Ich schreibe dies, obwohl ich kaum noch weiß, für wen. Vielleicht für die Geschichte. Vielleicht für niemanden. Zu viele Nächte liege ich wach, gezerrt von meinen eigenen Dämonen. Ich habe geglaubt, ich könnte mir ein Denkmal bauen, einen Platz in den Geschichtsbüchern als Wiederhersteller russischer Größe. Doch was habe ich wirklich geschaffen? Ein Spiel mit einer Waffe, in deren Trommel fast jede Kammer geladen ist – und die an meiner eigenen Schläfe liegt.
Auf dem Thron des Verlierers
Ich weiß, wie gnadenlos die Geschichte meines Landes ist. Verliererkriege verzeiht Russland nicht. Ich habe geglaubt, ich bin anders, stärker, gerissener. Doch mit jedem Monat wird mir klarer: was, wenn es so endet wie bei Zar Nikolaus I., bei Nikolaus II., bei Gorbatschow? Was, wenn mein Name nicht als Retter Russlands überliefert wird, sondern als der letzte Mann, der uns in den Abgrund gestoßen hat? Ich spüre, wie sehr das Gewicht der Vergangenheit mich erdrückt.
Meine falschen Optionen
Ich kann keinen Frieden schließen, ohne als Verräter dazustehen. Ich habe diesen Krieg mit Lügen begonnen, habe die Welt in meiner Rhetorik ertränkt. Hunderttausende Menschen sind gestorben, weil ich an einen Sieg glaubte, der niemals erreichbar war. Und doch weiß ich: Ohne "Sieg" zerreißen mich meine eigenen Leute – die Hardliner, die Generäle, die Oligarchen. Ich bin gefangen zwischen dem, was ich einmal gewollt habe, und dem, was ich nicht mehr stoppen kann. Jede Option ist tödlich.
Bilanz meines Tuns
Was ist der Preis dieses „Sieges“? Eine Generation junger Männer verloren, Städte in Schutt und Asche, eine Wirtschaft, die erstickt. Die klügsten Köpfe verlassen das Land und lassen mich zurück mit Provinzen aus verbrannter Erde. Ich frage mich jede Nacht: Wofür? War es das wert? Tief in mir weiß ich die Antwort. Nein. Ich habe meine Nation geopfert für ein Trugbild.
Der verzweifelte Griff nach Macht
Da ein echter Sieg immer weiter in die Ferne rückt, nutze ich nur noch die Werkzeuge des Schwachen. Propaganda, Spaltung, Destabilisierung. Ich will nicht mehr siegen – ich will nur, dass die Welt mit mir scheitert, damit mein Untergang nicht allein ist. Ich rede von Stärke, aber ich handle aus Schwäche. Und heimlich spüre ich die Angst, dass mein eigenes Volk irgendwann deutlich sieht, was ich wirklich bin: ein Mann in der Defensive, ein Herrscher, dem die Kontrolle entglitten ist.
Die größte Angst: das Ende
Flucht? Illusion. Ich weiß, dass ich nirgendwo sicher bin. Nicht im Westen, nicht bei meinen „Partnern“. Sie alle würden mich fallen lassen, sobald ich schwach bin. Meine eigenen Diener würden mich beseitigen, bevor ich meine Geheimnisse verrate. Jede Nacht überkommt mich die Angst, nicht nur mein Leben, sondern auch mein Bild für die Nachwelt zu verlieren. Ich wollte der große Staatsmann sein. Ich wollte als Wiederaufbauer ins Geschichtsbuch. Stattdessen droht, dass man mich eines Tages als den Mann beschreibt, der Russland schwächte, der es betrog, der es in Blut und Chaos stürzte.
Meine bittere Erkenntnis
Ich habe bereits verloren. Ich kämpfe nicht mehr für Russland, nicht für mein Volk, sondern nur noch für ein paar Atemzüge mehr, ein paar Monate länger in einem Palast, der mich gefangen hält. Ich rede noch von Stärke, doch die Wahrheit ist: Ich habe Angst. Angst vor dem Tod, Angst vor dem Vergessen, Angst davor, dass mein Name nicht mit Größe, sondern mit Tragik ausgesprochen wird.