Taxifahren in Hamburg. Ein Kurs in Wundern.

Aus familiären Gründen verbringe ich regelmäßig einige Tage in der freien und Hansestadt Hamburg. Vom Flughafen „Helmut Schmidt“ in Fuhlsbüttel geht es zum Taxistand, und dann bin ich jedesmal gespannt, ob und was sich an Gesprächen mit dem Chauffeur ergeben würde.

Bis auf einen einzigen Fahrer waren die „Taxler“, wie man in Wien sagen würde, Muslime. Ich hatte einzelne berührende Begegnungen. Mit dem dreifachen Vater beispielsweise, der mir sagte: „Für unsere Kinder tun wir alles! Sie sollen studieren! Dafür arbeiten meine Frau und ich!“

Als ich einmal zur Adresse „Buddhistisches Zentrum“ fuhr, vertraute mir der iranische Fahrer an, dass er „eigentlich“ Buddhist und bereits einmal bei einem tibetischen Lama, dessen Namen er mir nannte, gewesen sei. Er zog ein Segensbändchen heraus und zeigte es mir. „Das ginge aber in Ihrer alten Heimat nicht, oder?“ fragte ich ihn. „Nein, auf keinen Fall. Aber hier in Deutschland kann ich es machen – eine vernünftige Religion, finde ich!“ Ich war am Ziel angelangt und konnte ihm keine weiteren Fragen stellen, aber das Erstaunen begleitete mich noch tagelang.

Ein anderer – türkischer Herkunft – wollte mir wiederum erklären, warum es gut sei, wenn Frauen sich verschleiern. Die Kostbarkeit! Sie wissen schon – wie die Perle in der Muschel! Nur der eigene Mann soll die Schönheit der Frau sehen. Denn – „Sie wissen ja, wie Männer sind und was sie denken, wenn sie eine Frau sehen?“ versuchte er, Einverständnis mit mir herzustellen. „Kennen Sie Ralph Giordano?“ fragte ich zurück. „Wissen Sie, was der gesagt hat? Wenn die Männer so schlimm sind, dann sollte man doch ihnen Handschellen anlegen und nicht den Frauen Schleier!“ Mein Fahrer stieg aufs Gas und würdigte mich für den Rest der Strecke weder eines Blickes noch eines Wortes – er konnte also auch mein zufriedenes Dauerlächeln nicht sehen.

Beim letzten Besuch fuhr uns ein Afghane. Nicht, dass ich das auf Anhieb erkennen würde, aber ich pflege im Verlauf der Fahrt meistens nachzufragen, woher der Fahrer ursprünglich kommt. Auch wenn sein Deutsch sehr bruchstückhaft war, war der Mann äußerst gesprächig und hatte viele Fragen an uns. Er hatte am Vortag einen Film auf Youtube gesehen, der ihn offenbar noch immer beschäftigte. Sieben Männer, 300 Jahre nach Christus (Jesus, sagte er), waren in einer Höhle und sind herausgekommen, und haben die christliche Religion gegründet! Er war total begeistert über sein Wissen. Irgendwie kam auch Abraham vor.

„Judentum, Christentum und Islam nennt man ja die abrahamitischen Religionen“, warf mein Mann ein. „Ja!“, sagte der Fahrer, „Abraham hatte zwei Frauen: von einer stammen die Islam-Kinder und von der anderen die Juden“. Sein Geschichtswissen hätte mich glatt vom Hocker geworfen, wenn ich nicht angeschnallt im Taxi gesessen wäre. „Na!“ sagte ich, „dann sind Muslime und Juden also Cousins!“ „Cousins?“ antwortete er staunend. „Naja – wenn Abraham euer Urgroßvater ist (ich nahm es jetzt mal mit den Jahrtausenden und den Generationen auch nicht so genau), dann seid ihr Cousins! Verwandtschaft!“

Er schien über die „Familie“, die er selbst gerade erschaffen hatte, nicht recht begeistert. Er wechselte das Thema und erzählte uns von seinen beiden Frauen, also von der geschiedenen und der jetzigen. Jetzt sei er mit einer Afghanin verheiratet – das passt. Die erste Frau aber war aus der Ukraine gekommen. „Das sind Königinnen! Mann – nur Arbeit! Geld bringen. Wenn ich nach Arbeit nach Hause, alles schmutzig!“ Ich erfuhr dann noch, dass die Ukrainerin die 15-jährige Tochter vor ihm verstecke.

Er hatte die Route über die Autobahn und nicht die Direttisima durch die Stadt genommen. Das schlug sich in einem ordentlichen Fuhrpreis nieder. Es ging sich auch noch aus, ihn zu fragen, wann er denn nach Deutschland gekommen sei. „Vor 25 Jahren, als Student, in einer Gruppe von Studenten!“ antwortete er.

Ich gestehe, dass meine Verblüffung darüber fast noch größer war als über die Entstehungsgeschichte des Christentums und des Islam, die ich kurz zuvor von ihm gelernt hatte. Potzblitz! Taxifahren bildet! Ganz besonders in Hamburg!

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