Der Wunsch nach einer einfacheren Welt

Die Welt ist unübersichtlich und niemand versteht was wirklich gerade vor sich geht. Es ist eine gängige Meinung, dass das ein Symptom der Moderne ist aber in Wahrheit war es in der Steinzeit nicht anders. Was sich geändert hat ist was wir nicht verstehen.

Seitdem Menschen sich Gedanken über die Welt machen haben wir dieses beklemmende Gefühl, dass wir nicht genau wissen was wir tun sollen, was das Beste, was das Richtige ist. Unsere Vorfahren erfanden daher Schablonen: Gesetze, Religionen, Moral, Kultur. Der Vorteil an diesen Schablonen war, dass man die Welt nicht verstehen musste um „das Richtige“ zu tun.

Man wendete einfach die Schablonen an, man tat „was man eben tut“ und lag damit nicht falsch, man hielt sich ja an Moral, Gesetz und oder an die Religion.

Das Problem ist aber, dass die Schablonen nicht so wirklich in die Welt passen, vor allem wenn die Welt sich ändert. Die alten Regeln des Stammeswesens der Jäger und Sammler funktionierten nicht mehr in der Welt des Pfluges. Also änderten sich die Regeln, die Gesetze und die Religion.

Der einstmals heilige Auerochse wurde in der neuen Welt ein Nutztier, dafür nahm das Samenkorn und der Hirte plötzlich einen zentralen Platz in der Deutung der Welt ein.

Mit jeder technologischen Änderung änderten sich die Schablonen aber die Welt wurde nie einfacher, die Notwendigkeit für Schablonen blieb.

Und hier ist der Kicker: Nicht jeder braucht diese Schablonen.

Menschen die bereit sind sich mit der Welt „wie sie ist“ auseinanderzusetzen und dabei akzeptieren, dass sie manche Dinge nicht verstehen werden, gleichzeitig aber einen Teil der Welt sehr genau unter die Lupe zu nehmen und dann mit diesem Teil der Welt anders zu interagieren als die Schablonen diktieren können natürlich scheitern aber ihre Chance Erfolg zu haben ist deutlich größer als die jener Menschen die sich an die Dogmen der Mehrheitsgesellschaft halten.

Die erfolgreichsten Menschen sind daher immer Sonderlinge die sich nicht brav an die Regeln der Mehrheitsgesellschaft halten.

Das führt nicht selten zur Verachtung. Der Mitläufer fragt sich warum er, der sich immer an die Regeln hält und immer tut was ihm gesagt wird, keinen Erfolg hat und der Ketzer/Sonderling/Freak so viel besser lebt.

Diese Menschen sind üblicherweise dem Konzept der Autoritären sehr zugetan, also der Idee, dass da jemand ist der alle dazu zwingt nach exakt den gleichen Regeln zu spielen. Diese Idee manifestiert sich in Gottesstaaten, faschistischen Systemen, kommunistischen Systemen und der Gleichen.

Die alternative Idee ist diese Schablonen zu entmachten und die Bevölkerung zu motivieren „zu tun was funktioniert“. Die Idee basiert ihrerseits auf der Idee, dass Menschen durch ihre Handlungen ihre eigene Situation verbessern oder verschlechtern können und auch die Situation der Gesellschaft verbessern und verschlechtern können.

Ein System das es schafft jene zu belohnen die die Situation der anderen zu verbessern ohne sich dabei selber umzubringen nach oben zu schieben und gleichzeitig jene die die Situation der Anderen verschlechtern nach unten zu bringen würde dann in der Theorie die moralisch, religiösen und juristischen Schablonen sowie Führung nutzlos machen.

Der Modus um das zu erreichen ist der freie Handel. Diese Form von Handel ist definiert durch die Idee, dass beide Seiten zustimmen müssen und daher per Definition für beide Seiten wünschenswert ist. Jede Transaktion ist eine Win-Win Situation, auch wenn manchmal der Gewinn für eine Seite höher ist als für die Andere.

Das Problem am Kapitalismus ist aber, dass er die Komplexität der Welt nicht reduziert, im Gegenteil: er entreißt dem Durchschnittsbürger seine Schablonen und wirft sie ins Feuer.

Die resultierende Reaktion ist verständlich.

Ich erinnere mich an ein Interview von einer Frau die erzählte, dass sie von Punk zu Islam wechselte. Sie wurde Punk, weil sie gegen den Kapitalismus war, weil sie das Gefühl hatte, dass sie dort keinen Sinn im Leben hatte, nur Produzent und Konsument war, als Moslem hingegen hatte sie plötzlich einen klar definierten Platz, klar definierte Aufgaben, klar definierte Pflichten und ein klar definiertes Lebensziel.

Ein anekdotisches Beispiel war meine Zeit in der ehemaligen DDR. Vor allem die Alten beklagten die Auswahl in den Supermärkten. 30 Ketchups und die Frage welches Fleisch man kaufen soll. Kauft man Bio? Kauft man billig? Kauft man lokal? Wenn man das billige Fleisch kauft spart man Geld aber dafür kann man nicht sagen, dass man Bio kauft. Jede Kaufentscheidung zieht also einen Rattenschwanz nach sich den es nicht gibt, wenn es nur eine Sorte Ketchup und Rindfleisch gibt.

Und dieser Einfachheit wurde nachgetrauert.

Ich denke der Grund warum der Kapitalismus sich nicht wirklich durchsetzt ist, dass er in seinem Kern die Antithese gegen die Schablonen ist, die meisten Menschen aber von genau diesen Anleitungen abhängig sind. Es darf nicht verwundern, dass die Buchläden in der freien Marktwirtschaft zur Hälfte mit Ratgebern gefüllt sind die Verhaltenskochrezepte verkaufen die allesamt nicht zu Erfolg führen.

Kapitalismus kann nur in einer Gesellschaft funktionieren die aus Menschen besteht die bereit sind das Chaos nicht zu fürchten, sondern jedes Problem als Chance zu sehen. Die kapitalistische Gesellschaft ist also eine Gesellschaft der Mutigen, eine Gesellschaft jener die die Urängste unserer Vorfahren hinter sich gelassen hat.

Leider sind wir davon weit weg, nicht zuletzt weil die Autoritären ein Schreckgespenst nach dem anderen durch unsere Straßen tragen und die Bevölkerung in Windes Eile Anthrax und Ozonloch vergessen und vor den Dingen Angst zu haben „vor denen man eben jetzt Angst hat“.

Das Problem am Kapitalismus ist nicht, dass nicht jeder Erfolg hat, nicht jeder reich wird. Das Problem am Kapitalismus ist, dass er verängstigten Menschen ihre Kuscheltiere wegnimmt aber gleichzeitig nicht verhindert, dass Menschen Ängste schüren um dann Kapital damit zu verdienen den Menschen neue tröstende Kuscheltiere zu verkaufen.

Das Problem ist Angst. Die Lösung ist aber eben nicht mehr Schablonen und Kuscheltiere, nicht Trost oder Sicherheit. Die Lösung ist eine Kultur des Mutes zu fördern und die Angstmacher zu ignorieren.

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