Der kleine Akif oder warum man Rassismus und Faschismus nicht an Buzzwörtern erkennt.

Im Internet gab es gestern eine allgemeine Distanzierungswelle von Akif Pirinçci. Von Lutz Bachmann, Mitorganisator der rassistischen islamhasserischen „Pegida“-Bewegung bis zu den fest im rechten Spektrum angesiedelten Deutschen Wirtschaftsnachrichten wollten plötzlich nicht mal mehr die ganz Rechten noch etwas mit dem Autor, bisher eines ihrer Zugpferde, zu tun haben. Aber auch seine Verlageund sein Webmasterkündigten die Zusammenarbeit auf.

Der Grund: Pirinçci hatte als Gastredner auf einer Pegida-Demonstration bedauert, dass in Deutschland die Konzentrationslager nicht mehr in Betrieb sind. Da bleibt nun tatsächlich kein Spielraum mehr für die Behauptung, eigentlich doch kein Nazi zu sein, sondern nur „besorgt“.

(Ergänzung: Dies haben jedenfalls alle großen Medien berichtet. Wenn man sich die Stelle in der Rede allerdings genau anhört, hat Pirinçci eigentlich nur unterstellt, dass andere in Deutschland gerne wieder Konzentrationslager hätten, um Leute wie ihn dort einzusperren).

Man fragt sich trotzdem, warum es diesen Tropfen, der das Fass nun zum Überlaufen gebracht hat, überhaupt brauchte. Denn all das, was Pirinçci schon seit Jahren in der Gegend herumhetzt, hätte längst reichen müssen, um zu wissen, welches Geistes Kind er ist.

Sein Satz über die Konzentrationslager war sicher erstaunlich, denn als Autor müsste er eigentlich die Tabus des öffentlichen Diskurses kennen. Aber eine Offenbarung war er nun wirklich nicht. Diese Pegida-Rede hat keine neuen und überraschenden Aufschlüsse über Pirinçcis Ansichten gegeben. Alles, was sich daraus lernen lässt ist, dass Pirinçci offenbar dümmer ist als gedacht. Oder dass er ein bisschen größenwahnsinnig und weltfremd geworden ist durch all den Applaus, den er von tausenden Fans bekommt, und wegen des Forums, das ihm trotz allem immer wieder auch in den Medien geboten wird, um seine Ansichten vor großem Publikum zu verbreiten.

Aber wer Pirinçcis Äußerungen in den vergangenen Monaten verfolgt hat, seine unglaublich Hetze gegen Feministinnen, Schwule, Geflüchtete, Musliminnen, konnte sich nun wirklich keinen Illusionen hingeben. Viele sehen solche Ansichten jedoch als legitimen Teil des Diskurses an. Sie sagen: Wir teilen zwar nicht seine Ansichten, aber er wird das doch wohl noch sagen dürfen. Und wenn sich das dann wie blöde verkauft und klickt und viral geht, dann ist das eben so – so ist halt die Meinungsfreiheit!

Es stimmt mich keineswegs hoffnungsvoll, dass aus Anlass der KZ-Bemerkung jetzt offenbar die Reißleine gezogen wird. Rassistische, menschenfeindliche Hetze ist nämlich nicht nur dann schlimm, wenn sie offen mit nationalsozialistischen Symbolen hantiert. Sie ist auch ohne diese Anleihen schon ganz genauso schlimm. Es genügt nicht, den Maßstab daran aufzuhängen, ob jemand böse Buzzwörter wie „KZ“ oder „Hakenkreuz“ verwendet. Sondern der Maßstab muss dort gefunden werden, wo jemand soziale Dynamiken anstößt, die das Potenzial haben, zur Verfolgung und Bedrohung von ganzen Menschengruppen zu werden.

Damals, in den 1930er Jahren, gab es schließlich auch keine Symbole und Stichwörter, an denen man die Faschisten so einfach hätte erkennen können. Der Zeitgeist, der schließlich zu den Konzentrationslagern geführt hat, entstand aus der Mitte der Gesellschaft heraus – und zwar „auf der Straße“ ganz genauso wie in den Redaktionsstuben oder am Universitätspult. Er entstand einem öffentlichen Diskurs heraus, in dem es schließlich eine Mehrheit der Bevölkerung legitim fand, bestimmte Menschengruppen als unwürdig anzusehen, als Abschaum, eben zum Abschuss freizugeben.

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Nebenbuhler

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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