Ein, von Herrn Dahlke, abgekupferter, aber wie ich finde passender, Titel.

Vorab eine Triggerwarnung - Themen wie Suizid und Armut werden in diesem Beitrag angeschnitten.

Auszeit - so hiess die Saunalandschaft in Österreich, die ich mir recht häufig gegönnt habe, damals als ich noch in Österreich gelebt hab. Und Auszeit ist es, was ich heute in meiner neuen Wahlheimat Irland - kostenlos - betreibe.

Seit über 2 Jahren nehme ich mir schon diese Auszeit, obwohl ich im "besten" arbeitsfähigen Alter wäre und eigentlich arbeiten müsste - was ich nicht tue, denn ich lebe auf Kosten meines Partners. Jaja meine Herren, Emanzipation hat eine neue alte Struktur angenommen, aber zu meiner Verteidigung, ich werde noch früh genug einen Stammhalter durch meine Hüften pressen und mit der anschliessenden Karenz und Teilzeit 50 000 Euro an Verdienstzeiten verlieren, meine finanzielle Zukunft von der Rente meines Ehemannes abhängig machen und sollte er es wagen früher als ich zu sterben in die Altersarmut rutschen - da kann ich mir auch gleich meine Auszeit nehmen ;), denn weniger als Mindestsicherung geht ja nicht.

Mit nicht einmal 30 Jahren habe ich beschlossen der Arbeitswelt fern zu bleiben - bewusst und vor der Corona - Krise. Ich habe eine gute Ausbildung, spreche einige Sprachen fliessend und habe ausschliesslich hervorragende Arbeitszeugnisse (die meisten durfte ich mir selbst schreiben ;)). An Qualifikation mangelt es nicht, an Fleiss und Motivation anfangs auch nicht.

Ich habe sehr früh angefangen zu arbeiten ich habe bereits neben der Matura 30 Wochenstunden gearbeitet und durfte mir mein Leben selbst finanzieren. Mit 17 das erste "Burn Out" und mit 23 Jahren stand ich "mitten drinnen" im Leben. Vollzeitjob mit unbezahlten, aber erwarteten, Überstunden, einen 15 Jährigen "verhaltensauffälligen" Teenager daheim mit dem ich mich durch die Berufsschule quälen durfte, nebenbei noch am Wifi den Buchhalter gemacht und obendrauf ein Sorgerechtsstreit mit dem wahrscheinlich schmutzigsten Rosenkrieg seit der Scheidung von Tiger Woods und Elin Nordegren - nur das ich ihn mit meinen Eltern hatte. Zur Erläuterung - ich bekam das Sorgerecht für meinen Bruder.

Mit 27 Jahren waren 140 Stunden Wochen für mich normaler Alltag. Arbeiten, Behörden, Haushalt, Beziehung, "Kind". Um halb zwei in der Früh noch schnell die Mittagessen für den nächsten Tag gepackt um 7 Uhr früh schon das Büro aufgesperrt. Das Ausmass dieser Idiotie wird einem erst dann bewusst, wenn man sich meine alten Terminkalender ansieht. Mal abgesehen davon, dass jede Mittagspause "konstruktiv" genutzt wurde, habe ich gegen Ende sogar meine Duschgänge einkalkuliert und mir vermerkt, wann ich spätestens Essen MUSSTE, denn darauf hab ich immer öfter vergessen.

Und immer wieder Geldsorgen - Existenzängste, obwohl ich und mein damaliger Partner überdurchschnittlich verdient haben. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, man stelle sich einmal vor ich wäre zu dieser Zeit Alleinerziehend, hätte vielleicht mehrere Kinder, kleine unselbstständige Kinder, hätte nur Teilzeit arbeiten können, hätte pflegebedürftige Angehörige. Es hat 3 Jahre und einen unschönen mentalen Zusammenbruch beim Finanzamt gebraucht, damit ich 190 Euro Kindergeld bekomme - wie es wohl ist, wenn ich Pflegegeld, Wohnbeihilfe, Sozialhilfe ect. beantragen MUSS und das alles neben der Arbeit, weil ich durchschnittlich viel verdiene in einem System, welches überdurchschnittlich viel Geld verschlingt?

Ich bin ausgewandert. Und anfangs wollte ich arbeiten, aber je länger ich Zuhaus blieb, desto weniger musste ich Geld ran bringen. Anfangs schien mir das wie Magie - wie kann aus weniger mehr werden? Irland ist kein billiges Land meine Lieben - mein Tabak kostet 20 Euro, mein Bier 5 und das Kilo Rinderhack nicht unter 6 Euro und da reden wir vom "Billigfleisch".

Mir steht genau der gleiche Betrag hier zur Verfügung, wie in dem letzten Jahr in Österreich - da lebte ich schon mit meinem neuen Partner, das Kind was ausgezogen und wir sparten fürs Auswandern. Die Miete hier ist an die 100 Euro teurer als in Österreich, die Nebenkosten sind in etwa gleich, die Preise für Lebensmittel höher, das Auto wird wie in Österreich auch von der Firma gestellt - in Zahlen dargestellt hatte ich in Österreich 80 Euro weniger Fixkosten (Miete, Nebenkosten, Internet, Tabak) als in Irland und in Österreich kam ich mit dem Geld nicht zurecht, wenn überhaupt, dann konnte ich mir 300 Euro monatlich auf die Seite legen, hier ist das um ein VIELFACHES höher. Warum? Und wie ist das möglich? Magie?

Eher nicht, ich habe knapp 1 Jahr damit verbracht dieses Phänomen zu analysieren. Ich habe Haushaltsbücher verglichen, Essenspläne und Kassenzettel (ja, ich habe bis heute noch alte österreichische Kassenzetterl vom Interspar) analysiert und Verhaltensforschung an mir selbst betrieben. Ich kam zu dem Schluss, ich erwirtschafte mehr, wenn ich daheim bleib. Und ich bezieh hier nicht mal Sozialleistungen.

Arbeit kostet Geld - damit meine ich nicht die imensen Steuern, die dazu benutzt werden bankrotte Banken zu retten. Ich meine damit, dass, um arbeiten gehen zu können, man Geld ausgeben muss. Seis für offensichtliche Sachen wie zB den Transport von und zur Arbeit wie Auto und Zug, oder subtilere Ausgaben wie Lebensmittel. Arbeiten verschlingt Zeit und Zeit ist ja bekanntlich Geld.

Bei einer durchschnittlichen Vollzeitbeschäftigung fehlt einem die Zeit um richtig zu wirtschaften. Man konsumiert automatisch mehr, als man eigentlich müsste. In Zeiten der Zero Waste und Sustainability-Bewegung ist Arbeit der grösste Gegner. Keiner meiner Bekannten und Freunde, kann die Zeit aufbringen, für 10 Euro in der Woche pro Person einkaufen zu gehen. Keiner ist in der Lage, konsequent seinen eigenen Kaffee in die wiederverwendbare Tasse zu schütten und sich damit 3.2 Euro täglich zu sparen. Keiner macht sich sein Brot und seine Pasta selbst - schont damit den Planeten und spart sich obendrein dumm und dämlich. Keiner hat Zeit zu kochen, alles muss schnell gehen für den schaffenden Menschen, der nicht mal sieht, dass das einzige was er schafft eine tickende Zeitbombe ist.

Keiner von ihnen hat die Zeit den Knopf vom Hemd wieder anzunähen, stattdessen kann man das ja zur Kleidersammlung, oder noch schlimmer in den Müll geben und sich bei dem Höhepunkt der Fast-Fashion - Konsumpornografie a la H&M, KiK und Primark eines für 4,99 besorgen - das ist dann sogar noch neu und modischer als das Alte, denn bei diesem Hemd ist der Innenkragen aus einem blau-weiss gepunkteten Stoff gemacht, den zwar keine Sau sieht, aber wer hat, der hat. Man muss ja mit der Zeit gehen.

Dies sind nur kleine Beispiele - die aber einen grossen Wert haben - genau genommen liegt deren Wert bei einem höheren 4 stelligen Monatsbetrag, den man sich damit sparen kann.

Was hat nun mein Nichtstun mit der Corona-Krise zu tun?

Das, was mir vor der Krise schon klar wurde, wird nun langsam aber sicher auch anderen bewusst. Ich bin nur hauptberuflich Arschloch, nebenberuflich setzte ich mich mit all meiner Passion für die sozial Schwachen, die eigentlich die sozial stärkeren sind, aber dies ist n anderes Thema, ein. Ich erstelle Essenspläne und Kalkulationen für Hartz IV Empfänger und optimiere auf Wunsch deren Finanzen. Ich habe also gewisse Einblicke in die Welt der "sozialen Randgruppen". Als die "Krise" anfing und mit einem Schlag tausende Menschen arbeitslos wurden, habe ich das Schlimmste befürchtet und anfangs war es schlimm. In den Suizid- Armen- und Kummer - Chatrooms (ja sowas gibt es) kam man gar nicht mehr mit mit dem Lesen - wo andere Toilettenpapier gehamstert haben, waren andere mit der Frage beschäftigt wie man sich am kostengünstigsten umbringen kann - denn auch "schön" sterben kostet Geld.

Anfangs wusste man ja auch nicht wie es weiter geht, aber seit geraumer Zeit findet ein Umschwung statt.

Insbesondere den Alleinerziehenden und den 2 Personen Haushalten scheint es finanziell besser zu gehen - sie bekommen zwar noch immer Mindestsicherung, aber der ganze erzwungene Konsum fällt weg. Ich kenne mittlerweile Menschen, die sich Corona gar nicht mehr weg wünschen, plötzlich fallen Schulbeiträge für Zoo's weg, stattdessen geht man mit den Kindern in den Wald - Petafreundliche Tierbeschauung für Lau und ganz nebenbei noch Wellness-Auszeit mit Waldbaden.

Die Konsumpornografie zwecks Stressbewältigung fällt weg - man findet Kleidung in den Schränken, von der man bis Anfang 2019 gar nicht gewusst hat, dass man sie hat - Vintage.

Und plötzlich merkt man, dass eine Pizza nicht 9.99 kostet und plötzlich merkt man, dass man keine 2 000 Dinge zum leben braucht, die Haushalte werden entrümpelt und mit ihnen die Köpfe und Seelen der Menschen. Das Haushaltsgeld wird halbiert, die Luxuskonsumgüter links liegen gelassen, denn wer braucht schon Welnessgeräte für daheim, wenn er keine Verspannungen hat? Oder Nahrungsergänzungsmittel, wenn er kein Fake Food konsumiert? Oder 3 Flascherl Camouflage Make up, wenn er in den Wald geht? Oder Halloween Dekoration, wenn keine Kinder an die Tür klopfen um von Fremden Süssigkeiten anzunehmen? All dies (und noch viel mehr) fiel nun über ein Jahr lang weg - Studien besagen, dass es 66 Tage dauert sein Verhalten zu ändern und das Verhalten ändert sich und mit ihm der Bezug zum Geld. Und aus Erfahrung heraus, weiss ich, dass man sich dann irgendwann fragt - warum arbeiten? Ist es mir Wert meine Seele für 3.000 Brutto zu verkaufen und ca. die Hälfte von meinem Seelenpreis dafür aufzubringen um meine Seele verkaufen zu können - sprich um in die Arbeit zu gehen? Oder mach ich lieber Teilzeit und arbeite im benachbarten Supermarkt?

Die Unternehmen, die nach der Krise noch übrig bleiben, werden sich mit diesem Thema auseinandersetzen müssen - seis um ihre Produkte zu verkaufen oder um Personal anzuwerben - der Durchschnittsmensch baut Selbstbewusstsein auf und Angst ab - ohne Exsitenzangst hat man kein Druckmittel und keine Werbefläche und dann werden die Köpfe im Management und der Politik vor lauter Brainstorming rauchen - denn es gilt den Durchschnittsmenschen zu motivieren wieder mehr zu konsumieren, damit dieser mehr verdienen muss.

Ich bleibe Frugalist und es braucht schon mehr als 20% überdurchschnittlichen Verdienst um mich zu motivieren wieder freiwillig in diese Abwärtsspirale zu tauchen. Ich führe auch eine Blacklist der Top 50 Arbeitgeber, bei denen ich nicht arbeite - denn die Krise hat gezeigt, wie krisensicher einige Stellen sind, nämlich gar nicht. Und meine Seele verkaufe ich ungern an Unternehmen, die mit einem Schlag tausende von Mitarbeitern auf die Strasse setzen.

Uns stehen spannende Zeiten bevor - der Konsument hat die Macht - so sagt man zumindest und ich glaube, dass Industrie und Politik diese ganz schön unterschätzen - Krisenseiten sind meist Zeiten der Solidarität und in Zeiten der Solidarität fällts schwer Propaganda zu betreiben.

Coronakrise als Entwicklungschance für die gesamte Menschheit.

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