Die unerträgliche Doppelmoral der veröffentlichten Meinung in diesem Lande

Nehmen wir mal kurz an, FPÖ-Chef H.C. Strache würde bei einer aufgeheizten Wahlkampf-Kundgebung am Wiener Viktor-Adler-Markt in die Menge donnern, die Freiheitliche seien die Garanten dafür dass„Wien moslemsauber“werde.

Moslemsauber? Na Bumm. Den Orkan der Empörung, den eine derartige Entgleisung zur Folge hätte, können wir uns lebhaft vorstellen. Leitartikel sonder Zahl würden darauf hinweisen, dass diese Formulierung natürlich nicht zufällig so ähnlich klingt wie das berüchtigte „judenrein“ der Nazi-Zeit, was die Nähe der FPÖ zur NSDAP beweise; sogenannte Künstler und sogenannte Intellektuelle würden sich empört zeigen über den unverhohlenen Rassismus der FPÖ und eine Lichterkette organisieren; der Herr Kardinal würde mit den Spitzen der anderen Religionsgemeinschaften gegen diese  Herabwürdigung, ja Schändung des Islam protestieren; und alle zusammen würden bei einer machtvollen Kundgebung am Heldenplatz ihrer grenzenlosen Empörung Ausdruck verleihen, live übertragen vom ORF zur Primetime.

Nun hat zwar in der vergangenen Woche Herr Strache nichts derartiges von sich gegeben, wohl aber der SPÖ-Klubchef im Wiener Gemeinderat, Rudi Schicker, einer der ranghöchsten sozialdemokratischen Politiker in Wien. Der nämlich ließ via Presseausendung schriftlich wissen, seine Partei sei Garant dafür, dass Wien „freiheitlichensauber“ werde.

Das ist zwar um nichts, aber auch schon gar nichts appetitlicher, als der Begriff „moslemsauber“ gewesen wäre – regte die sonst so sensiblen Helden des zu spät gekommenen antifaschistischen  Widerstandes in Medien, Politik und Kultur genau Nüsse auf. Keine flammenden Leitartikel, keine besorgten Kirchenmänner, keine aufschreienden Künstler und Intellektuellen, keine Lichterketten, kein Heldenplatz, kein gar nichts. Herrn Schickers unsägliches „freiheitlichensauber“ regt in diesem Milieu ungefähr so auf, als hätte er sich nach der Uhrzeit erkundigt. Dass sich Schicker nicht einmal dafür entschuldigen musste, im Zusammenhang mit einer Partei, die genauso demokratisch legitimiert ist wie die SPÖ, von „sauber“ zu sprechen, was ja gemeinhin nur durch „Säuberung“ erreicht werden kann (in totalitären Systemen üblich) überrascht da auch nicht mehr.

Nun ist es das gute Recht jedes Medienmachers, Intellektuellen oder Künstlers, die Entgleisung des Herrn Schicker einfach für keine zu halten und  zur Tagesordnung überzugehen, obwohl man im Falle eines gleich üblen Strache-Zitates regelmäßig in hyperventilierende Schnappatmung verfallen wäre.

Es ist freilich auch das gute Recht des Medienkonsumenten, dies für leicht doppelbödig zu halten und sich in seiner Abneigung gegenüber den Medien bestärkt zu fühlen.

Jene Entfremdung, die seit Jahren zwischen den Produzenten und den Konsumenten von Medien eingetreten ist und die im (völlig überzogenen) Vorwurf „Lügenpresse“ kulminiert, wird durch mediale Doppelmoral dieser Art nicht wirklich reduziert werden können; ganz im Gegenteil.

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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