Andrea Damm/pixelio.de

Pokémon-Go ist im Augenblick in aller Munde. Ich habe das jetzt eine Zeitlang verfolgt und wollte eigentlich nichts sagen – warum ich es doch tue, ist leicht erklärt. Nicht, weil ich es darauf anlege den nächsten Verteufelungsartikel zu schreiben, sondern weil ich mir schon lange Gedanken mache um die Chancen von Kindern und Jugendlichen. Statt dass wir froh sind, dass es endlich jemand schafft, sie wieder zum Gehen zu bringen, es wird sofort wieder bekrittelt, es wird eingebrochen, sie treiben sich auf fremden Grundstücken herum, sie benehmen sich unzivilisiert – mit einem Wort, sie benehmen sich so, wie es unsere durchgestylte Welt nicht brauchen kann.

Wo können Kinder bzw. Jugendliche sich noch ausleben, ohne sofort wegen Lärmbelästigung oder Eigentumsdelikten belangt zu werden? Wo darf man noch herzhaft lachen, ohne gleich angepöbelt zu werden? Dabei ist mir ein herzerfrischendes Kinderlachen allemal lieber als ein dröhnender Rasenmäher, aber da sagt keiner was, denn den brauchen wir unbedingt um die Natur zu bezähmen. Genauso werden Kinder bezähmt. Ich sehe kaum mehr Kinder am Spielplatz. Dafür haben wir flächendeckend Nichtraucherlokale, damit die Mütter (und ja es sind Mütter) stundenlang mit ihrem Nachwuchs im Lokal sitzen können, ohne dass die Kinder Passivrauchen müssen. Natürlich ist das gut, aber ist es kindgerecht, mit dem Nachwuchs stundenlang im Lokal zu sitzen, statt raus zu gehen? Ist es kindgerecht sie stundenlang durch die Einkaufszentren zu schleifen? Wenn dann nur dafür, dass sie früh genug lernen – Konsum ist gut, Freiheit in der Natur ist schlecht. Aber da müssten sich die Mütter hinausbequemen – denn von dem Traum, dass sich Kinder einfach treffen und miteinander spielen, den habe ich schon längst ausgeträumt, und wenn, dann muss jeder mit Handy ausgerüstet sein, damit die Frau Mama auch immer kontrollieren kann wo sich der Nachwuchs gerade aufhält. Und Privatsphäre? So weit käme es noch.

Dann kommen die Herren und Damen Kinder in die Pubertät, und sie ecken überall an. Nirgends passen sie hinein. Das gehört dazu. Denn um Neues zu erproben, muss man eine gewisse Freiheit haben. Aber die gibt es nicht mehr. Dafür wurden auch die Reservate geschaffen, außerhalb des Lebens, außerhalb der Zonen, in denen sich zvilisierte Erwachsene gestört fühlen würden. Man nennt sie Kindergärten, Schulen und neuerdings auch Universitäten. Letztendlich sind es nach wie vor Disziplinierungsanstalten. Und alle, die das unbeschadet überstehen und sich selbst treu bleiben, meinen Glückwunsch. Viele andere gehen traumatisiert daraus hervor, aber perfekt abgerichtet für die Arbeitswelt.

Einer Arbeitswelt, die immer mehr Wert auf betont „weibliche“ Tugenden legt, wie weiche Gesprächsführung, Kooperation und Empathie. Nicht, dass ich das Männern nicht zutraue, ganz im Gegenteil, aber ich habe den Eindruck, dass auch Männer immer mehr in Rollen gedrängt werden, die ihnen nicht gerecht werden. Und damit meine ich nicht, dass ich mir den Turbomacho zurückwünsche, ganz im Gegenteil, auch das ist ein Männerbild, das zu unrecht propagiert wird, aber ich würde mir Männer wünschen, die es wieder wagen zu ihrem Mann-sein zu stehen und auch mal mit dem Sohn raufen. Und dann auch noch sagen: „Ach, Mama, jetzt hab Dich nicht so.“ Ohne eine Predigt über die schädlichen Auswirkungen von Gewalt über sich ergehen lassen müssen.

Ich würde mir wünschen, dass Kinder wieder Baumhäuser bauen dürfen und ungestört miteinander tuscheln, mal in den Bach fallen und Brombeeren im Wald essen. Ich würde mir wünschen, dass Jugendliche sich austoben können, mit oder ohne Ball, mit Skateboard, und aufsässig sind gegen die Erwachsenen. Ich würde mir wünschen, dass Männer Männer, Frauen Frauen sein dürfen, ohne sofort in irgendeine Ecke gestellt zu werden. Ich würde mir wünschen, dass man wieder lachen darf, einfach so, ohne dass jemand denkt, der ist gut aufgelegt, mit dem kann doch was nicht stimmen.

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