Weiß Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) was er da laut Interviews am Sonntag redet? Wenn ja, dann gibt es drei Möglichkeiten: Entweder er ist unvollständig informiert oder er informiert absichtlich falsch oder er bewundert bewusst das zynische Modell Australiens zur Abschreckung von Flüchtlingen. Alle drei Varianten sind für einen österreichischen Außenminister eher erschreckend.

Kurz preist die Insellösung mit Hilfe des Pazifikstaates Nauru als Vorbild an. Sie ist in der Tat so wirkungsvoll wie zynisch und menschen(rechts)verachtend. Vor kurzem schilderte bei einem Besuch in der Region ein europäischer Kenner der Situation, der die Insel besucht hat, die Lage so: Auf der Insel mit 10.000 Einwohnern sind 1.500 Flüchtlinge vornehmlich aus Afghanistan etc. untergebracht. Manche von ihnen greifen aus Verzweiflung über das Leben auf der Koralleninsel mitten im Pazifik zu Selbstverstümmelungen und machen davon Bilder, die sie versenden – in der Hoffnung, internationale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Laut australischer Verwaltung erreichen sie das Gegenteil und unterstreichen ob ihrer abschreckenden Wirkung die Absicht Australiens: Je mehr solcher Bilder versendet werden, desto weniger Flüchtlinge werden den Weg nach Australien suchen!

Vorbild für Europa, Herr Kurz? Das hatte im Vorjahr der konservative Ministerpräsident Tony Abbott auch der EU empfohlen. Man dachte an einen schlechten Scherz. Abbott wurde zwar von seinen eigenen Parteifreunden in der Zwischenzeit gestürzt, an der Flüchtlingspolitik hat sich nichts geändert.

Deren „Grundprinzipe“ will Kurz offenbar als „best practice“ in Europa übernehmen: Eines davon ist nicht, wie Kurz eher verharmlosend meint, die Menschen, die über das Meer kommen, mit Militärschiffen in ihre Heimatländer zurück zu bringen. Denn die australische Marine schleppte und schleppt die Flüchtlingsboote aufs offene Meer zurück, wo sie ihrem Schicksal überlassen werden. Tausende Menschen sind ertrunken. Schon bei der Flüchtlingswelle aus Asien war das Australiens „bewährte“ Methode.

Bei dem oben erwähnten Besuch vor einigen Wochen war die Frage, mit welchem Gefühl denn die Marinesoldaten die Boote aufs offene Meer drängen, im Wissen, die Menschen werden dort umkommen, ein häufig diskutiertes Thema.

Vorbild für Europa, Herr Kurz? Konzentrationslager für Flüchtlinge mitten in Wüstengebieten am Festland in den letzten Jahren, in denen es immer wieder zu Aufständen und Selbstverbrennungen kam, Vorbild für den Vertreter einer christdemokratischen Partei? Abschieben von Flüchtlingen gegen Geld nach Papua Neuguinea? Im ehemaligen australischen Protektorat beginnt sich die Bevölkerung zu wehren. Wenn es dort zur massiven Gegenbewegung der Einwohner kommt, sind die Überlebenschancen gering. Vorbild?

In einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ von Sonntag finden sich ein paar hilfreiche Informationen für den österreichischen Außenminister, die seine Vorliebe für „Abschreckung“ etwas relativieren sollten. Unter dem Titel „Gericht stoppt Flüchtlingstransport nach Papua Neuguinea“ heißt es: „Die Richter entsprachen einer Eingabe von Menschenrechts-Juristen, die sich gegen den Transport der Menschen zu dem Inselstaat nord-westlich von Australien wandten. Von dort sollten die Bootsflüchtlinge weitertransportiert werden. Neuseeland und die Pazifikrepublik Nauru hatten sich bereit erklärt, die zumeist aus Afghanistan und Sri Lanka stammenden Menschen aufzunehmen. Australien verweigert ihnen dagegen strikt, die zu seinem Territorium gehörende Weihnachtsinsel zu betreten.” http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft

Gut, das war erst diesen Sonntag. Den Bericht der „Presse“ vom April dieses Jahres hätte aber jemand dem Außenminister schon vorlegen können bevor er das „australische Modell“ anpreist: „Gericht erklärt australisches Flüchtlingslager für illegal“. http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik

Von den drei eingangs genannten Varianten wäre die der unvollständigen Information noch am wenigsten abschreckend. Aber bei einen Außenminister und Christdemokraten in dieser sensiblen Situation auch nicht wirklich beruhigend.

Ailura/own work – Wipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Sebastian_Kurz#/media/File:WahlNÖ2013_Sebastian_Kurz_4963.JPG

21
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
4 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Jake Ehrhardt

Jake Ehrhardt bewertete diesen Eintrag 07.06.2017 11:05:44

Roman Valent

Roman Valent bewertete diesen Eintrag 07.06.2017 10:03:42

Aron Sperber

Aron Sperber bewertete diesen Eintrag 06.06.2017 11:45:45

hagerhard

hagerhard bewertete diesen Eintrag 05.06.2017 17:24:49

Schoko

Schoko bewertete diesen Eintrag 07.06.2016 19:27:14

Farblos

Farblos bewertete diesen Eintrag 07.06.2016 16:48:02

Charlotte

Charlotte bewertete diesen Eintrag 06.06.2016 15:46:21

Susannah Winter

Susannah Winter bewertete diesen Eintrag 06.06.2016 14:27:15

Wolfgang Fürst

Wolfgang Fürst bewertete diesen Eintrag 06.06.2016 11:31:30

rtrovie

rtrovie bewertete diesen Eintrag 06.06.2016 11:07:31

Tepes

Tepes bewertete diesen Eintrag 06.06.2016 02:09:29

Schoppernau

Schoppernau bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 22:55:08

Greifenau

Greifenau bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 22:31:08

Erkrath

Erkrath bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 22:18:03

Daniela Noitz

Daniela Noitz bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 19:40:20

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 17:57:16

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 14:46:57

denkerdesnutzlosen

denkerdesnutzlosen bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 13:52:16

Roland_1969

Roland_1969 bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 13:31:28

Philodavid

Philodavid bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 13:12:29

Livia

Livia bewertete diesen Eintrag 05.06.2016 11:50:04

303 Kommentare

Mehr von Anneliese Rohrer