Ich bin ein Gutmensch, ein linksgrüner, weltoffener, nirgendwo verwurzelter, angegenderter Gutmensch. Die Welt ist ein endloses Versprechen für mich. Ich kann sein, was ich will. Ich kann sogar mein Geschlecht wechseln. Meine Möglichkeiten als Bürger der OneWorld sind nahezu unbegrenzt. Ich kann jede Sau reiten, die - der aktuellen Mode entsprechend - durchs Dorf getrieben wird. Die Welt ist für mich ein riesiges Warenhaus, in dem ich nach Belieben die Accessoires meiner Selbstverwirklichung zusammensuchen kann. Ich wähle, also bin ich.

Maximale Freiheit, alles gut zu finden und zu imitieren, was gerade IN ist. Zugegeben, diese Freiheit, die kulturelle Identitätslosigkeit, die Entwurzelung, machen mitunter Angst und wecken Zweifel. Alleine hält das kein Mensch aus. Deshalb gibt es das virtuelle Kollektiv der Gutmenschen, das seine Jünger darin bestärkt, zu den Guten zu gehören, zur Internationale der neuen, weltoffenen Menschen. Es gibt mir den Rahmen der Correctness vor, in dem mich sicher wähnen kann. Es vermittelt mir das nötige Feindbild: den bösen, ewig gestrigen, meist männlichen Rechten. Der Kampf gegen diesen klimaschändenden, fleischfressenden national und traditionell verhafteten Unhold, heiligt meine Existenz. Ich bin Kämpfer und Hedonist zugleich. Ich werde zu den Siegreichen gehören.

Der Sieg ist unser, dafür haben wir gesorgt. Wir haben die Diskurshoheit, wir geben die Narrative vor und haben die Sprache gekapert und sie an unsere Bedürfnisse angepasst. Wir haben die Schulen und Universitäten erobert und formen dort eine neue Generation von Menschen. Wir haben die Medien in unserer Hand, wir selektieren die Informationen und schreiben die Dramaturgie der Talk-Shows. Aber auch die Unterhaltungsindustrie tanzt nach unserer Pfeife. Es sind unsere Drehbücher, nach denen die Filme gedreht werden, die abendlich in der Glotze bestaunt werden. Es sind unsere Gags, über die das Volk lacht und die die Rechten der Lächerlichkeit preisgeben. Es gibt kaum noch einen Kabarettisten oder Comedian, der nicht zu uns gehört.

Selbstverständlich ist der Apparat, sind Politik und Bürokratie auf unserer Seite. Das war einfach, denn dort sitzen traditionell Opportunisten. Wir mussten nur laut genug schreien, um sie auf unsere Seite zu bringen. Da die Mehrheit schweigt, reichen wenige Stimmen, etwa die der Schwulen, um den Eindruck zu erwecken, hier spräche das Volk. Wir haben das im Lauf der Zeit perfektioniert und können heute die politischen Entscheider wie Marionetten tanzen lassen. Natürlich ist es immer noch notwendig, dass die Mehrheit weiter schweigt. Dafür sorgen die Angst und die political correctness. Es reicht, von Zeit zu Zeit ein paar Aufmüpfige an den Pranger zu stellen oder öffentlichkeitswirksam auszugrenzen, und schon kuscht das Volk der Duckmäuser wieder.

Unsere Gegner haben keine Chance. Sicherlich, von Zeit zu Zeit gelingt es einem Sarrazin oder Sieferle nochmal aufzutauchen und etwas Wind zu machen. Im Internet gibt es eine verschworene Communitiy, die sich um Blogs wie Tichy oder Die Achse schart. Man könnte fast Mitleid mit ihnen haben, wie sie sich unbeirrbar in ihrem Glauben an Logik und Wahrheit abmühen, ihre Analysen, Essays und Traktätchen versuchen unters Volk zu bringen. Diese letzten Dinosaurier haben die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt.

Wir haben sie in die Defensive gedrängt. Alles, was sie treiben, ist defensiv, fad und besserwisserisch. Es sind traurige Bremser auf dem Weg in eine neue Welt, die immer noch an die Kraft der Argumente glauben. Eure so genannte „Wahrheit“ interessiert kaum einen. Nicht, weil sie nicht durchdacht, unlogisch oder von minderer Qualität wäre, sondern einfach, weil „Wahrheit“ als rationales Konstrukt heute ausgedient hat.

Sie werden es wohl nie kapieren. Wahrheit ist längst ein moralisches Konstrukt. Wahr ist, was gut ist, was ein gutes Gefühl vermittelt und die Menschen darin bestärkt, zu den Guten zu gehören. Gegen den Klimawandel, für Flüchtlinge und Grenzenlosigkeit zu sein, ist richtig, weil es ein gutes Gefühl vermittelt. In einer immer hektischeren und komplexeren Welt haben die Menschen keine Zeit mehr, sich für Logikexzesse und Wortklaubereien zu interessieren. Sie wollen Gutsein-to-go, moralische Überlegenheit auf Mausklick.

Das ist das Geheiminis des Gutmenschen. Er hat sich von den rationalen Fesseln befreit. „Heute zu den Guten gehören und nach mir die Sintflut“ ist seine Devise. Und ihr wollt ihm den Spaß nehmen? Mit euren öden, mühseligen Denkprodukten? Wir feiern mit ihm das große Multikulti- und Weltretter-Fest, wir bestärken ihn mit jedem Fernsehfilm und jeder Unterhaltungsshow, wir versöhnen ihn mit seinen Kindern, die in der Schule längst gelernt haben, dass Traditionen verwerflich sind und dem Kult allumfassender Toleranz huldigen.

Ja, ich bin ein Gutmensch. Weil es sich besser anfühlt und dauerhafter ist, als ein Wutmensch zu sein. Und je mehr wir werden, je mehr Bestärkung wir erfahren, desto besser fühlt es sich an. Dafür werden wir sorgen. Und dagegen kommt ihr in euren intellektuellen Sadomaso-Dungeons im Web niemals an!

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Beate K.

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