Zelenskyj: Der Schwindel mit der Gegenoffensive

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Präsident Zelenskyj und seine NATO-Verbündeten starteten eine Gegenoffensive gegen die russischen Truppen. Sie wählten einen Ort, an dem es kaum welche gab und den Moskau nicht besetzen wollte. Fortan durften sie diesen Sieg mit Pauken und Trompeten feiern - einen Sieg ohne Feinde und ohne Schlacht. Ein Rückblick auf einen Bluff, der nur diejenigen überzeugt, die überzeugt werden wollen, nämlich die westliche Öffentlichkeit.

Von Thierry Meyssan, 20. September 2022 – (Übersetzung: Horst Frohlich)

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Kiew kündigte mit großem Getöse eine Gegenoffensive in der Region Kharkiw an, also westlich des Donbass. Den von der NATO unterstützten Kräften ist es gelungen, einen 70 km langen und etwa dreißig km tiefen Streifen Territorium zu "befreien".

Präsident Zelenskyj, der Izjum besuchte, kündigte den "bevorstehenden Sieg" seines Landes über den russischen "Invasoren" an.

Die westliche Presse spricht über die russische Niederlage und wundert sich über eine mögliche Verschwörung zum Sturz des "besiegten Präsidenten", Vladimir Putin.

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(Auf dieser Karte des "Institute for the Study of War" ist das "befreite" Gebiet der blaue Fleck oben rechts.)

Ende der Gutenachtgeschichte; eine Inszenierung der NATO.

In Wirklichkeit sind die westlichen Streitkräfte nie in den Donbass, die Republik Luhansk oder die Republik Donezk eingedrungen. Sie haben nur Gebiete zurückgewonnen, die die russische Armee erobert, aber nie besetzt hatte. Von Anfang an hat Präsident Putin angekündigt, dass er die beiden Donbass-Republiken verteidigen wolle, die Ukraine aber nicht annektieren, sondern nur "entnazifizieren" wolle (d.h. ihre "integralen Nationalisten" loswerden).

Im Laufe der Zeit hat er angekündigt, dass er auch beabsichtige, die Ukrainer für den Krieg bezahlen zu lassen, den sie mit der Annexion des Südens ihres Landes ausgelöst hatten. Ihm standen dann zwei Optionen zur Verfügung, entweder Noworossiya oder Makhnoschtschina zu annektieren, da sich die beiden Gebiete mit russischer Tradition weitgehend überschneiden.

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(Das historische Novorossiya, der Washington Post zufolge, im Jahr 2014.)

Novorossija, wörtlich "Neues Russland", ist das russische Siedlungsgebiet, das von Grigory Potemkin, dem Geliebten der Zarin Katharina II., vom Osmanischen Reich erobert wurde. Es umfasst die gesamte heutige südliche Ukraine, einschließlich der Krim, bis zu einem kleinen Teil des heutigen Moldawien, Transnistrien. Dieses Territorium erlebte nie die Schrecken der Leibeigenschaft, die Katharina II. in ihrem Reich nicht abschaffen konnte. Marschall Potemkin erbaute dort einen aufgeklärten Staat, inspiriert vom antiken Griechenland und Rom. Novorossia wurde einst von einem französischen Offizier regiert, einem persönlichen Freund von Zar Alexander I., Armand de Vignerot du Plessis, Herzog von Richelieu und zukünftiger Präsident des französischen Ministerrates.

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(Lage der Machnowschtschina in Fettdruck. Sie breitete sich allmählich auf die ganze graue Zone aus, einschließlich Kherson und Izjum.)

Die Machnowschtschina ist die Gegend, in der die schwarze Armee des Bauernanarchisten Nestor Machno 1918 triumphierte. Sie hatte es geschafft, sich von der Macht Kiews zu befreien, die damals von Symon Petljura und Dmytro Donzow, dem Beschützer und Gründer der "integralen Nationalisten", gehalten wurde; deren Nachfolger jetzt an der Macht sind und welche Russland als "Nazis" bezeichnet. Machnos Anhänger errichteten ihrerseits ein libertäres Regime im Südosten des Landes, das den Ideen der französischen Sozialisten des neunzehnten Jahrhunderts (Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon) und insbesondere dem Einfluss von Pierre Kropotkin entsprach: die Schaffung selbstverwalteter Kommunen. Die Machnowschtschina wurde gestürzt und ihre Anhänger durch Angriffe aus dem Deutschen Reich, von ukrainischen "integralen Nationalisten" und trotzkistischen Bolschewiken massakriert.

Am Ende entschied sich Vladimir Putin nun für Novorossiya und beansprucht es offiziell.

Das Gebiet, das gerade von der Kiewer Armee "befreit" wurde, gehörte für eine Weile zu einem der größten anarchistischen Länder der Welt, dem von Nestor Machno, aber gehörte nie zu Novorossiya. Die Kiewer Regierung hat dieses kleine Gebiet, wie schon in der Zwischenkriegszeit, nun zurückgewonnen.

Aus russischer Sicht hat Kiew ein Territorium zurückgewonnen, das Moskau einst annektieren wollte, aber schließlich aufgegeben hatte. Es gab dort also keine russische Armee, nur Grenzsoldaten und Donbass-Polizisten. Sie waren diejenigen, die ohne zu murren, flohen. Es gab also keinen Kampf und noch weniger eine Niederlage.

Daher sind die langen Darstellungen der westlichen Medien über die Verschwörung eines Generals, zum Sturz des "besiegten" Präsidenten Putin, eine reine Fiktion.

Anders wäre es, wenn westliche Armeen Cherson, einen Hafen am Dnjepr, kurz vor seiner Mündung ins Schwarze Meer, zurückerobern würden. Eine zweite Operation ist rund um das Kernkraftwerk Saporischschja geplant. Aber so weit sind wir noch nicht.

Der Schwindel von Präsident Volodymyr Zelenskyj besteht darin, einen Vormarsch seiner Truppen in ein unbesetztes Gebiet als Schlacht darzustellen. Er ermöglicht ihm, zusätzliche Milliarden vom Westen zu fordern, weshalb der Vormarsch am 6. September gestartet wurde. Zwei Tage später, am 8., trafen sich etwa fünfzig Länder auf dem US-Stützpunkt Ramstein (Deutschland), um der Ukraine Waffen zu geben [1]. Da niemand Geld dafür hat, wurden die Ausgaben von den Vereinigten Staaten im Rahmen des "Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act" von 2022 vorgestreckt [2]. Sie werden alle später zahlen, aber sie werden bezahlen, was sie heute, ohne zu zählen, ausgeben.

Am 9. und 10. September enthüllte das "Institut für das Studium des Krieges" [Institute for the Study of War] Details über den Vormarsch der Truppen und den herzlichen Empfang, den sie erhielten [3/3b]. Diese Inszenierung wird von der westlichen Presse geschluckt, die sie dann auch weiterleitet. Aber dieses Institut ist ein Schlupfwinkel von Straussianern. Es wird von Kimberly Kagan, der Schwägerin der stellvertretenden US-Außenministerin Victoria Nuland, geleitet. Zu den Direktoren gehören Bill Kristol, der ehemalige Präsident des "Project for the New American Century", sowie General David Petraeus, der schon den Irak und Afghanistan zerstörte.

Am 11. September versichert die Agentur Reuters-Thompson, dass sich Tausende russische Soldaten auf der Flucht befänden [4]. Sie spricht von einem "harten Schlag für Russland", obwohl der russische Generalstab den sofortigen Rückzug aus diesem Gebiet, welches Russland nicht beabsichtigt zu verwalten, angeordnet hatte. Als Donald Trump die Straussianer aus seiner Regierung geworfen hat, wurde Victoria Nuland eine der Direktorinnen der Reuters Agentur [Donald Trump machte das wieder wett, indem er Elliot Abrams mit Lateinamerika betreute. Er ließ ihn verschiedene Operationen durchführen und hinderte ihn schließlich im letzten Moment daran, eine Militäroperation gegen Venezuela zu starten.]. Die Reuters-Depesche ist von Max Hunder, einem Eton-Absolvent, Englands exklusivster Schule, unterzeichnet. Wenig später bestätigte das britische Verteidigungsministerium seine Depesche.

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Am 12. wird der Schwindel von der New York Times bestätigt, die eine Doppelseite zum Ruhm des tapferen Zelenskyj veröffentlicht. Die westliche Presse leitet die Nachricht ohne nachzudenken weiter.

Pech jedoch: als die New Yorker Tageszeitung erscheint, sind alle ukrainischen E-Kraftwerke in der Nacht von Raketen getroffen worden [6]. Die Ukraine tappt im Dunkeln. Auch die Gegenoffensive.

Präsident Putin ist über die Böswilligkeit des Westens verärgert. Er erklärt, dass Russland vorerst nur einen kleinen Teil seiner Kräfte gegen die "Nazis" in Kiew eingesetzt habe und dass seine nächsten Aktionen, wenn nötig, von einer völlig anderen Größenordnung sein werden.

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(Die am SOZ-Gipfel in Samarkand teilnehmenden Staats- und Regierungschefs.)

Da der Rest der Welt Augen hat um zu Sehen – im Gegensatz zur westlichen Bevölkerung, die nur Ohren hat, um Märchen anzuhören – bereitete der Rest der Welt auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Samarkand der russischen Delegation eine Feier.

Während der Jelzin-Ära wurde eine Kontaktstruktur zwischen Russland und China geschaffen. Der Chef der russischen Regierung, Jewgeni Primakow, einigte sich mit Peking auf gemeinsame stabile Grenzen. 1996 wurde diese Kontaktgruppe zu einem internationalen Forum mit den zentralasiatischen Staaten (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan) und kurz vor den Anschlägen des 11. September 2001, zur heutigen Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). China und Russland hatten bereits verstanden, dass die Angelsachsen in Zentralasien Unruhen schürten. Deshalb haben sie gemeinsam Programme gegen Terrorismus und Separatismus entwickelt. Die nachfolgenden Ereignisse haben ihnen mehr als Recht gegeben.

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(Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) ist in 20 Jahren stetig grösser geworden.)

Die SOZ ist schnell gewachsen. Indien, Pakistan und der Iran haben sich ihr angeschlossen. Belarus bereitet sich darauf vor. Afghanistan und die Mongolei sind Beobachter. 14 weitere Staaten sind Partner. Sie zeichnet sich durch einen Geist aus, der sich sehr von dem westlicher Organisationen unterscheidet. In gewisser Weise kann sie als eine Erweiterung des Geistes von Bandung angesehen werden: Souveränität der Staaten, Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und Zusammenarbeit.

Die SCO beruhigt und vereint. Sie vereint heute ein Viertel der Weltbevölkerung und sogar zwei Drittel, wenn man die Beobachterstaaten mit einbezieht. Hier werden keine tollen Pläne geschmiedet, die es als Sieg bejubeln, wenn man sich in einem Gebiet niederlässt, das nicht beansprucht und verteidigt wird.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 20. September 2022 im französischen Original bei voltairenet.org.

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Über den Autor: Thierry Meyssan ist ein französischer Intellektueller, Politischer Berater sowie Gründer und Präsident des "Voltaire Netzwerk" - Réseau Voltaire; außerdem organisierte er die Konferenz "Axis for Peace". Seine Kolumnen zum Thema "internationale Beziehungen" erscheinen u.a. in arabischer, spanischer und russischer Sprache in verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen.

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