Reaktionen auf den Vorschlag des Emirs von Kano zur Regelung der Polygamie

Der Emir von Kano will die Polygamie in Kano mit strengeren Gesetzen regeln, wie hier gestern berichtet. Dieser Vorschlag hat diverse Reaktionen hervorgerufen. Anscheinend löste des Emirs Behauptung, Polygamie führe zu Terrorismus, nicht nur in westlichen Ländern Verwunderung aus. Der Emir hat deshalb klar gestellt, dass er nicht die Polygamie selbst verbieten wolle.

Was der Emir behauptet hat

Der Emir von Kano, Sanusi Lamido Sanusi, hatte vergangenen Montag behauptet, es gebe eine kausale Beziehung zwischen Polygamie und Terrorismus. Der Emir gab nicht an, worauf sich seine Behauptung einer Verbindung zwischen Polygamie und Terrorismus stützt.

Kano ist ein sehr armer Bundesstaat, der vom Ölreichtum Nigerias nicht besonders profitiert. Es gibt dort viele junge Männer ohne Aussichten auf Arbeit und Einkommen, und damit ohne Chance auf Heirat, ohne Lebensperspektive. Laut einer Studie der britischen Royal Society von 2012 gelten sie wegen der Aussichtslosigkeit ihrer Situation als Reservoir für Anwerbungsversuche der Terroristen von Boko Haram.

Ein BBC-Korrespondent bestätigte, dass es in Kano in jedem Ort große Gruppen bettelnder Kinder gebe. Ob es sich dabei immer oder mehrfach um Kinder aus polygamen Ehen handelt, und ob und wie viele davon später als junge Männer Terroristen werden, weiß man jedoch nicht.

Polygamie nur mit genug Geld

Der Emir wollte ein Gesetz vorschlagen, dass es für Männer vor der Heirat obligatorisch machen soll, ausreichende finanzielle Mittel nachzuweisen, um ihre Familie zu versorgen. Das Gesetz ist Teil eines ganzen Maßnahmenpakets, das die traditionell dem Mann untergeordnete Stellung von Frauen in mehreren Bereichen des Eherechts verbessern soll. Insbesondere häusliche Gewalt und Zwangsehe sollen verboten werden. Väter sollen darüber hinaus zu Unterhaltszahlungen verpflichtet werden. Diese Gesetzesintiative muss allerdings durch die Regierung des Bundesstaates Kano aufgenommen werden, um in Kraft zu treten.

Was ist die Motivation für den Vorschlag des Emirs von Kano?

Der erste Bericht über den Vorschlag im nigerianischen Onlinemagazin Punch hatte insbesondere in westlichen Medien Skepsis hervorgerufen. Denn der Emir blieb jeden Beleg für seine Behauptung schuldig.

Möglicherweise ist die Behauptung jedoch ohnehin vor allem eine Art argumentative Finte. Denn sein eigentliches Ziel ist eine Verbesserung der Situation der Frauen, eine Reduzierung von Armut, und die Eindämmung des Terrorismus. Der Weg dahin kann unter anderem über die in Kano üblicherweise für Fragen des Familienrechts zuständigen Sharia Gerichte führen. Diese handhaben die eigentlich schon bestehenden Regeln des Islam oft zu lax.

Mit dem neuen Gesetz würden diese Gerichte einer Prüfung verpflichtet, ob die finanzielle Lage eines Mannes es ihm überhaupt möglich macht, den Regeln des Koran zur Versorgung der Frau zu entsprechen. Wenn die Richter überzeugt wären, dass sie mit dieser Prüfung und ihren Entscheidungen etwas gegen den Terrorismus tun, könnte dies zu einer strengeren Praxis beitragen.

Vielleicht zog der Emir deshalb eine Verbindung zwischen Polygamie, Armut und Terrorismus. Nicht zuletzt kommt der Emir mit dieser Gesetzesintiative auch seinen Pflichten als hoher muslimischer Würdenträger und Sharia-Gelehrter nach, für eine Einhaltung der Regeln des Koran zu sorgen.

Klarstellung des Emirs von Kano

Die Klarstellung des Emirs von Kano selbst vom 21.02. zeigt, dass diese Deutung vermutlich richtig war. Wie der nigerianische Daily Trust berichtet, sagte der Emir sein Vorschlag solle nicht die Polygamie an sich stoppen, sondern Anleitung zur richtigen Umsetzung islamischer Regeln sein: "... not meant to stop Muslims from marrying up to four wives as prescribed by Islam but to give ‘proper’ Islamic guidance on marriage and other family issues."

Zustimmung und Ablehnung bei Frauen

Die Nigerian Tribune berichtet in ihrer Onlineausgabe über Frauen, die den Vorschlag begrüßen. Sie meinen, der Emir wolle nur Muslime dazu bringen, den Regeln des Koran zu folgen. Es sei außerdem eine Schande für Kano, dass es so viele arme Kinder gebe, die in Massen betteln gehen. Was sollten Fremde über das Land denken?

Es gibt auch andere Stimmen, die erklären, warum Frauen sich auf Ehen auch mit armen Männern einlassen. Danach werde jede Ehe von Gott bestimmt, nicht von Menschen. Außerdem gebe es mehr Frauen, als Männer. Wer würde diese Frauen nach einem solchen Gesetz noch heiraten?: “The Emir might not be wrong but yet his statement is demoralizing for women who have yet to meet their future partners. There are many more women than men in the world, who is going to marry them?”

Skepsis wegen Realitätsferne des Emirs

Im nigerianischen Magazin Ynaija.com kritisiert der aus Kano stammende und jetzt in den USA lebende Moses E. Ochonu, Professor für African History an der Vanderbilt University, den Vorschlag des Emirs mit Verwweis auf die afrikanischen Traditionen. Für viele Männer in Kano seien diese wichtiger, als der Islam. Nach diesen Traditionen muss ein Mann Reichtum und Kinder haben, damit er sich selbst als Mann respektieren kann, von anderen respektiert wird, und damit man seiner nach seinem Tod in Würde gedenkt.

Ochonu berichtet von einem Gespräch mit einem armen Verwandten. Diesem hatte er eine Strafpredigt gehalten, weil er trotz Armut weiter heiratete und Kinder in die Welt setzte. Der Verwandte erklärte ihm daraufhin in ruhiger und freundlicher Weise seine Situation und rief ihm diese Traditionen in Erinnerung:

He said essentially that as a man, a man of our ethnic group, there are two things that one aspires to possess in abundance: wealth and children. These two possessions or at least one of them, he said, made one a man. He said he didn’t have money and could never be wealthy, having become too old for wealth to happen to him. All he had left to demonstrate his masculinity in order not to be a failure in life was to have as many children as he could have and to be remembered for being blessed with children when he is gone. He said people like me who “have money” would not understand since we already had the ability to possess the two gold standards of manly success.

Professor Ochonu sieht bei dem Emir von Kano den gleichen Hochmut des reichen und westlich gebildeten Afrikaners gegenüber den armen und ungebildeten Afrikanern, den er selbst vor dem Gespräch mit dem armen Verwandten hatte. Er sei skeptisch, dass der Vorschlag des Emirs die tatsächlichen Probleme seiner Landsleute lösen könne. Zuerst müssten die Vorstellungen der Menschen sich ändern, was einen erfolgreichen Mann ausmache.

Dieser Artikel erschien bereits in anderer Form bei Polygamie-ist-gut-für-Sie

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