Wir Journalisten des Jahres

Ich habe Christian Wehrschütz am Samstag, den 19. Juli interviewt. Da war er gerade unterwegs zur Absturzstelle des abgeschossenen Passagierflugzeuges in der Ukraine. Er ist ein logischer und würdiger „Journalist des Jahres 2014“. Und damit komme ich zum Zirkus der Selbstverliebtheit, des Eigenlobs, der Peinlichkeiten, mit dem die Branche sich alljährlich selbst bejubelt und auch ein bisschen lächerlich macht.

Nein, ich spreche keiner Kollegin, keinem Kollegen ihre (seine) Leistung ab. Ich freue mich für Kurt Kuch, für Fritz Jergitsch, für Silvia Jelincic sowieso. Ich habe selbst auch einmal so einen Preis bekommen. Chefredakteurin des Jahres 2006, Platz 3. Die gerahmte Urkunde hängt in meinem Büro, gleich unter dem Schild: „Keep calm and drink champagne“. Mein Ego ist also auch nicht unanfällig für Streicheleinheiten. Doch wie viel ist so eine Auszeichnung eigentlich wert?

In der Coverstory des Branchenmagazins wollen uns die Macher mit genauen Erläuterungen zum Prozedere weismachen, dass dies eine wirkliche Wahl gewesen sei. Da ist von Online-Umfragen und Schwarmintelligenz die Rede, von Chefredakteuren der „wichtigsten Medien Österreichs“ (es muss demnach auch jede Menge unwichtige geben), von einer rund 650-köpfigen Kandidaten-Liste (in die Reihungen schaffen es dann aber nur 150). In Wahrheit handelt es sich bei den „Journalisten des Jahres“ aber um den einzigen Preis, der weder nachprüfbare Bewertungskriterien noch eine unabhängige Jury hat – naja außer Wolfgang Fellners Ranking der „1.000 wichtigsten Österreicher“ vielleicht.

Denn was macht Waltraud Langer (Platz 11 bei den Chefredakteuren) besser als Corinna Milborn (die Arme muss sich Platz 18 mit Helmut Brandstätter teilen)? Warum wird Hugo Portisch von den Redaktionsmitgliedern des „Journalisten“ ausgezeichnet, Rainer Nowak aber von den Chefredakteuren der „wichtigsten Medien Österreichs“ (inklusive ihm selbst)?

Ja, einige Namen der sogenannten Jury finden sich tatsächlich in den Rankings der Preisträger wieder, und einige Medien sind offenbar so wichtig, dass sie gleich mehrere Juroren stellen. Die sogenannten Qualitätsmedien halten allem Anschein nach nur Journalisten ihresgleichen für auszeichnungswürdig, die Öffentlich-Rechtlichen gönnen den privaten Sendern keine Preise (was vermutlich auch für die sogenannten Boulevardmedien und das Privatfernsehen gilt). Aber das ist einer Branche, die so sehr auf Objektivität und Unabhängigkeit pocht, eigentlich nicht würdig.

In die Jury gehören auch Experten von außen: Aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und vor allem der Leserschaft. Gewählt werden sollten weniger Ressorts (immer mehr Medien arbeiten ressortübergreifend) als vielmehr Genres: Reportagen, Porträts, Interviews, Kommentare, Blogs, Dokus – egal ob Print oder Online. Dann könnte es auch nicht mehr passieren, dass Journalisten einfach deshalb in den Rankings nicht vorkommen, weil sie eben so ein Genre perfekt beherrschen, aber vielleicht keinem klassischen Ressort oder Medium angehören.

Host a Idee? An diesen Anruf eines Journalisten des Branchenmagazins erinnere ich mich noch genau. Gesucht war ein Lokaljournalist aus Wien, der „Herausragendes“ geleistet hatte. Mir fiel eine ambitionierte junge Kollegin ein, die prompt gewann. Aber das – und auch die Schwarmintelligenz – sind keine Kriterien. Genausowenig wie das Herumtelefonieren und Mailen kein objektives Bewertungsverfahren ist.

Da ist es fast schon egal, dass ich Adlerauge jedes Jahr ein paar Namen entdecke, die es so nicht gibt. Rudolf Schraml zum Beispiel (er heißt Willi und ist schon in Pension) oder Sebastian Laudon (schreibt sich mit „o“) oder Margarethe Kopeinig (jeder weiß, dass die Europa-Expertin – aus diesem Grund nur Platz 10 der Kategorie Außenpolitik – Margaretha heißt).

Meinen Namen haben sie ausnahmsweise richtig geschrieben. Bischofberger mit OHNE s. Ich teile mir, mit Silvia Jelincic und Nikolaus Jilch, den 10. Platz – Huch, das war knapp! – in der Kategorie „Aufgefallen!“. Was das sein soll? Wird nur für die drei Erstgereihten (Florian Gossy, Helge Fahrnberger und Ulrike Weiser) begründet. Und so kriege ich auch leider keine zweite Urkunde.

Niko und ich haben keine Ahnung, ob es sich bei unserer Leistung um einen Faux-Pas oder möglicherweise doch etwas „Herausragendes“ handelt. Hauptsache, wir sind adabei...

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