährleisten können, vor dem Einfluss externer Geldgeber schützen soll.

Nun darf man aber nicht glauben, dass Fußballfans per se für das Gute im Menschen stehen und leider sind auch die Leverkusener Fans nicht immer angenehm aufgefallen: So hielten sie im Spiel in Bremen ein albernes Spruchband mit der reaktionären Parole, dass es nur zwei Geschlechter gebe, hoch, und in einem Vorbericht zum entscheidenden Heimspiel (wieder gegen Bremen) wurde ein älterer Herr interviewt, dessem Schal auf eine Fanfreundschaft mit Kickers Offenbach hinwies, jenes unterklassigen Vereins, dessen Fans in der Vergangenheit „Zyklon B für die SGE“ (i.e. die „Judenschweine“ von der Frankfurter Eintracht) skandierten.

Andererseits legte und legt die Mannschaft von Bayer 04 mit Spielwitz und mentaler Stärke eine beeindruckende Serie ungeschlagener Spiele hin, was nicht zuletzt das Verdienst Xabis Alonsos ist, des ebenso kompetenten wie schnuckeligen Trainers. Und man darf auch nicht vergessen, dass in seinem Team mit Florian Wirtz eines der größten deutschen Talente spielt, auf dem, neben Jamal Musiala, die deutschen Hoffnungen für die EM 24 ruhen. Zudem hat es der Torwart und Mannschaftskapitän Lukas Hradecky als wohl erster Finne geschafft, sowohl deutscher Meister als auch (2018, mit Eintracht Frankfurt (3:1 gegen Bayern München)) deutscher Pokalsieger zu werden. Der feierwütige Finne und der stets etwas verschlossen wirkende Abiturient Wirtz bilden eine Art Gegenpol zum grimmigen Doppel im defensiven Mittelfeld, Robert Andrich und Granit Xhaka.

Sehr dankbar darf man auch dafür sein, dass die Meisterschaft erst nach der Ära Rainer Calmunds gelang, jenes mediengeilen Managers, dessen scheingemütlicher rheinischer Sprachduktus sein skrupelloses Transfergebaren nie verbergen konnte. Allen Managern, so äußerte sich einst Bernd Hölzenbein, als er Vizepräsident von Eintracht Frankfurt war, sei in der Bundesliga zu trauen, nur Calmund nicht. Und so zog er , dessen beherztes Eindringen in den Strafraum der Niederländer die Wende im WM-Finale 1974 brachte, es vor, zwei Tage nach Leverkusens Meisterschaft zu sterben. Ehre sei seinem Angedenken.

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