Kunst als politisches Statement

Als Kurator organisiere ich 2021 fünf virtuelle Ausstellungen mit dem Ziel, Kunst als politisches Statement zu positionieren. Jede Ausstellung ist einem Thema gewidmet, zu dem der Kurator einen Essay vorgibt. Die aktuelle Ausstellung – online auf kunstsammler.at und im Print in der Kunstzeitschrift VERNISSAGE 352 – ist dem Thema „Wissen und Schaffen“ gewidmet. Es geht um die Frage, ob Wissenschaft und Kunst in Zeiten wie diesen noch frei schaffen können. Drei Teilnehmer der Ausstellung vereinen Künstler und Wissenschafter in Personalunion: Dr. Gerhard Knolmayer, Dr. Walter Dorsch und Dr. Reinhard Fuchs. Hier ihre Statements:

Dr. Gerhard Knolmayer: Kunstwerke werden fast immer von einem Künstler allein geschaffen, arbeitsteiliges Vorgehen ist eine seltene Ausnahme. Auch in der Wissenschaft waren es über Jahrhunderte hinweg Einzelpersonen, denen entscheidende Fortschritte gelangen. Viele wissenschaftliche Publikationen hatten einen einzigen Autor.

„Industrie 4.0“ ist ein Konzept, bei dessen Realisierung alle Elemente eines Produkterstellungssystems (Menschen, Maschinen, Werkstücke) automatisch miteinander kommunizieren können. Wegen der mit dem Label „4.0“ ver­bundenen Aufmerksamkeitswirkung wurde es in der Folge mit zahlreichen anderen Begriffen dann in Verbindung gebracht, wenn „etwas Neues“ behauptet wurde. Nur selten wurden dabei Vorstufen (wie 2.0, 3.0 oder 3.1) definiert und auf die Vernetzungseigenschaft rekurriert.

Heute wird Wissenschaftlern empfohlen, sie sollten sich zur Förderung ihrer Forschungsaktivitäten (und ihrer Karrieren) großflächig vernetzen. Kaffeepausen auf Tagungen wurden zunehmend als „Gelegenheit zum Networking“ angekündigt. Förderungsinstitutionen fordern in Projektanträgen die Mitwirkung mehrerer Forschungs­einrichtungen; in den europäischen „Horizon-Programmen“ müssen diese aus mindestens 3 verschiede­nen Staaten stammen.

Mit derartigen Projekten ist ein extrem hoher Koordinationsaufwand verbunden. Das „Brooks‘sche Gesetz“ lässt vermuten, dass dieser den Projekterfolg verzögern oder vereiteln kann. Möglicherweise tragen die einzelnen Einrichtungen sehr ungleich zum Projekterfolg bei („Trittbrettfahrereffekt“).

Mittlerweile wurde „Publish or perish“ zu „Publish together or perish“ ergänzt. In manchen Disziplinen hat die Koautorenschaft groteske Ausmaße angenommen. In solchen Fällen ist es unklar, wie relevant der Beitrag der einzelnen Koautoren zur Veröffentlichung ist. Die Forderung nach einer extrem starken Vernetzung, die in meinem Bild dargestellt ist, scheint aus Gründen der Forschungsfreiheit, der Innovationsfähigkeit und wegen des damit verbundenen Bürokratismus fragwürdig.

Bild zur Ausstellung: "Science 4.0 - Networking!", Digital Art, 286 MB [TIFF], Kunstdruck: Größe variabel (zB 50x65 cm), u.a. auf Alu-Dibond, Leinwand, Hahnemühle-Papier. Signierte Auflage limitiert auf 10 Exemplare.

Dr. Gerhard Knolmayer www.kunstsammler.at

Dr. Walter Dorsch: Unser Wissen ist unendlich, unser Unwissen auch.

Ungewissheit treibt viele in die Arme von Lügnern,

so ist jeder in seinen Falschmeldungen gefangen.

Werden die größten Verführer endgültig siegen?

Nicht, solange auch nur eine in den Lagern der Welt

die Freiheit von Kunst und Wissenschaft denkt!

Bilder zur Ausstellung: D4 Digital Natives - Lost in Information, Digital Art.

Dr. Walter Dorsch www.kunstsammler.at

Dr. Reinhard Fuchs: Das Bild „Anthropozän" gliedert sich in vier Epochen der Menschheit: Stein-, Bronze-, Eisen- und Neuzeit. (Der Ausdruck Anthropozän ist ein Vorschlag von Geologen zur Benennung einer neuen geochronologischen Epoche, nämlich des Zeitalters des Menschen mit seinem biologischen, geologischen und atmosphärischen Einfluss auf die gesamte Erde.)

Steinzeit: Seit der frühesten Epoche seiner Geschichte stellt der „Homo sapiens" erste Werkzeuge her und ist kulturell tätig (Höhlenmalereien, Venus von Willendorf).

Bronzezeit: Das erste leistungsfähige Rad ermöglicht das Transportieren schwerer Gegenstände. So können witterungssichere Hüttenbauten entstehen und die Höhlen verlassen werden. Die Himmelsscheibe von Nebra dokumentiert bereits das Wissen über astronomische Phänomene dieser Epoche.

Eisenzeit: Diese ist auf der ganzen Welt durch die Entstehung von Hochkulturen geprägt; als Beispiel sei das römische Reich mit seinen Errungenschaften genannt.

Neuzeit und Jetztzeit: Der rasche Wissensfortschritt führt zur industriellen Revolution und zur heutigen digitalen Umwelt. Offensichtlich zählen nur mehr die künstliche Intelligenz, der Erfolg und der Kommerz.

Resümee: Die Entwicklung vom Jäger und Sammler zum modernen Menschen haben wir nicht verkraftet. Die Basis unseres Daseins wird durch politisches Handeln, Extremismus und Dummheit zerstört. Unsere Hinterlassenschaften in und auf dieser Welt werden in zehntausenden Jahren noch zu spüren sein.

Bild zur Ausstellung: Anthropozän - Zeitalter des Menschen, Lehm, Sand, Acryl, Collage (Eisen, Elektroschrott etc.) auf Leinwand, 124 x 60 cm

Dr. Reinhard Fuchs www.kunstsammler.at

Weitere Statements von KünstlerInnen, die an der Ausstellung "Wissen und Schaffen" teilnehmen.

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