Deutschland: Dumme Puten und anderes Geflügel

Im Folgenden einige Gedanken, die eher assoziativ verknüpft sind:

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Vor Jahrzehnten las ich ein Interview mit dem berühmten Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der durch seine Versuche mit Wildgänsen, die auf ihn geprägt waren, bekannt wurde. Lorenz wurde gefragt, warum er seine Versuche nicht mit Hausgänsen mache. Er antwortet trocken: „Die quatschen den ganzen Tag nur dummes Zeug“. Daran muss ich in letzter Zeit öfters denken.

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Zuletzt kam mir das in den Sinn, als ich Sieferles „Finis Germania“ las. Er schreibt: „Heute scheint sich für die Beschreibung solcher moralischen Ordnungen eher das Bild des Hühnervolks anzubieten. Sein erstes Merkmal ist die rasche Bereitschaft zur Furchtsamkeit, zur Panik vor allem, was auch nur im Entferntesten nach einem Fuchs aussieht.“

Ein vorzügliche Bild, ungleich treffender als das der „Schafherde“. Man sieht den Hühnerhof quasi vor Augen, wie die Hühner hektisch und gackernd beim kleinsten Anlass von einer Seite zur anderen laufen, etwa wenn jemand in die Hände klatscht oder eine Talkshow im Fernsehen läuft. Wie die Hühner stumpf vor sich hin picken und dabei ihre Hackordnung wahren, als wären sie als Produktionsmittel nicht alle gleich. Wir spüren die andauernde Hypererregung in dem Haufen und können nur mutmaßen, dass diejenigen Hühner in der Hackordnung oben stehen, die die Erregung befeuern: „Haste schon gehört? Klimawandel! Chemtrails! Der Fuchs wird von Soros bezahlt.“ Dem Bauern ist das ganz recht, so lange die Hühner fleißig Eier legen. Dummes Geflügel!

In letzter Zeit geht das Gerücht von der Umvolkung um. Die Hühner legen jetzt aus Furcht noch mehr Eier. Vielleicht kann man sich ja dann einen bevorzugten Hühnerstall leisten und ist erst Mal sicher.

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Heute Morgen las ich einen Artikel über Versäumnisse in der Kindererziehung, in dem kritisiert wurde, dass Kinder zu unfähigen Erwachsenen gemacht würden. Die Eltern, selbst im Zustand der Dauererregung, „agieren heutzutage nicht mehr. Sie reagieren nur. Auf ihr Smartphone, auf ihr Tablet, auf ihren Computer, auf ihr Kind. Und sie reagieren sofort.“ Ständiger „Katstrophenmodus“. Man versucht, Kinder schnellstmöglich ruhig zu stellen. Frustrationstoleranz lernen diese so natürlich nicht. Dauerregung schon bei den Küken. Sucht nach Erregung eint das Hühnervolk.

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Erregung! Mein Lieblingsthema: der Wahn des „optimize to the max“. So hält man die Hühner auf Trab. Schauen wir uns die Themen von aktuellen Magazinen an. „Wie du dein kleines, erbärmliches Leben optimierst und garantiert nicht zur Ruhe kommst“, könnte als große Headline auf dem Titel stehen.

Und dann geht es los: Schnäppchenjagd, billigere Urlaubsangebote, Tests neuer, noch besserer Handys und Gadgets, Schönheits-OPs, Fitnesswahn, die optimalen Ernährung, der bessere, der richtige Partner sofort, so wird dein Kind schlauer, noch mehr, noch günstigere Versicherungen, Megatrends, bei denen du dabei sein musst, Botox für Anfänger, Scheidung ohne Probleme jetzt, alles ändern, alles optimieren für jeden Trottel in nur 5 Minuten.

Und für die ganz dummen Puten: Bilder von Stars und Sternchen: „Schau! Die legen zwei Eier, wo du nur eines legst. Kannst du auch.“

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Ich hatte gestern ein längeres Gespräch mit einem guten Freund. Wir stellten fest, dass die meisten Menschen gar nicht in der Realität leben, sondern in ihrer Vorstellung von Wirklichkeit, wie sie ihrer Ansicht nach sein sollte. Und wenn es dann Abweichungen gibt, dann wird sich empört, dann ist man beleidigt, dann wird gegackert. Mein Freund sieht diese Entwicklung bereits bei seinen Kindern. Warum tun Menschen so was? Das Leben könnte doch viel friedlicher und glücklicher sein?

Es gibt viele Aspekte. Ego-Wahn, der in dieser Gesellschaft schon von Kindesbeinen an gefördert wird. Eine innere Leere, das Gefühl fehlender „Erdung“. Der Schnatterwettbewerb auf dem Hühnerhof: „Ich empöre mich, also bin ich“. Das Leben im Konjunktiv und infantile Kausalketten: „Wenn ich das hätte, wenn jenes so wäre, dann wäre ich glücklich“. Die mediale Dauerberieselung mit Glücksverheißungen.

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Dauererregtes Hühnervolk. Manchmal kommt der Bauer und liest die Produktivitäts-Auswertung vor: „Wir sind Exportweltmeister.“ Und dann wird bis spät in die Nacht gegackert und gefeiert. Warum, weiß keiner.

Und über dem Hof ziehen Habichte ruhig ihre Bahnen.

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