Nord Stream – das übersehene Szenario

Das halbe Internet spekuliert darüber, wer Nord Stream gesprengt hat. Die meisten Ideen sind recht offensichtlich und diese Offensichtlichkeit richtet das Licht auf den Westen.

Vor allem auf die USA. Denn „was hätte Russland schon davon, die eigene Infrastruktur zu sprengen?“ Und die Antwort ist: verflixt wenig.

Man kann die Frage aber auch anders stellen: "was hat Putin davon?" Und diese Antwort ist erstaunlicherweise: verflixt viel.

Krieg ist Politik mit anderen Mitteln und am Ende des Tages geht es darum, mehr zu bekommen als man investiert hat. Krieg ist ein Projekt und dieses Projekt muss sich irgendwann auszahlen, sonst macht man es nicht. Die Rendite ist aber nicht für alle gleich. Parteien, Personen und das Volk profitieren unterschiedlich von solchen Projekten und üblicherweise profitieren alle Akteure im Staat mehr als das Volk.

Einer dieser Akteure ist Putin und Putin will vor allem eines: nicht weggeputscht zu werden.

Putin zu putschen ist selbst in der besten aller Lagen schwierig, dazu hat er viel zu strategisch loyale Personen positioniert. Wer auch immer ihn putschen möchte, hätte aber nun mit dem Slogan „zurück zum Normal, wenn Putin weg ist“ eine Menge Überzeugungsgewalt auf seiner Seite.

Diese Option ist jetzt vom Tisch.

Auch wenn Putin weg ist, kann Deutschland nicht Gas wie früher kaufen, nicht einmal, wenn ein prowestlicher Steuermann ans Ruder des russischen Staats kommen würde (der dann die Erlöse verwenden könnte, um sich Loyalität zu sichern).

Auch ein Putsch muss sich auszahlen und die Rendite eines Putsches war vor der Explosion signifikant höher als jetzt.

Das reduziert die Gefahr für Putin seinen Kopf zu verlieren und aus Sicht einer Person wie Putin ist das schon 30 Milliarden wert.

War es also Putin? Schwer zu sagen, aber die Option ist in etwa so glaubwürdig wie die Idee, dass die USA defacto deutsche Infrastruktur sprengt, wenn nicht plausibler.

Wer es „wirklich“ war, werden wir vermutlich nie wissen, denn die Geschichte schreibt am Ende nicht die Wahrheit, sondern der Gewinner und im Falle einer zersplitterten Welt (in der beide sich als Sieger bezeichnen) werden wir es wohl eine Zeit lang mit zumindest zwei Wahrheiten zu tun haben, die sehr unterschiedlich klingen.

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bianka.thon

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Matt Elger

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