Nordkorea? Atomvertrag mit dem Iran? Handelskrieg mit China? Das war gestern in den USA. Seit Dienstag ist es Roseanne, die Schauspielerin der gleichnamigen Serie. Innerhalb von Stunden stoppte der Sender ABC des Disney-Konzerns die Produktion neuer Staffeln der wieder aufgenommenen Serie, warf die Agentur ICM ihre Klientin hinaus, strichen andere Sender die Ausstrahlung alter Folgen.

Was war passiert. Roseanne Barr, eine Verehrerin von US-Präsident Donald Trump, hatte auf Twitter gepostet: „Wenn die Moslembruderschaft und der Planet der Affen ein Baby hätten – vj“ VJ steht für Valerie Jarett, eine ehemalige Spitzenberaterin Barak Obamas. Später entschuldigte sich Barr dafür und behauptete, nicht gewusst zu haben, dass Jarett Afro-Amerikanerin ist.

ABC ließ wissen, dass Roseannes Twitter Nachricht „abstoßend, widerlich und im Widerspruch zu unseren Werten“ sei. Seither wird in den US-Medien jeweils darauf hingewiesen, dass der Sender gewusst haben muss, wie rassistisch, frauenfeindlich und antisemitisch sich die Schauspielerin in der Vergangenheit immer wieder geäußert habe. Sie gilt als konservative Anhängerin von Verschwörungstheorien jeder Art. Sie setzt ihre Popularität hemmungslos für skandalöse Sager auf Twitter ein – wie Trump eben auch. So verbreitete sie etwa, dass Chelsea Clinton, die Tochter von Bill und Hilary, in die Familie des ungarischstämmigen US-Milliadär George Soros eingeheiratet habe.

Das alles musste, so die Medienkritik in den USA, dem Sender bewusst gewesen sein, bevor er in einer groß angelegten Werbekampagne die Wiederaufnahme der Serie für Herbst propagierte. Und tatsächlich zählten die ersten Sendungen – als Vorboten sozusagen – in letzter Zeit zu den populärsten aller TV-Sender. Warum der Sender jetzt dennoch „Genug ist genug“ sagt, dürfte mit den Werbeaufträgen für die Serie zu tun haben. Immer häufiger stornieren amerikanische Firmen ihre Buchungen, wenn es in einer Sendung zu menschenverachtenden Ausfällen kommt. Das musste in letzter Zeit sogar der erzkonservative Sender FOX News zur Kenntnis nehmen, der serienweise Werbekunden verlor, nachdem sich Laura Ingraham über den Studenten David Hogg der Parkland High School in Florida nach der Massenschießerei dort lustig gemacht hatte.

Nun also Roseanne! Der entscheidende Punkt hier ist, dass Bösartigkeiten dieser Art in einer Gesellschaft möglich werden, in der Menschenverachtung, Rassismus, Frauenfeindlichkeit das neue Normale sind. Valerie Jarett sprach das in einer Reaktion auf Roseannes Twitter Nachricht selbst in einer TV-Show an. Es ginge nicht um sie, sondern um all jene Menschen in den USA, die immer häufiger Opfer von Alltagsrassismus werden.

Tatsächlich kommt es zu Vorfällen, die in dieser Art noch vor einiger Zeit undenkbar waren:

Eine weiße Studentin ruft die Polizei, weil eine afro-amerikanische junge Frau an der Eliteuniversität Yale im Gemeinschaftsraum ihres Wohnheims schlief. Diese hätte dort nichts verloren. Die schlafende Studentin musste sich der Polizei als Yale-Mitglied ausweisen.

Nachbarn in einer überwiegend weißen Wohngegend riefen die Polizei, weil eine Gruppe von nicht-weißen Jugendlichen mit Koffern ein Haus verließen. Sie hatten es gemietet.

Ein ehemaliger afro-amerikanischer Mitarbeit der Obama-Administration stand in einem Wohnhaus in Manhattan plötzlich der Polizei gegenüber als er seine neue Wohnung beziehen wollte.

Die Geschichte der Starbucks-Kette ist um die Welt gegangen: Eine Gruppe afro-amerikanischer Kunden wurde gewaltsam von der herbeigerufenen Polizei aus dem Lokal entfernt. In einem Akt der Schadensbegrenzung verdonnerte die Firma alle Angestellten zu einem Trainingstag in angemessenem Umgang mit Kunden.

Im Supermarkt, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, im Straßenverkehr kommt es immer häufiger zu rassistischen, xenophoben, antimoslemischen Ausfällen von weißen Durchschnittamerikanern.

Es ist nicht die Frage, woher dieser Rassismus kommt. Niemand bezweifelt, dass er immer da war und die Obama-Administration wenig getan hat, um ihn einzudämmen. Die Frage ist, warum fühlen sich seit der Wahl Trumps 2016 immer mehr Menschen dazu berechtigt, ihren bösartigsten Instinkten freien Lauf zu lassen?

Die Antwort ist einfach: Weil Trump sie ermächtigt. Kurioserweise trat Donald Trump am gleichen Tag wie Roseannes Rauswurf bei einer seiner Massenkundgebungen in Tennessee den Beweis an: Wieder nannte er Menschen „Tiere“. Schon vor einigen Wochen hatte es heftigen Protest gegeben, nachdem er in Sitzung das Wort schon verwendet hatte. Damals war es unklar, ob er Mitglieder der gefährlichen Bande MS-13 oder alle illegalen Migranten so bezeichnet hatte. Jedenfalls wiederholte er es am Dienstag vor Zehntausenden.

Wer aber glaubt, diese Lizenz zur Gemeinheit werden nur in den USA ausgestellt und gehe Europa nichts an, sollte sich aufmerksam umhören. Wenn es in der Herabwürdigung der „anderen“ keine Grenzen mehr gibt, geht Humanität verloren. Wenn Anstand im Ungang mit „anderen“ fortgesetzt als Gutmenschentum verächtlich gemacht wird, sinkt die Hemmschwelle auf ein gefährliches Niveau.

Irgendwann reicht’s dann! Hoffentlich!

Leah Mark - Flickr https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

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