Die Geschichte vom feuchten Reinigungstuch

Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann

Das bisschen Haushalt kann so schlimm nicht sein, sagt mein Mann

Wie eine Frau sich überhaupt beklagen kann,

ist unbegreiflich, sagt mein Mann

-Johanna von Koczian, „Das bisschen Haushalt“, 1977

Wenn man ankündigt, jemanden mit dem nassen Fetzen davonjagen zu wollen, ist es meist eine leere Drohung. Nur in den seltensten Fällen greift man tatsächlich zum feuchten Reinigungstuch, um eine unerquickliche Person gestenreich zu vergrämen. Das Nasse-Fetzen-Textil-Bild passt aber thematisch zu gut zu folgender Geschichte, um es nicht zu verwenden. Es geht um die bunte Welt der Putzbehelfe. Genauer gesagt um Vileda. Das deutsche Traditions-Unternehmen Freudenberg, das unter der Marke Vileda Reinigungs-Utensilien herstellt, ließ unlängst eine Pressemitteilung aussenden, in der ein neues Produkt beworben wurde. Konkret ging es um eine Art Handstaubsauger, der auch Wasser entfernen kann. Sicher praktisch, aber das Produkt selbst ist für den Verlauf der weiteren Geschichte eigentlich egal. Nicht egal hingegen ist der Inhalt.

Wörtlich tischten die Vileda-Formulierungskünstler folgenden launigen Einstieg auf: „Weihnachtszeit ist nicht für alle die schönste Zeit, denn für die meisten Frauen bedeutet Weihnachten: putzen, putzen und nochmals putzen. Zuerst muss die Wohnung auf Hochglanz poliert werden, sodass der Heilige Abend im Glanze erstrahlt, danach muss abermals geputzt werden, denn eine große Familienfeier bedeutet auch, dass es einiges an Schmutz und Flecken gibt. Zu gut, dass es von Vileda praktische Putzgefährten gibt, die einem das Leben etwas leichter machen.“

Putzen ist gemäß Vileda-Weltbild also offenbar reine Frauensache. Und der ideale „Putzgefährte“ der Frau ist nicht etwa ihr Partner, sondern ein Staubsauger. Denn eine anständige Frau putzt alleine. Und zwar von früh bist spät. Zumindest zu Weihnachten. Denn da wollen es doch gerade Frauen besonders schön haben, oder?

Von wegen das bisschen Haushalt: Putzen, putzen und nochmals putzen! So zumindest sehen es die verstaubten Marketing-Experten für Sauberkeit. Zur Erinnerung: Im Unterschied zum hier transportierten Weltbild stammt der zitierte PR-Text nicht aus dem 19., sondern aus dem frühen 21. Jahrhundert: Konkret wurde das Putz-Dekret im Dezember 2014 ausgesandt. Pikanterweise von zwei Damen der PR-Agentur von Vileda. Und bevor die Frage kommt: Ja, mir ist schon klar, dass Frauen immer noch die Hauptzielgruppe von Vileda-Produkten ausmachen. Umso schlimmer! Muss man seine Käuferinnen deshalb taxfrei als staubwedelnde, putzwütige und poliersüchtige Superhausfrauen von Vorvorgestern porträtieren? Als Experte für Schmutzentfernung sollten sich die Vileda-Macher schleunigst darüber Gedanken machen, wie sie diese frauenfeindlichen Flecken wieder entfernen. Ansonsten werden sie noch von ihrer Zielgruppe zum Putzteufel gejagt. Und zwar praktischerweise mit einem anderen Produkt aus dem Hause Vileda – dem nassen Fetzen.

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fischundfleisch

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Silvia Jelincic

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