Die Schönwetterdemokratie der Etablierten

Wer die DDR erlebt und auch hinterfragt hat, und wer auch heute fragt, statt nur hinzunehmen, der mag fast täglich sein Déjà-vu erleben. Die bundesdeutsche Demokratie schien so heimelig und gut zu funktionieren bis AfD, PEGIDA und mehr als eine Million Flüchtlinge auftauchten und eben diese Demokratie auf die Probe stellten. Und die erschreckende Erkenntnis ist: Sie scheint diese Probe keineswegs zu bestehen. Sie scheint nicht mehr als Fassade gewesen zu sein. Eine Schönwetterdemokratie der Etablierten, die jeden niedermacht, der ihr allzu lästig wird.

Da waren die meist friedlichen Proteste gegen die hunderttausendfache Zuwanderung, die sich vor allem in Sachsen regten. SPD-Chef Gabriel hatte nichts besseres zu tun, als alle, die ihre Unzufriedenheit mit dem Agieren der bundesdeutschen Politik kund taten, pauschal als „Pack“ zu bezeichnen, als „braunen Mob“, der „eingesperrt werden muss“. Dieser Vorwurf traf nicht nur die, die wirklich randalierten, er traf alle, die ihr demokratisches Recht auf Meinungsfreiheit wahrnahmen. Er traf und schadete um so mehr, als man von den etablierten Parteien kein Wort hörte, wenn linke Extremisten Anschläge auf Büros der AfD verübten oder in Leipzig und Berlin randalierten.

Längst nicht alle, die nach Deutschland als Flüchtlinge kommen, sind auch wirklich Menschen, die Anspruch auf Asyl haben. Viele von Ihnen vertreten Anschauungen, die nichts mit unseren gemein haben, was man nicht erst seit Köln wissen konnte. Menschen, die dies registrieren und ihre Sorgen gegenüber einer willkommensbesoffenen Politik artikulierten, zu beschimpfen, zeigt erschreckende Demokratiedefizite der deutschen politischen Klasse auf.

Nach den Ereignissen von Köln und den fulminanten Wahlergebnissen der AfD bei den jüngsten Landtagswahlen steuert die Politik – notgedrungen – um. Nur hat sie immer noch nicht verstanden, wo das Problem liegt und wird es wohl auch nicht. Einen wunderbaren Einblick in dieses schräge Denken der etablierten Parteien gab die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, Göring-Eckardt, in einem Interview mit der Welt.

Sie stellt die AfD-Wähler als arme irregeleitete Deppen dar, um die sich die etablierten Parteien kümmern müssen. Sie sagt: „Wir müssen diese Menschen für die Demokratie ... zurückgewinnen.“ Dieser Satz ist entlarvend, denn er zeigt, wo die wahren Defizite liegen, bei Göring-Eckardt und den etablierten Parteien. Wer AfD wählt, ist also kein Demokrat mehr? Mit Verlaub. Die AfD ist eine demokratische Partei, die in demokratischen Wahlen frei gewählt werden kann. Sonst wäre sie verboten. Sie ist keine Untergrundorganisation und keine terroristische Vereinigung. Sie vertritt Positionen, für die vor wenigen Jahren noch CDU/CSU standen. Warum muss, wer sie wählt, für die Demokratie zurückgewonnen werden? Demokrat ist also nur, wer mit Grünen, Linker, SPD, CDU/CSU und FDP auf einer Linie liegt. Parteien, die nach dem Linksruck der Union unter Merkel praktisch nichts mehr unterscheidet. „Wählt die Kandidaten der Nationalen Front“ hieß es in der DDR. Gemeint war die Einheitsliste aus SED und den Blockparteien. Sind wir wieder soweit?

Sehr gut kann man dies derzeit in Sachsen-Anhalt beobachten, wo es für eine „Koalition der Mitte“ CDU, SPD und Grüne braucht, die es dann doch nur auf ein paar Stimmen Mehrheit im Parlament bringt. Die Koalitionsverhandlungen laufen im besten Einvernehmen und im Eiltempo. Gegensätze? Praktisch nicht vorhanden. Der alte und wohl auch neue Ministerpräsident Haseloff wird nicht müde zu betonen, wie viele „Schnittmengen“ es zwischen den drei Parteien gibt. Im Prinzip unterscheiden sie sich kaum noch und selbst wenn die Linke hinzukäme, würde dies noch gelten.

Wo bleibt die Vielfalt der politischen Meinungsbildung? Wo bleibt die Vielfalt der Lösungsansätze für komplizierte Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft? Wo bleibt die Bereitschaft, eingefahrene Denkmuster zu hinterfragen? Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige! Über Deutschland liegt der Mehltau einer von oben verordneten Einheitsmeinung. So hat dieses Land keine Zukunft.

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