In einer Kapitalismuskritik die ich mir kürzlich angehört habe ist mir aufgefallen, dass der Autor sehr bewusst auf die Unterscheidung von Kapitalismus und Konsumkapitalismus geachtet hat. Das ist für mich eher neu, neigen Kapitalismuskritiker doch vorwiegend hier bewusst keine Unterscheidung zu treffen sondern wenn möglich vieles in einen Topf zu werfen. Leider finde ich den Podcast nicht mehr und muss so den Namen des Autos schuldig bleiben.

Um hier zu definieren was der Unterschied zwischen den Dingen sei:

Kapitalismus sei, dem Autor nach, hierbei eine Form von Ressourcenverteilung in der die Leute mit den Ressourcen untereinander tauschen. Dieser Tausch nenne sich Handel und Handel passiert nur wenn er für beide Seiten profitabel ist. (Anmerkung: Das führt üblicherweise zu Win-Win Situationen).

Er steht damit Systemen entgegen in denen eine dritte Partei definiert wer etwas haben darf, also Sozialismus, totalitäre Monarchie, etc.

Konsumkapitalismus hingegen sei eine Entartung in der man nicht mehr konsumiert was man braucht, sondern des Konsums wegen konsumiert. Das führe oftmals zu Situationen die nicht sonderlich nützlich seien.

Das Argument hat etwas für sich, weil es anerkennt, dass Kapitalismus als Modus zur Ressourcenverteilung sehr gut ist, aber die Entartung zur blinden Konsumation ein echtes Problem darstellt.

Ein Beispiel das ich selber gerne vorbringe ist meine felsenfeste Überzeugung, dass unsere Enkelkinder, völlig zu Recht, fragen werden ob es nötig war 80kg Mensch mit einer Tonne Auto in die Arbeit zu führen. Das macht ja keinen Sinn. Die meiste Energie wird vernichtet um das Gerät, das uns transportieren soll, zu transportieren. Mit dem SUV in die Arbeit zu fahren ist absurd, vor allem in einer Stadt wo jedes Mäuseloch öffentlich erreichbar ist.

Der SUV ist einfach nur eitles Konsumgut und wir vernichten absurde Mengen Energie für diese Eitelkeit. Und die Kritik unserer Enkel ist einer der Kosten für besagte Eitelkeit.

Die Kritik des Podcasters verrennt sich dann rasch in einer Kritik an der Gier. Konsumkapitalismus sei das Resultat von organisierter Gier, man würde Menschen ständig zeigen was sie nicht haben, etwa durch Werbung, und damit die Gier kitzeln. Gier selber sei ein evolutionärer Impuls "mehr zu nehmen als man braucht". Was Sinn macht, weil „mehr zu nehmen als man braucht“ schlicht krisensicherer ist als „gerade genug“ zu haben.

Denn: "Genung" ist in der Krise zuwenig.

Menschen die „genügend“ haben überleben eine Krise schlechter als jene die gierig sind und mehr haben als sie brauchen. Damals, heute und vermutlich bis in alle Zeiten.

Hier bricht dann die Idee der scharfen Trennung zwischen Konsumkapitalismus und Kapitalismus in sich zusammen.

Um Handeln zu können muss man mehr haben als man braucht und um mehr zu haben als man braucht muss man mehr gemacht haben oder mehr genommen haben als man braucht. Man hat nur Beeren zum tauschen wenn man mehr gepflückt hat als man braucht, wenn man gierig war.

Handel ist also nur möglich, wenn zwei Seiten mehr von etwas haben als sie brauchen. Ohne diesen Überschuss kann es keinen Handel geben. Ohne diesen Überschuss kann man aber eben auch keine Krisen bewältigen. Man hat entweder zu viel oder man hat zu wenig. Überschüsse werden zum Teil gebunkert und zum Teil gehandelt.

Gier ist eine tief in uns einprogrammierte Neigung für eine Krise zu planen, ohne wirklich zu planen. Das Eichhörnchen denkt nicht über die Wahrscheinlichkeit eines langen Winters aufgrund des Sonnenjahrs nach. Es bunkert einfach mehr Nüsse als es braucht. Fertig. Die Gier des Eichhörnchens ermöglicht ihm die Krise zu überleben.

Ich möchte dem Autor aber zustimmen, dass unser Lifestyle entartet ist. Er sagt korrekterweise, dass wir aufgehört haben Menschen zu lieben und Dinge zu benutzen. Stattdessen nutzen wir Menschen und lieben Dinge. Wir konsumieren Menschen und Beziehungen, weil wir nach Dingen gieren die absolut nichts bringen. Menschen opfern Freundschaften für Likes auf Facebook. Das ist absurd. Damit hat er recht.

Er schlussfolgert, dass die Lösung eine Abkehr von der Gier sein müsste. Das aber halte ich für unmöglich.

Ich denke die Lösung ist schlicht aufzuhören Dinge zu konsumieren die man nicht braucht um Menschen zu gefallen die man nicht mag.

Die Lösung wäre mehr Selbstwert, ein stärkerer Fokus auf das Ich anstatt der Frage wie man in die restliche Gesellschaft passt, was man anziehen muss um zu gefallen, was man sagen muss um akzeptiert zu werden usw. Mehr Ich, weniger Mit- und Nachlaufen.

Am Ende des Tages sind beide Ansätze aber illusorisch.

Fakt ist dass wir sind wo wir sind nicht weil „die Reichen“ oder „die Illuminaten“ oder „das Patriarchat“ eine Gesellschaft am Reißbrett entworfen und uns dann aufgezwungen hat, sondern weil alles um uns ein direkte Resultat unserer Instinkte ist.

Gier ist keine Schwäche die es zu überwinden gilt.

Gier ist ein Impuls der in jedem Lebewesen steckt das fähig ist eine Mangelphase zu überdauern.

Übertreiben wir es? Ja. Keine Frage. Aber in jedem anderen System hätten wir den gleichen Drang es auf die gleiche Weise zu übertreiben. In jedem System fressen sich jene die näher am Trog sind fetter als sie sein müssten, ohne Rücksicht auf jene die deswegen verhungern werden. Die Führer hungernder sozialistischer Staaten sind fast immer dick.

Wäre es schön, wenn es anders wäre? Natürlich. Es wäre auch schön, wenn ich schweben oder zaubern könnte, aber solange wir in einer Welt leben in der Mangel ein Thema ist, wird Gier ein Thema sein.

Die einzige Möglichkeit die Gier, und damit die Konsumation und auch den Kapitalismus zu überwinden, bestünde also darin den Mangel auszuschalten. Das ist aber nur möglich, wenn wir einen Weg finden wie jeder von uns mehr hat als er jemals brauchen kann, ohne dafür einen Finger zu krümmen.

Ist das Machbar? Möglicherweise.

Ist es hingegen möglich die Gier aus unseren Köpfen zu bekommen? Nein. Das ist in der Welt in der wir leben völlig unmöglich.

Eine Welt ohne Gier ist eine Welt ohne Überschüsse, ohne Reserven, ohne Handel, ohne Austausch. Am Ende führt sie zu einer Welt der asozialen Einsiedler, denn genau die Abhängigkeit voneinander hat uns zu der hypersozialen Spezies gemacht die wir sind, eine Spezies in der Tausende Menschen die sich nicht leiden können zusammenarbeiten um ein Ding zu machen das so unvorstellbar komplex ist dass niemand es wirklich versteht.

Ich finde das erstaunlich.

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SusiK

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