Heute, bei strahlendem Wetter, habe ich meine Facebook-Höhle verlassen und war spazieren. Und plötzlich hatte ich ein Erweckungserlebnis. Es war ungefähr 14:50, als er mir erschien.

Nachdrücklich schob er sich über mir in einer sanften Kurve fliegend in das azurne Blau des Himmels. Was für ein Anblick! Ich blieb stehen und schaute ihm andächtig hinterher, bis er am Horizont verschwand. Ja, ich war ergriffen; Demut und Respekt erfassten mich. Es war ein Zeichen!

Ich wusste natürlich, was ich gesehen hatte: den A380 der Emirates, der jeden Tag um diese Zeit vom nahen Flughafen Düsseldorf zu einem Sechsstundenflug nach Dubai aufbrach. Aber heißt es nicht, dass man nur mit dem Herzen richtig sieht? Dass man nur mit dem Gefühl und der Vorstellungskraft in der Lage ist, Wunder zu erfassen?

Und wahrlich: ein Wunder habe ich heute gesehen. Gibt es ein schöneres Beispiel für menschliche Intelligenz, Wissenschaft, Wagemut und souveränes Können als so ein gigantisches Flugzeug? Es ist ein Sinnbild. Ich spürte plötzlich, was hinter dieser fliegenden Aluminiumhülle steckte. Ich sah förmlich jene Hunderttausende vom rationalen Geist beseelten Menschen, die dieses Wunderwerk über Generationen aufeinander aufbauend geschaffen hatten. Ach, was sage ich? Millionen müssen es gewesen sein. Grundlagenforscher, Materialkundler, Elektriker, Physiker, Fertigungsexperten, Flugpioniere, Chemiker und Treibstoffexperten, - Ach! – die Liste ist endlos.

Wenn es einen Gott gibt, so dachte ich, dann hat er sich mit diesem A380 ein weiteres Denkmal gesetzt. Sein Geist hat die Menschen beseelt und ermutigt, dieses monumentale Werk zu schaffen. Aber er hat mehr getan: alle Fortschritte in der Medizin, alle Verbesserungen der menschlichen Existenz, die Reduzierung von Leid und die Befreiung vom Joch schwerster Arbeit, - Alles hat dieser rationale Geist ermöglicht. Verstand und Vernunft haben die Menschen befreit.

Ich dachte: Ja, im so genannten „alten weiße Mann“, den Viele heute so verachten, hat sich der Schöpfer gezeigt. Ja, sie waren die Krone der Schöpfung: Der Wissenschaftler, der Ingenieur, der Mediziner. Sie haben euch gezeigt, wie man Krankheiten heilt, wie man auf fernen Asteroiden landet und wie man die Menschheit vernetzt. Ihr hättet dem rationalen Geist huldigen und dafür sorgen sollen, dass der zivilisatorische Fortschritt Schritt hält mit dem technologischen. Aber ihr habt versagt, ihr Intellektuellen, und gebt nun ihm die Schuld. Ihr betet tumbe Ideologien an: grüne, linke, religiöse. Ihr wollt den Rückschritt und entfesselt in grenzenloser Naivität alte, längst überwundende Kräfte.

Eigentlich glaube ich nicht an Gott, aber ich glaube an den Geist, an die Vernunft. Aber heute erlaubte ich mir sogar den Gedanken, dass es vielleicht mehrere Götter geben könnte. Und es bestand für mich kein Zweifel, welcher von ihnen der Mächtigste und Wohlwollendste ist. Unserer, der westliche „Gott“. Die Welt ist voll von den wunderbaren Manifestationen seines Geistes, der die vernunftgläubigen Männer beseelt und verbunden hatte.

Aber, so schien mir, selbst der wohlwollendste Gott verlangt ein Mindestmaß an Huldigung, Demut und Respekt. Haben wir ihm gehuldigt? Haben wir aus unseren Universitäten Tempel des Wissens gemacht? Haben wir unsere Kinder zu Adepten der „Religion der Vernunft“ erzogen? Haben wir ihnen Respekt und Demut vor den Schöpfungen des menschlichen Erfindergeistes beigebracht? Haben wir sie gelehrt, die Namen der großen weißen Männer mit Ehrfurcht auszusprechen und ihnen nachzueifern?

Nichts von dem haben wir getan. Im Gegenteil: Wir haben sie mit der Verachtung des Fortschritts geimpft. Kein Wunder, dass keiner bereit ist, für den westlichen Geist zu kämpfen. Skepsis statt Dankbarkeit ist angesagt. Ja, und so hat unser Gott seine schützende Hand von uns gezogen und uns wehrlos zurück gelassen.

Und – immer noch im Gedankenexperiment mit den vielen Göttern – denke ich, dass nun ein anderer Gott begierig seine Finger ausstreckt. Er ist kein wohlwollender oder mächtiger Geist. Er ist ein primitiver Unterdrücker, der in den letzten Jahrhunderten nichts zuwege gebracht hat, ein blutrünstiger Sklaventreiber, der es mit brutaler Gewalt und dem Appell an primitive Instinkte geschafft hat, seine Jünger in Infantilität, Angst und Unfreiheit zu halten und sie zu zwingen, ihm mehrfach pro Tag zu huldigen.

Wir werden ihn noch kennenlernen, davon bin ich überzeugt. Und nichts kann ihn aufhalten. Eine andere Erklärung kann ich für die vielen Ereignisse der letzten Zeit in diesem verfluchten Land nicht finden, für das Verneigen vor der Primitivität, die nichts schafft, aber laut tönt. Wir haben uns versündigt und werden nun den Preis zahlen müssen. Wie immer: die Hölle. Diesmal auf Erden, in unseren Ländern.

Es ist mir unbegreiflich, wie Menschen, die jeden Tag die Segnungen von Zivilisation, Freiheit, Vernunft und Fortschritt direkt vor Augen haben, derart in die Irrationalität verfallen können. Wenn jemand eine bessere, griffige Erklärung hat, - ich bin dankbar.

Denn, wie gesagt, eigentlich glaube ich nicht an Götter. Das heißt: glaubte bis heute.

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