Burn Out - das Leben wieder lernen

Wieder einen Schritt ins reale Leben machen. Das hatte ich mir an diesem Vormittag vorgenommen. Klein anfangen. Auf die Bank gehen und ein paar Überweisungen tätigen. Nach 4 Wochen raus aus der Quarantäne, wieder Gefühl und Rhythmus kriegen für den Alltag.

Meine Frau begleitete mich - und das war gut so.

Der Weg von der Wohnung zu Bank war nicht weit. Vielleicht 400 Meter hin und zurück.

Noch im Park der Wohnanlage merkte ich, wie schwach ich geworden war. Zögerliche Schritte, langsam, bedächtig gesetzt. Es war eine enorme Anstrengung für mich.

Der Hammer aber wartete als ich den Gehsteig der Straße betrete. Binnen Sekunden trifft mich der Fließverkehr, höre ich laute Motoren, Hupen, quietschende Reifen. Kommen mir Menschen entgegen, die sich nur unterhalten. Im Normalfall alles gewohnte Geräusche, nichts Besonderes.

Nicht aber heute. Jeder Meter schmerzt im Kopf, den Augen, den Ohren.

Ich spüre wie mir der Schweiß über den verlängerten Rücken in die Unterhose rinnt.

Nicht in Tropfen - in Bächen.

Am Selfservice Automat für Überweisungen bin ich so zittrig, dass ich kaum die Erlagscheine einführen kann, die Eingaben auf der Tastatur muss ich mehrmals abbrechen. Die angebotene Hilfe meiner Frau lehne ich viel zu schroff ab, ich will es aber einfach unbedingt selbst schaffen.

Für eine Handvoll Überweisungen brauche ich gefühlte Stunden, als wir nach über 30 Minuten !! die Bank verlassen, bin ich Schweiß gebadet, zittere am ganzen Körper und bin müde, total fertig.

Der Weg zurück in die Wohnung ist nur noch Flucht - wenn auch im Schneckentempo.

Das hatte ich mir anders vorgestellt. Falsch. Eigentlich hatte ich gar keine Vorstellungen. Ich wollte nur auf die Bank gehen und Überweisungen durchführen. So wie immer. Früher halt.

Die Realität war plötzlich eine andere. Dabei war doch nur ich anders.

Kaum zu Hause legte ich mich erschöpft ins Bett, schlief den Rest des Tages.

Am Abend aber wußte ich: genau diese Erfahrung war notwendig gewesen.

Feuer bekämpft man mit Feuer, Angst mit Überwindung.

Die logische Konsequenz war nun, dass ich mir wieder konsequent den Tagesablauf geplant habe. Dazu alles, was ich gewohnt war fallen ließ, um nur noch das wieder aufzuheben, wo ich ein gutes Gefühl dabei hatte.

Damit kam die Freude wieder.

Auch mit gesünder ernähren, jeden Tag mit Freude gute 3 Stunden in die frische Luft. Gehen, Walken, Radfahren. Oder auch nur auf einer Bank sitzen, atmen und den Wolken beim Ziehen zusehen.

Der Wald und sein unglaublich vielfältiges Leben, wurde mein Freund.

Die Ruhe meine Verbündete. Die Schönheit der Natur meine Geliebte.

Der Glauben meine Sicherheit. Mein Familie der Sinn. Meine Freundschaften wurden kostbar.

Mein Leben wurde mir bewusst.

Nach darauf folgenden 8 Monaten harter Arbeit an und mit mir selbst, einem Höchstmaß an schmerzvoller Reflexion des eigenen Ich`s und meines bisherigen Seins war ich für mich soweit.

Ich wollte zurück. Viel stärker und unbeugsamer - aber auch verletzlicher als je zuvor.

Das Ergebnis des psychsosozialen Arbeitstests attestierte mir was ich fühlte. Alle Ampeln auf sattes grün gestellt, freie Fahrt.

So also wurde Burn Out für mich tatsächlich die Bewusst-Sein-Werdung.

„Genug ist nicht genug“ - K. Wecker Live

XXX ENDE XXX

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lebe.lache.liebe.

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Herbert Erregger

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