Natürlich gibt es niemanden mit dem Namen Manulf Poschtermann, es gibt allerdings Ulf Poschardt, den Chef der „Welt“-Gruppe, und Manuel Ostermann, den stellvertretenden Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Beide haben sich 2025 schriftstellerisch betätigt.
Ulf Poschardt hat eine Art Essay namens „Shitbürgertum“ veröffentlicht, in dem er zum einen die bereits im Titel abgewertete Fraktion des Bürgertums, die man vielleicht als linksliberales Milieu bezeichnen kann, zu staatsverliebten Feiglingen mit Vollkaskomentalität („Antiheroismus“), zum anderen aber einen südamerikanischen Politiker zum Freiheitshelden stilisiert. In jeder Zeile über Milei (ja, um den geht es) wird die Faszination für den „starken Mann“ erkennbar, sein „Anarchokapitalismus“ (ein Pleonasmus) sei „laut, heftig, brachial“, er schwärmt davon, dass „etatistische Zöpfe in einem von autoritären Staatsideologien zerstörten Land (…) mit der Kettensäge abgetrennt“ und „die Möglichkeiten des Staates radikalst beschnitten“ werden. Milei zähle zu den „neuen Figuren des Westens“ (nebst Trump und Meloni, also zwei Politiker*innen mit offenen Sympathien für den Faschismus), welche diesen „wieder wild“ machten, also „den Wilden Westen reinstallieren“, nachdem „Bürokraten und Beamte das Freiheitsgefühl erstickt“ hätten. Die Sprache Poschardts verrät die Gewalt, die mit dem von ihm favorisierten Anarchokapitalismus einhergeht. Das schwärmerische Kapitel über den „Mann mit der Kettensäge“ endet mit der Feststellung, Milei „entneurotisiere die Aggression“, welche sich im Kapitalismus aber nie gegen diejenigen richtet, die etwas besitzen, sondern gegen die Habenichtse, die außer ihrer Arbeitskraft wenig bis gar nichts zu verkaufen haben. Man gebe sich nicht der Illusion hin, dass die Kapitaleigner sich den Sozialstaat von bösen Bürokraten haben aufschwatzen lassen und nun darauf brennen, ihn zu zerstören. Sie wissen sehr gut, dass es, gäbe es ihn nicht, zu mehr als hässlichen Szenen käme, ja dass der „Wilde Westen“ dem historischen Vorbild auf eine sehr unangenehme Art und Weise ähneln würde. Und hier kommt der Mann ins Spiel, dem Poschardt ein Vorwort geschrieben hat für ein „Sachbuch“ („Deutschland ist nicht mehr sicher“), das drastisch darlegt, warum der Vorwortschreiber als staatliche Institutionen einzig „Armee und Polizei“ gelten lassen will: Manuel Ostermann.
In seinem Vorwort stellt Poschardt sich eine Frage („Ulf, warum magst du Polizisten so gerne?“) und antwortet sich so: „Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit.“ Er meint, dass „Menschen (…) sich sicher fühlen“ müssen, „um mutig zu sein.“ Damit ist gewiss nicht der Mut gemeint, gegen die Räumung eines besetzten Hauses zu protestieren, Mut ist für einen radikalen Liberalen wie Poschardt immer nur unternehmerischer Mut, und folgerichtig soll die Polizei „die individuelle Freiheit, die Sicherheit von Eigentum“ schützen. Dabei spielt Poschardt die Sprache, die er nicht beherrscht, einen Streich, wenn er schreibt, eine unabhängige Polizei schütze „gerade die Freiheit weniger privilegierter Personen“. Man darf rätseln, ob die Freiheit derjenigen gemeint ist, die weniger privilegiert sind als andere oder doch, auch wenn Poschardt dies nicht gemeint hat, die Freiheit weniger, die privilegiert sind.
Wer diese Freiheit („Freiheit ist ohne Sicherheit nicht denkbar“, Poschardt neigt zu Redundanzen, es soll sich ja auch einprägen) durch kriminelle Anlagen bedroht, wird deutlich, wenn er von „Brennpunktvierteln, in denen abgehängte und vernachlässigte Bevölkerungsteile auf wachsende Migrantengruppen treffen,“ schreibt und letzteren attestiert, sie brächten „mitunter wenig Verständnis für unsere Gesellschaft“ mit. Ob jemand ein größeres Verständnis mitbringt, der sich zu fragen weigert, wer das eigentlich sein könnte, der „Bevölkerungsteile“ abhängt und vernachlässigt, wage ich zu bezweifeln, wie ich auch bezweifle, dass Poschardt das Buch, zu dem er ein Vorwort verfasst hat, überhaupt gelesen hat, da er schreibt, er sei stolz auf „die aufgeklärte und moderne Polizei in Deutschland“. Den Polizisten Ostermann kann er damit nicht meinen, der sich als knallharter Reaktionär erweist und vor allem vor „zur Gewalt bereiten Linksaußenkämpfern“, „radikalen Linken“ und „sogenannten Autonomen“ warnt. Dass sich zudem noch „gutgläubige Menschen“ von „Extremisten instrumentalisieren“ lassen und das auch noch in einem, für Ostermann wohl überflüssigen „Kampf gegen Rechts“, kann dieser Polizist nicht verstehen. Denn es gibt doch allemal Wichtigeres zu bekämpfen als Rechte, „anarchistische Zustände“ zum Beispiel im Görlitzer Park, „No-Go-Areas für die Bevölkerung“, „ganze Gegenden, die nicht mehr zu kontrollieren sind“, „Gegenden im Ruhrgebiet (…), wo arabische Großfamilien und syrische Clans die Führung und die Macht übernommen haben, (…) wo Sozialhilfe und Kindergeld hundert- , tausendfach erschlichen wird (gemeint ist „werden“, TS) und wohin sich eben kein Deutscher mehr traut.“ Kriminalität ist für Ostermann vor allem eine Frage der (schlechten) Herkunft, während die gute, also: seine Herkunft die Achtung vor der Polizei verinnerlicht hat, und das von Kindheit an: „Wir hatten es zwar nicht selten faustdick hinter den Ohren und bauten in diesen Jahren so manchen Mist, aber nie hätten wir es als Jugendliche gewagt, die Anweisungen des Dorfsheriffs zu missachten.“ Dass die Anweisungen des Dorfsheriffs gegen Jugendliche, die nicht aus dem Dorf, aus der „Messdienerschaft“, dem „Jugendtreff, Zeltlager“ oder von den „Pfadfindern“ stammten, evtl. härter ausgefallen wären, wäre ein Gedanke, der einen wie Ostermann evtl. überforderte.
Aber lesen wir weiter in den Ansichten dieses Vertreters einer „aufgeklärten, modernen Polizei“: „Uns Deutschen“ sei zwar „jahrzehntelang ein Schuldkomplex (sic!) eingeimpft“ worden, deswegen könne man aber trotzdem „nicht die ganze Welt retten“. Hört sich das nicht an wie das, was Otto Normalrassist minütlich in die Welt bläst? Bitte keine Vorverurteilung: „Ein falsches Wort und man ist sofort eine Rassist, ein Antifeminist oder ein Sexist (…). Das linke Dogma gilt.“ Nicht für Ostermann, dessen Prosa sich liest wie das ressentimentgeladene Onlinegestammel vom Nazihotspot nebenan: „Männer in Latex gekleidet … biologische Männer in Frauensaunen … christliche Feste umbenannt … für viel Geld eine Ramadan-Beleuchtung“ – all diese immer gerne kolportierten und oft nachweislich falschen Behauptungen wärmt Ostermann auf. Grotesk und unfreiwillig komisch liest sich seine Behauptung, racial profiling sei etwas, das es „bei der Polizei nicht“ gebe, wenn er zugleich beschreibt, dass Bundespolizisten „natürlich im öffentlichen Verkehr in erster Linie verdächtige Menschen, die dem Erscheinungsbild nach zum Beispiel arabisch oder osteuropäisch aussehen“ kontrollieren – also racial Profiling betreiben: Wie anders soll man eine solche Vorgehensweise bezeichnen? Aber Ostermann sieht sich auch dabei als Opfer: Er, der „blond und blauäugig“ sei, werde von Jan Böhmermann herabwürdigt, „weil ich deutsch aussehe“. Soll man erleichtert sein, dass er nicht „arisch“ schreibt?
Ostermann lässt keinen rassistischen Unfug aus: „Die Menschen sind nicht fremdenfeindlich oder rassistisch. Sie sind nur überfordert, fühlen sich überrannt und aus ihrem eigenen Land mit ihrer Kultur verdrängt. (…) Sie wollen keine Wirtschaftsschmarotzer, die nur vorbeikommen, um unser Sozialsystem auszunutzen (…), wollen nur endlich wieder in Frieden leben und sich auf öffentlichen Plätzen unbehelligt aufhalten können (…), sie sehnen sich nach ihrer alten Heimat, nach den Zeiten, als sie (….) sicher ihrer Wege gehen konnten (….), sie wollen keine Scharen von jungen arabischen Männern, die (…) mit ihrem Macho-Gehabe den öffentlichen Raum demonstrativ einnehmen.“ Nur logisch, dass für Ostermann „die seit 2015 andauernde Migrationswelle“ „das mit Abstand größte Sicherheitsproblem“ darstellt, er schwärmt von Zurückweisungen an den Grenzen, prangert das zu hohe „Niveau der Versorgung, der Unterbringung (…) für Migranten“ an, fordert „bundeseigene Abschiebehaftplätze und Gewahrsamszentren“, „besonders gesicherte Ankerzentren Plus“ und keinen „staatlichen Rechtsschutz mehr“, wenn die Abschiebung angekündigt wird, und wer jetzt noch immer nicht weiß, wo dieser „Gewerkschafter“ politisch steht, lese das, was als sein politisches Programm durchgehen könnte: „Nicht mit einer weichspülenden Wokeness, sondern mit starker Hand (…), nicht mit Ausgrenzung und irgendwelchen Brandmauern (…), sondern mit Abbildung des Wählerwillens (…) mit klarer Kante.“ Ostermann ist der law-and-order-Mann einer sich abzeichnenden schwarz-blauen Regierung, Poschardt ist ihr ideologischer Vordenker, den Ostermann dankbar paraphrasiert: „Ohne Sicherheit keine Freiheit und ohne Freiheit keine Demokratie.“ Dass für diejenigen, die als Migranten für alle gesellschaftlichen Übel verantwortlich gemacht werden, weder Sicherheit noch Freiheit garantiert werden, ist Teil ihres politischen Programms. Die Kettensäge ist ohne Knüppel, ohne staatliche Gewalt nicht zu haben. Ideologisch wird der Anarchokapitalismus von einem Rassismus begleitet, der die Affekte auf diejenigen lenken soll, die sich nicht wehren können und zum Objekt der willkürlichen Demütigung werden: „Brot Bett Seife“, mehr sollen Geflüchtete nicht erhalten. Damit befriedigt Ostermann die Ressentiments seiner Anhänger, die der Gedanke quält, es könnte irgendjemandem, dem man das Attribut „illegal“ angehängt hat, nur eine Minute lang nicht schlecht gehen.
In der örtlichen Bibliothek wird „Deutschland ist nicht mehr sicher“ mit dem Sticker „Bestseller“ angeboten, Poschardt schaffte es mit seinem Shitbürgerbuch auf die Spiegel-Bestsellerliste. Beide Bücher entstammen dem Milieu, in dem vermeintlich Konservativ-Liberale offen den Anschluss ans faschistische Milieu suchen: Poschardt, indem er nicht nur von Milei, sondern auch vom AfD-Fan Musk und von Trump und Meloni schwärmt, Ostermann, indem er lieber heute als morgen „irgendwelche Brandmauern“ einreißen möchte. Manulf Poschtermann, der Propagandist von Kettensäge und Knüppel, wäre das Gesicht einer kommenden schwarz-blauen Koalition.