"Es sind schon Hausherren gestorben", ist als Wiener Volksweisheit bekannt. Die Betonung liegt auf Weisheit. Denn der Satz bedeutet, dass weder Macht, noch Beliebtheit, noch angemaßte oder zugeschriebene „Größe“ vor Abstieg und Verlust schützen. Der Satz wird immer dann zitiert, wenn es einen Mächtigen oder Erfolgreichen entgegen allen Erwartungen dann doch „erwischt“.

Jetzt gilt der Satz also auch in St. Pölten. Landeshauptmann Erwin Pröll hat absolut recht: Man sollte erkennen, wann es Zeit ist, zu gehen. Es war Zeit. Er wird sich wahrscheinlich wünschen, dass er diese Erkenntnis unter anderen Umständen, gewohnt selbstherrlichen, verkünden hätte können. Ob die Enthüllungen zu der Pröll-Privatstiftung nun den Ausschlag gegeben haben oder nicht, es bleibt ein wirklich schaler Geschmack zurück. Pröll wird den Zusammenhang noch so oft dementieren wollen, vielleicht auch noch den Rechnungshof anzweifeln oder – wie bei der Hypo-Niederösterreich – beschimpfen können, sein Abgang wird mit den dubiosen Vorgängen rund um die Privatstiftung in Verbindung bleiben.

In diesem Zusammenhang muss aber auch künftig das berühmt-berüchtigte „System Pröll“ in Niederösterreich diskutiert werden, denn die Zuweisungen an Steuergeld, tatsächlich oder mittels Vorratsbeschluss, wären ohne ein Totalversagen der Kontrolle der Opposition nie und nimmer möglich gewesen. Sie trifft die Verantwortung dafür wahrscheinlich in noch größerem – und für die Demokratie noch bedeutenderen – Ausmaß.

Jetzt wird wieder viel von der Götterdämmerung geschrieben werden. Tatsächlich aber ist es für die demokratiepolitische Hygiene in diesem Land wichtig, dass es wenigstens unmittelbar vor dem vorhersehbaren Ende der Pröll-Herrschaft jemanden gegeben hat, der sich spät, aber doch, an den Wert von Zivilcourage erinnert und dem „Falter“ relevante Aufzeichnungen übergeben hat.

Es wird aber auch noch über den Versuch der Einschüchterung zu reden sein. Von Pröll und Wolfgang Sobotka abwärts konnte sich in den letzten Tagen in Niederösterreich offenbar niemand vorstellen, dass das „System“ nicht mehr funktionieren sollte. Daher wurde versucht, auf die plumpeste Art mittels Fake-Vorwurf den Bericht und den Berichterstatter zu diskreditieren. Dass es so nicht mehr funktioniert, wie die Pröll-Entourage es gewohnt war, ist einer der Lichtblicke in der Entwicklung. Ob er hell genug ist, seinen Nachfolgern eine Lehre zu sein und der „gelenkten Demokratie“ in Niederösterreich abzuschwören, ist noch ungewiss. Vielleicht aber schämt sich die Opposition in St. Pölten jetzt genügend, um in Hinkunft ihrer Kontrollverpflichtung nachzukommen. Es sollte ein Weckruf für jede Opposition in den Bundesländern und auch auf Bundesebene sein.

Man könnte sogar so etwas wie Empathie für Pröll aufkommen lassen. Nach all seinen unbestreitbaren Erfolgen im Land – ungeachtet der Art, wie diese zustande gekommen sind – hätte er einen besseren Abgang verdient. Dass es so nicht gekommen ist, hat er sich allerdings selbst zuzuschreiben. Es ist zu hoffen, dass jetzt ein Aufatmen durch das Land gehen wird. Denn eines war bisher schon bemerkbar, blieb aber weitgehend unterberichtet: Je fester das Pröll-Team das Gängelband für Bürger und Politiker aller Farben im Land zuzog, desto lebendiger wurde die Bürgerlistenszene auf der lokalen Ebene in den letzten Jahren. Nicht trotz des Würgegriffs der Landespartei regte sich der Widerstand, sondern wegen. Es blieb nur auf Landesebene wirkungslos. Jetzt könnte in diesem Bundesland politisch mehr aufbrechen als viele in den letzten Jahren für möglich gehalten hätten. Das hätte im Sinn der politischen Sauberkeit durchaus seinen Vorteil. So gesehen könnte man – gar nicht zynisch gemeint – Prölls Rückzug als letzten Dienst am Land interpretieren. Es wird nur darauf ankommen, was die Zivilgesellschaft an der Basis, seine machtgetränkte ÖVP und die Opposition daraus machen.

St. Pölten erlebt gerade was es heißt, wenn „auch Hausherren“ sterben. Bürgermeister Michael Häupl in Wien sollte das eine Lehre sein. Denn der Spruch wurde in Wien, der Stadt der einst tatsächlich mächtigen Hausherren, erfunden. Wenn Häupl die Signale nicht hört, könnte sein Abgang noch beschämender ausfallen als der seines Freundes Pröll.

Pavol Frešo https://www.flickr.com/people/fotopavolfreso/ – via Wikipedia

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