“Do you love Europe?” Eine sympathische Frage, die bei der Präsentation des Europaablegers des US-Nachrichtenportals "politico.com" gestern, Mittwoch in Brüssel gestellt wurde. Der erfolgsverwöhnte Chefredakteur des vermutlich erfolgreichsten Medien-Start-Ups in den USA mag entweder das Wort „love“, oder er ist tatsächlich ein liebevoller Mensch. „We love Journalism“, tönt John F. Harris. Der ehemalige Journalist der „Washington Post“ hat mit seinem Kollegen Jim VandeHei im Jahr 2007 in der US-Hauptstadt Washington ein Medienunternehmen gegründet. „politico.com“ krempelt seither mit einer wenig liebevollen, sondern eher aggressiven Berichterstattung den amerikanischen Politikjournalismus um.

„The world needs great journalism“, so das Credo des Erfolgsduos Harris und VandeHei.

Das zieht. "Politico.com" hat nach eigenen Angaben monatlich zwischen vier und fünf Millionen Leser. In Washington und New York wird täglich eine Gratiszeitung mit einer Auflage von etwa 35.000 Stück verteilt, alle zwei Monate erscheint ein Hochglanz-Magazin. „How to beat Hillary Clinton“ fragt das „politico magazine“ in der aktuellen Ausgabe.

Zweieinhalb Jahre nach dem Start befindet sich „politico.com“ in der Gewinnzone. Zahlen bleiben ein gutgehütetes Geheimnis. „After two years we were profitable, in a crowded competitive marketplace“, erklärt CEO und Gründer Jim VandeHei dem Brüsseler Publikum. Und vor allem den staunenden Verantwortlichen bei Axel Springer.

Die Amerikaner machen vor, wie „paid content“ funktionieren kann, da will der Springerverlag dabei sein. „Wir haben uns zu dieser Partnerschaft entschlossen“, sagt denn auch der Verantwortliche bei Axel Springer, „weil wir der leading digital publisher in Europa werden wollen.“ 76 Prozent seiner Einnahmen lukriert „politico.com“ in online-Bereich, nur mehr 17 Prozent mit dem Printprodukt. Der erste Mitbewerber in Brüssel hat schon aufgegeben. „European Voice“ hat unter seiner französischen Eigentümerin ein ähnliches Geschäftsmodell wie politico betrieben. Eine Gratiszeitung. Eine Paywall-Online-Ausgabe und Konferenzen zu Spezialthemen wie Energie oder Außenpolitik.

Jetzt hat Shèhèrazade Semsar-de Boisséson ihr Unternehmen verkauft – an politico. Sie wird Managing Director des neuen Europaablegers.

„Do you love Europe?“ „We love Journalism“. Oder wie ein interessierter Zuhörer gefragt hat: “Are you offering a Marshall-Plan for Media in Europe?”

Scheint so. Denn nun zeigen Amerikaner, wie eine europäische Öffentlichkeit entstehen kann. Dass dies kein europäischer Verlag jemals ernsthaft probiert hat, ist schade. Fast lieblos.

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