Der Sprecher des Weissen Hauses, also de facto von Donald Trump, Sean Spicer, meinte in einem Interview nach dem mutmaßlichen Giftgaswaffeneinsatz der syrischen Armee bei Idlib / Chan Sheichun, nicht einmal Adolf Hitler sei so tief gesunken, Giftgaswaffen zu verwenden, so wie (der syrische Präsident) Assad dies tat.

Es gab natürlich die vorhersehbaren heftigen Proteste, die darauf hinausliefen, Spicer würde den Nazi-Holocaust relativieren und sei daher rücktrittsreif, etc.

Möglicherweise sehe ich die Sache falsch und zu technokratisch, aber Spicer sprach von Giftgaswaffen, und damit sind normalerweise Giftgasbomben, Giftgasgranaten und Giftgasraketen gemeint. Hingegen Giftgas, das aus Duschköpfen strömt, wie in den Nazi-Vernichtungslagern, wird normalerweise nicht als Waffe bezeichnet, sondern als Vernichtungsinstrument, das keine Waffe ist.

Duschköpfe sind in meinem Sprachverständnis eher keine Waffen.

So gesehen ist aus meiner Sicht Sean Spicer nicht rücktrittsreif. Auch zweifle ich sehr daran, ob er die Absicht hatte, den Holocaust zu relativieren.

Auch Giftspritzen, die zur Hinrichtung von zum Tode Verurteilten verwendet werden, sind in meinem Sprachverständnis eher keine Waffen.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/sean-spicer-vergleicht-baschar-al-assad-mit-adolf-hitler-a-1142961.html

Auch die Schlagzeilen, Spicer würde Assad mit Hitler vergleichen, erscheinen mir so nicht richtig.

Spicer sprach ausschliesslich von Waffeneinsatz, über sonstige nicht-waffenmäßige Vernichtungsinstrumente machte er keine Aussage.

http://edition.cnn.com/videos/politics/2017/04/11/sean-spicer-hitler-wwii-chemical-weapons-sot.cnn

http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-04/idlib-syrien-giftgas-angriff-aktivisten-tote-zivilisten

Spicer bezeichnete Hitler von Anfang an, also schon vor der Kritik von Medien, Journalisten und jüdischen Organisationen, als "despicable", als "jämmerlich", "verächtlich", "verabscheuungswürdig". So gesehen erscheinen die zahlreichen Vorwürfe, Spicer wolle den Holocaust oder Hitler relativieren, ziemlich absurd.

Generell hat diese Assad-Hitler-Chemiewaffenvergleichsproblematik eine Tendenz, viel wichtigere Fragen aus dem Blickfeld zu verdrängen.

Journalisten, US-Demokraten oder europäische Sozialdemokraten sollten sich einmal die Frage stellen, ob ihnen eine US-republikanische Aussage mit einer kleinen Mißverständlichkeit wirklich problematischer und berichtenswerter erscheint als gravierende Menschenrechtsverletzungen und Kriegsrechtsverletzungen.

Die wirklich wichtige Frage in diesem Fall ist doch, wie man mit derartigen Giftgaswaffeneinsätzen bzw. ähnlichen Situationen umgehen soll.

In dem Zusammenhang wurde auch immer wieder behauptet, Trump und seine Reaktion, nämlich der Marschflugraketeneinsatz auf die syrische Militärbasis, von der der Giftgaswaffeneinsatz, bzw. der Waffeneinsatz, der zur Giftgasverbreitung führte, offensichtlich ausging, sei das Problem. Trump sei unerfahren und riskiere einen dritten Weltkrieg, titelte beispielsweise die SPÖ-nahe und vielfach antiamerikanische Zeitung "Österreich". Dass Putin und die iranischen Mullahs (also Khamenei und Rohani) einen dritten Weltkrieg riskieren, indem sie einen äußerst problematischen Assad unterstützen, der sich ohne russische bzw. iranische Unterstützung gar nicht halten hätte können, erwähnen viele Trump-kritische Journalisten nicht.

Auch die russische bzw. iranische Doppelmoral, sich massiv in Syrien einzumischen, und gleichzeitig den USA bzw. Trump eine Einmischung in inner-syrische Angelegenheiten vorzuwerfen, lassen Trump-kritische Journalisten und -innen unerwähnt.

Trump wird vorgeworfen, keine außenpolitischen Erfahrungen beim Amtsantritt zu haben, ein Vorwurf, den man genauso Ronald Reagan, Bill Clinton, George W. Bush oder Barack Obama hätte machen können, die aus der reinen Innenpolitik kamen und niemals eine außenpolitische Funktion bekleidet hatten.

Der Sprecher des Weissen Hauses, Sean Spicer (Bild-Copyright: Boston Globe)

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