Ich bin ein Opfer des letzten griechischen Schuldenschnittes. Und bin für einen neuen.

Irgendwann Ende 2011 beschloss ich, griechische Staatsanleihen zu kaufen. Ich wollte die Griechenland-Krise aus der Perspektive eines Anlegers beschreiben, und dazu musste ich einer werden. Das war gar nicht so einfach: Mein Bankberater starrte mich sekundenlang wortlos an, ließ mich zweimal wiederkommen und weigerte sich schließlich. In der Bank Austria-Filiale Schwedenplatz suchte man mir zwar Anleihen heraus, beschloss aber dann ebenfalls, sie mir nicht zu verkaufen. Medien, Bankberater, Freunde: Alle wussten – griechische Anleihen sind Hoch-Risiko. Sollte man schon lange verkauft haben. Und nur kaufen, wenn man die Kamikaze-Mentalität eines Hedgefonds mitbrachte, aber dann, bitte, ohne einen Bankberater mit in den Abgrund zu ziehen.

Ich eröffnete also ein Konto bei einem Online-Broker, der sich mangels involvierter Menschen die mahnenden Worte sparte und auch keine Angst vor einer Klage wegen Fehlberatung zeigte. Im Februar 2012 erstand ich Anleihen, die Ende März auslaufen würden. Sie wurden weit unter der Hälfte ihres Wertes gehandelt. Ich zahlte 600 Euro und bekam Papiere, für die der griechische Staat ein Monat später mehr als das Doppelte auf den Tisch legen musste.

Doch es kam anders: Anfang März 2012 schaffte Griechenland den Schuldenschnitt. Der Finanzminister verhandelte nur mit den großen Banken und Versicherungen – und über 75% stimmten dem Schnitt zu. Bei mir rief er nicht an, doch ich blieb zuversichtlich: Ich hatte vor, auf dem Ticket der bösen Hedgefonds mitzureiten und meine Auszahlung zu bekommen – (Pacta sunt servanda. Wer Schulden hat, muss sie auch zahlen, usw.) Doch sowohl die Hedgefonds als auch ich schauten durch die Finger: Wir wurden ohne unsere Zustimmung in den Schuldenschnitt eingeschlossen. Weg waren 53,5 Prozent des Wertes meiner Anleihen. Kalt enteignet. Mehr als die Hälfte meines Finanz-Vermögens geraubt. Der Rest wurde in verschiedene langfristige Anleihen umgewandelt. Das Kürzel „EFSF“ scheint seither auf meinen Kontoauszügen auf.

Was hat mich – und die Hedgefonds - die kalte Enteignung durch die Griechen also gekostet?

Die Antwort ist: Nichts. Ich hatte um 600 Euro Anleihen gekauft, und ich hatte nach dem Schuldenschnitt genau um 600 Euro Anleihen in meinem Depot. Der Schuldenschnitt war im Preis, den ich gezahlt hatte, schon lange inbegriffen. Selbst wenn sich jemand ausschließlich über Gratiszeitungen und Radio-Kurznachrichten informiert, wusste er zu diesem Zeitpunkt, dass es den griechischen Finanzen nicht gerade gut ging. Umso mehr die großen Anleger: Die hatten das Risiko eines Schuldenschnittes längst eingepreist, und der Markt hatte seine Höhe so genau vorausgesagt, dass ich keinen Cent verlor. (Inzwischen sind übrigens übrigens 700 Euro auf dem Depot-Konto. Ich habe insgesamt trotz Schuldenschnitt fast 20% Gewinn in drei Jahren gemacht, und das trotz Syriza.)

Und was wäre ohne Schuldenschnitt passiert?

Dann hätte ich – im Gleichschritt mit den Hedgefonds – meinen Einsatz auf Kosten des griechischen Staatsbudgets verdoppelt, wenn Griechenland (also wir Anleger) noch einmal gerettet worden wäre. Oder das ganze Geld verloren, wenn nicht.

Ich finde: Wer so hoch pokert, muss damit rechnen, dass er auch verlieren kann. Das gilt auch für die jetzige Situation: Jeder, der sich auch nur ein kleines bisschen informiert, weiß: Die Sparprogramme, die die griechische Wirtschaft wie eine Art von Voodo-Zauber zum Leben erwecken hätten sollen, haben spektakulär versagt. Schon nach dem letzten Schuldenschnitt war klar, dass das nicht reichen würde. Die Wirtschaft ist seither unter dem Spardiktat der Troika geradezu implodiert, die Arbeitslosigkeit dafür explodiert, und logischerweise ist der Konsum nicht angesprungen (wie sollen sich Leute, die sich die Münzen für den Waschautomaten zusammenkratzen müssen, eine Waschmaschine kaufen? Wer kauft ein Auto, wenn er nicht weiß, ob er das Gehalt des letzten halben Jahres jemals sieht und seinen Job in zwei Wochen noch hat?) Das Schuldenproblem der Regierung hat sich also trotz existenzbedrohender Einschnitte in Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem  verschärft. Und wenn die neue Regierung einen Neustart hinlegen will, dann wird den Anlegern, die ihren offen korrupten und misswirtschaftenden Vorgänger-Regierungen Geld geliehen haben, klarmachen müssen: Sorry, Leute, ihr werdet das nicht alles zurückbekommen.

Und wie schon beim letzten Mal wird davon die Welt nicht untergehen. Denn der jetzt vielbeschworene Spruch „Wer Schulden hat, muss sie auch zahlen“ ist nunmal kein Naturgesetz. Wenn er immer stimmen würde, gäbe es keine unterschiedlichen Zinssätze. Wer jetzt noch griechische Anleihen hält, bekommt dafür entweder hohe Zinsen – Geld, das Griechenland dafür zahlt, dass jemand das Risiko auf sich nimmt. Oder pokert einfach nur. In beiden Fällen ist den Anlegern das Risiko bewusst, und Risiko bedeutet: Es kann auch sein, dass du dein Geld nur zum Teil zurückbekommst.

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