In einem Bezirkszentrum eines Wiener Bezirks wurde mir heute ein Broschüre der H.C.Strache-Partei in die Hände gedrückt:

Darin heisst es, Strache stehe für Transparenz. Was nun transparent gewesen sein soll an der Ibiza-Affäre, die nach einigen Jahren Geheimhaltung an die Öffentlichkeit kam, bleibt wohl ein Rätsel, ebenso wie vielleicht es ein Rätsel bleiben wird, ob Strache nun in Wien-Landstrasse wohnt oder in Klosterneuburg.

Auch was "das Ohr am Volk" betrifft, so kann man so seine Zweifel haben: was Strache in Ibiza im Gespräch mit der geglaubten Oligarchin von sich gab, war nun nicht "Ohr am Volk", sondern "Ohr an der (geglaubten) Oligarchin", aber wenigstens hatte Strache einen Moment des Misstrauens, wo er die Möglichkeit erwog, diese ganze Ibiza-Sache könne eine Inszenierung sein.

Außerdem gibt es einen Unterschied zwischen "Das Ohr am Volk haben" und "dem Volk nach dem Mund reden". Von einem Freund erwarte ich mir (und die meisten Menschen sich auch), dass er hin und wieder auch ein kritisches Wort zu mir sagt, und nicht immer meine Meinung bestätigt, kein Ja-Sager ist.

Somit stellt sich die Frage, ob der "Populist", der immer das sagt, was das (manchmal schlecht informierte) Volk hören will, ein Freund des Volkes ist oder sein Feind - ein Regenmacher und Scharlatan, der dem Volk alles verspricht, was es hören will, auch das Unmögliche, aber nie zu erklären versucht, was möglich ist und was nicht.

Und letztlich stellt sich die Frage, wem die Kandidatur der Strache-Liste nutzt. Angenommen, die Strache-Partei verfehlt den Einzug in den Wiener Landtag knapp, dann könnte sie das Wahlergebnis stark verändern: angenommen, Rot-Grün erzielt 48%, dann ist das keine Stimmenmehrheit. Aber wenn die Strache-Partei mit 4.9% an der Fünfprozenthürde scheitert, dann könnte Rot-Grün auch ohne absolute Stimmenmehrheit eine absolute Mandatsmehrheit erreichen, weil die Mandate, die auf die Strache-Partei entfielen (also z.B vier) dann auf die anderen Parteien verteilt werden.

Weil eben 48% mehr als die Hälfte von 95% (100% minus 4.9% Strache-Partei) ist. Dasselbe würde auch für eine ÖVP-NEOS-Summe oder eine ÖVP-NEOS-Grün-Summe von 48% gelten.

(Das ist jetzt eine sehr vereinfachte Darstellung des Wiener Wahlsystems, aber stellt den Hürdeneffekt gut dar)

Auch das mit der Rede- und Meinungsäußerungsfreiheit ist so eine Sache: ich brauche nicht unbedingt einen Politiker, der die Freiheit hat, Unfug zu äußern, so wie zum Besipiel Strache in Anbetracht des Wirrwarrs damals um den dritten Volksanwalt (Grüne und FPÖ hatten damals nach der Nationalratswahl 2006 gleichviele Mandate, aber die Grünen etwas mehr Stimmen) von "Verfassungsbruch" sprach, was es nicht war, sondern es war nur ein schlecht gemachtes Gesetz, in dem der Mandatsgleichstand nicht behandelt wurde. Allerdings gehen praktisch alle derartigen Verfahren, dass man bei Mandatsgleichheit die Stimmenstärke als Maßstab dafür verwendet, welche Partei den höheren Anspruch hat, und das hätte auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) wahrscheinlich so gesehen, wenn die FPÖ diesen in dieser Sache eingeschaltet hätte. Aber die FPÖ hat nicht, wahrscheinlich weil sie wusste, dass ein derartiges Verfahren chancenlos wäre, weil es eben keine Verfassungsverletzung war.

Und auch das ist ein Aspekt der Intransparenz: dem vielfach uninformierten Volk gegenüber behaupten, es handle sich um Verfassungsbruch, aber gleichzeitig keine Klage beim Verfassungsgerichtshof anzustreben, weil man weiss,d ass es eben kein Verfassungsbruch ist.

Somit stellt sich auch die Frage der Glaubwürdigkeit von H.C. Strache, ebenso wie sich die Frage stellt, ob Straches Konversion zum Katholizismus glaubwürdig war, obwohl ich ihn in den Kirchen des Bezirks Landstrasse, wo er angibt, zu wohnen, nicht antraf, weden zu Messen noch zu Bibelrunden.

Aber insofern ist die Broschüre natürlich transparent und ehrlich: das Kriterium der Glaubwürdigkeit fehlt in dieser Broschüre !

Und auch was die Unterscheidung zwischen "noble lies" und "selfish lies" ( "ehrenwerte Lügen" und "egoistische Lügen" ) betrifft, wie sie der US-amerikanische Politikwissenschafter Mearsheimer von der Universität Chicago vornahm, so scheinen die "Lügen" von Strache alle in das Gebiet der "selfisch lies" zu fallen, in Verdrehnungen, die nur dazu da sind, Strache zur Wahl zu verhelfen.

CC / SPÖ Presse und Kommunikation https://de.wikipedia.org/wiki/Heinz-Christian_Strache#/media/Datei:2017_ORF-Elefantenrunde_(37410230120)_(cropped).jpg

(auch intransparent bleibt übrigens, warum die SPÖ-Presse-und-Kommunikationsabteilung dieses Foto auf Wikipedia hochlud)

H.C. Strache: schon einmal gelang es einem Politiker, der sich mit seiner Partei zerstritten hatte, in den Wiener Landtags einzuziehen: das war 1969 der Ex-SPÖ-Innenminister Franz Olah mit der DFP, die damals drei Mandate erreichte. Auch damals war ein Dritter der Nutzniesser des Streits zwischen SPÖ und Olah: die ÖVP hatte 1966 bei der Nationalratswahl mit 48% der Stimmen 52% der Mandate erhalten, weil die DFP den Einzug in den Nationalrat nicht geschafft hatte, aber die SPÖ geschwächt hatte.

Der zeitweise Erfolg von Strache (obwohl er nie, auch nicht mit dem Rückenwind der Flüchtlingskrise 2015, die 27% erreichte, die FPÖ-Parteiobmann Järg Haider 1999 erreicht hatte) trotz Fehlern, Ungereimtheiten und Schwächen wirft natürlich die Frage auf, ob nicht alle anderen Parteien weitgehend versagt haben. Und es wirft auch die Frage auf, ob es nicht ein krasser Fehler aller anderen Parteien die Islamkritik, die auch von der FPÖ betrieben wurde, als rechtsextrem und unvertretbar einzustufen.

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