Airbnb und Co. sind der Tod der Gastfreundschaft!

Gestern geisterte eine Meldung durchs Social Web: airbnb-Mieter haben ein komplettes Haus in Kanada verwüstet. Ich muss zugeben, und das wirft jetzt wahrscheinlich kein gutes Licht auf mich: Mich überkam ein kleines Gefühl der Schadenfreude, als ich das gelesen habe.

Seit einigen Jahren ist die Zimmervermittlung airbnb weltweit auf dem Vormarsch. Das Geschäftsmodell: Privatleute vermieten ihre Wohnung an Reisende, wenn sie selber unterwegs sind. So wird es zumindest verkauft – in Wirklichkeit wird massenhaft Wohnraum in City-Lage in de-facto-Ferienwohnungen umgewandelt. Für Vermieter ist das ein gutes Geschäft: Durchschnittlich wird für eine Wohnung auf airbnb 80 Euro pro Nacht berechnet. Wer das auf den Monat hochrechnet, erkennt schnell, dass Vermieter damit auf Summen kommen, die niemand verlangen könnte, wenn er die Wohnung ganz normal und dauerhaft vermieten würde.

So werden aus den Privatleuten schnell Mini-Hoteliers, Ferienwohnungsvermieter. Sie sind also Unternehmer und müssen demzufolge meiner Meinung nach auch damit leben, dass sie eben auch ein unternehmerisches Risiko tragen – das in diesem Fall darin besteht, dass sich Gäste nicht so benehmen, wie sich die Vermieter das gewünscht hätten.

Das Unternehmen airbnb steht in der Diskussion, weil es mit seinem Geschäftsmodell in Großstädten den sowieso schon knappen Wohnraum weiter verknappen. Außerdem bewegen sich die Vermieter rechtlich und steuerlich in einer Grauzone. Das ist aber gar nicht der Punkt auf den ich hier hinaus will.

„Es sind die magischen Momente, die Airbnb ausmachen und die von Gastgebern wie Dir geschaffen werden. Deine Persönlichkeit und die Deiner Unterkunft prägen das Reise-Erlebnis.“ heißt es in feinstem Marketing-Deutsch auf der Website des Unternehmens. Der Gründer des Unternehmes Nathan Blecharczyk schwärmt in Interviews von einer neuen Kultur des Teilens: „Teilen war noch nie so einfach!“.

Mit einem solchen Vokabular will er verstecken, dass es sich bei seinem Projekt natürlich auf ein knallhart kalkulierendes und auf maximalen Profit ausgelegtes Unternehmen handelt. Und genau so handeln auch die Vermieter: Mit Teilen hat das nichts zu tun.

Geteilt im Wortsinne wird auf anderen Internetplattformen, an die ich denken muss, wenn ich diese Worte höre. Und die teilen übrigens schon viel länger - ganz einfach: Couchsurfing, Hospitalityclub und bewelcome zum Beispiel. Hier stellen auch Privatleute Reisenden ihre Wohnung zur Verfügung – und zwar ohne, dass Geld fließt. Die „Gegenleistung“ besteht darin, dass sie jetzt Teil eines Netzwerkes sind, in dem auch sie sich mal in einer fremden Wohnung einquartieren können.

Und noch viel wichtiger: Man lernt sich kennen und schließt neue Freundschaften. Und zwar solche, wo nicht der eine „Freund“ den Anderen für etwas bezahlt, was er eh gerade nicht braucht.

Dieses Phänomen gibt es übrigens nicht nur bei Wohnungen: Aus dem guten, alten Trampen wurde zum Beispiel die kommerzielle Mitfahrgelegenheit oder die Google-Tochter Uber.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin kein agressiver Kapitalismus-Hasser! Ich finde, der Markt hat durchaus seine Berechtigung und regelt sich oft sehr gut selber. Aber in diesem Fall beobachte ich, dass Unternehmen plötzlich anfangen, Leistungen einen Geldwert zuzuschreiben, die bis vor kurzem noch kostenlos erbracht wurden – aus Nächstenliebe oder aus Freude an einem schönen Projekt.

In meinem Freundeskreis kann ich beobachten, dass einige ehemalige Couchsurfer anfangen, sich zu fragen, wieso sie jemanden einfach einladen sollten – wenn sie auch Geld verlangen können. Wenn ich per Anhalter unterwegs bin, fragen mich meine Kumpel, wieso ich nicht einfach eine Mitfahrgelegenheit buche.

Weil ich Lust habe auf einen ehrlichen und ungezwungengen Austausch, auf tolle und selbstlose Gesten und Handlungen: Auf ehrliche Gastfreundschaft. Und genau das wird durch die sogenannte „share economy“ (übrigens ein Marketing-Begriff, der von vielen Medien immer wieder völlig unreflektiert einfach übernommen wird) Stück für Stück zerstört. Und so weicht ein sehr sozialer Teil des Reisens, in dem es noch echte menschliche Wärme gibt, der Kälte des schnellen Euros.

Da muss man sich dann auch nicht wundern, wenn sich „Gäste“ so aufführen, wie das eben auch in Hotels manchmal vorkommt: Es gibt einfach Menschen ohne Benehmen, es gibt Kriminelle und es gibt Betrüger. Der Vermieter ist ein Geschäftsmann – und eben kein Freund. So ist das nunmal im Kapitalismus.

Was haltet ihr von airbnb, Uber und Co.?

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Judith Innreither

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